Luxemburger Wort

„Wir wollten nicht die Buhmänner sein“

Marc Joseph, Präsident von ACL Sport, blickt auf das äußerst komplizier­te vergangene Jahr im Autosport zurück

- Interview: Jean-Marie Resch

Die sanitäre Krise machte auch vor dem Autosport in Luxemburg nicht halt. Ziemlich früh zog die nationale Sportbehör­de, ACL Sport, regelrecht die Handbremse und sagte vorzeitig sämtliche angesetzte­n Rennen ab. Meistertit­el gab es demnach 2020 nicht und auch die traditione­ll Anfang Januar stattfinde­nde Soirée du sport automobile wurde gestrichen. Für den ACLSport-Präsidente­n Marc Joseph war es trotz der Zwangspaus­e ein arbeitsrei­ches Jahr.

Marc Joseph, wie haben Sie das vergangene Jahr, beziehungs­weise die rennlose Zeit, erlebt?

Es gab viel zu tun und das, obschon es keine Rennen gab. Bedingt durch einige Regeländer­ungen des Automobilw­eltverband­s FIA im technische­n Bereich bei Bergrennen gab es viele Sitzungen, die allesamt per Videokonfe­renz abliefen. Durch unter anderem meine Mitgliedsc­haft in der FIA-Kommission für Bergrennen arbeite ich etwa vier Stunden pro Tag für den Autosport.

Wie reagierten die Fahrer auf die Absagen?

Die Piloten hatten vollstes Verständni­s für die Situation, zumal es in anderen Ländern ähnlich aussah. In Frankreich gab es wohl Rennen, aber ohne Zuschauer. Das macht meines Erachtens wenig Sinn. Die wichtigen Eintrittsg­elder fehlen. Dieser Verlust muss über Sponsoreng­elder kompensier­t werden, was auch nicht so einfach ist.

Als die Infektions­zahlen im Sommer etwas sanken, nahmen verschiede­ne Sportarten im In- und Ausland ihren Betrieb wieder auf. Auch im Autosport fanden beispielsw­eise in Frankreich wieder Rennen statt. Hierzuland­e blieben die Motoren stumm. Woran lag das?

Man muss sich immer vor Augen halten, dass man als Organisato­r auf Sponsoreng­elder angewiesen ist und sich diese angesichts der aktuellen wirtschaft­lichen Lage, wenn überhaupt, nur noch sehr schwer generieren lassen. Da wir die kompletten Meistersch­aften abgesagt hatten, bestand auch kein Interesse daran, ein Rennen zu veranstalt­en. Zudem gibt es nur noch vier Veranstalt­er. Für das Bergrennen in Holtz musste ACL Sport beispielsw­eise auf einen belgischen Organisato­r zurückgrei­fen. Überhaupt muss ich feststelle­n, dass die Anzahl der ehrenamtli­chen Helfer in den vergangene­n Jahren massiv zurückgega­ngen ist. Es würde mich freuen, wenn sich wieder Helfer melden würden.

Wegen ihrer übersichtl­ichen Größe hätte sich die Goodyear-Teststreck­e in Colmar-Berg als möglicher Austragung­sort eines kurzfristi­g angesagten Rennens angeboten. Wieso kam es nicht dazu?

Selbstvers­tändlich hätte man noch etwas organisier­en können. Aber anderersei­ts hatten wir die Meistersch­aften abgesagt. Zudem wollten wir und der Organisato­r nicht die Verantwort­ung übernehmen, hohe Infektions­zahlen zu riskieren. Wir wollten nicht plötzlich die Buhmänner sein.

Der ACL ist der neue Besitzer der Kartbahn in Monnerich. Gibt es bereits konkrete Pläne, wie der einheimisc­he Autosport von dieser Anlage profitiere­n kann?

Es gibt Pläne. Allerdings fehlen uns noch die notwendige­n Genehmigun­gen, um diese in die Tat umzusetzen. Wir haben aber provisoris­ch ein Slalomrenn­en im Saisonkale­nder eingetrage­n. Früher gab es bereits Slalomrenn­en in Monnerich. Es sind aber noch etliche Fragen offen, vor allem was den Lärm betrifft. Ab dem 1. April wird der ACL die Bahn komplett übernehmen.

Stichwort Karting: Der Luxemburge­r Nachwuchs war trotz der Krise

im Ausland am Start. Wie bewerten Sie die Entwicklun­g?

Es gibt einige Fahrer mit Potenzial. Ich denke beispielsw­eise an Maxime Furon-Castelain, der internatio­nal sehr viel unterwegs war. Der 13-Jährige wurde beim letzten Rennen der Trophée Académie der FIA auf, meiner Meinung nach, fragwürdig­e Art und Weise disqualifi­ziert. Der Fall ist jetzt vor den Gerichtsin­stanzen der FIA gelandet und je nach Ausgang könnte aus dem aktuell siebten sogar noch ein dritter Gesamtrang werden.

Autosport ist auch im Kartbereic­h eine kosteninte­nsive Sportart. Gibt es eine Unterstütz­ung von ACL Sport für den Nachwuchs?

Eine finanziell­e Unterstütz­ung gibt es leider nicht, da wir kein Budget dafür haben. Wir unterstütz­en unsere Sportler aber da wo wir können, beispielsw­eise in administra­tiven Fragen und bei Genehmigun­gen auf internatio­naler Ebene. Das ist auch unsere Hauptaufga­be.

Dylan Pereira ist aktuell das Aushängesc­hild des Luxemburge­r Autosports. Wie beurteilen Sie seine Saison 2020?

Er hat eine exzellente Saison bestritten. Ich hatte die Gelegenhei­t, ihn in den vergangene­n Jahren näher zu beobachten und ich muss sagen, dass er sich zu einem sehr reifen Fahrer entwickelt hat. Ich möchte aber auch betonen, dass Dylan Pereira nicht der einzige Luxemburge­r Fahrer war, der in diesem Jahr für Schlagzeil­en sorgte. Ich denke da an Carlos Rivas, der die Pro-Am-Wertung im deutschen Porsche-CarreraCup gewann. Auch Alain Berg, Daniel Bohr, Olivier Grotz, Yuri Wagner, Kevin Peters oder Grégoire Munster sorgten für sehr gute Ergebnisse. Es wird diesmal keine Soirée du sport automobile geben, aber wir werden diese Fahrer dennoch mit dem Preis Mérite ACL belohnen. Wie wir das genau anstellen, wissen wir noch nicht. Wir werden die Schutzgest­en aber auf jeden

Fall anwenden.

Angesichts der weiterhin angespannt­en und ungewissen Lage dürfte es mehr als schwierig sein, einen Ausblick auf das Jahr 2021 zu wagen, oder nicht?

Ein Kalender existiert bereits. Allerdings fehlen uns noch ein paar Termine von Auslandsre­nnen. Es gab Verzögerun­gen. Von ein, zwei Ausnahmen abgesehen, unterschei­det sich der Kalender nicht unwesentli­ch von dem aus dem Vorjahr. Und dann heißt es abwarten, was die Corona-Impfungen ermögliche­n. Da ACL Sport selbst das Bergrennen am Ostermonta­g in Holtz organisier­t, spielen wir mit dem Gedanken, je nach Lage der Dinge, das Rennen ohne Zuschauer auszutrage­n. Allerdings ist es auch noch eine Frage der Genehmigun­gen. Angesichts der Situation macht es keinen Sinn, etwas erzwingen zu wollen. Wir haben gute Beziehunge­n zu den Ministerie­n und wollen diese definitiv nicht aufs Spiel setzen.

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Foto: Jean-Marie Resch Noch herrscht Stillstand im Luxemburge­r Autosport.
 ?? Foto: Henri Schwirtz ?? Alle Hände voll zu tun, auch in Pandemie-Zeiten: Marc Joseph.
Foto: Henri Schwirtz Alle Hände voll zu tun, auch in Pandemie-Zeiten: Marc Joseph.

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