Die Impfmuffel wollen den Piks
In Frankreich steigt die Zustimmung zur Corona-Impfung deutlich – auch viele Jüngere lassen sich überzeugen
Mit Masken vor dem Mund sitzen Jacques und Nicole auf zwei weißen Plastikstühlen im Impfzentrum von Nancy. Das Ehepaar gehört zu den ersten französischen Senioren, die außerhalb der Altersheime gegen das CoronaVirus geimpft werden. Die dafür nötige Altersgrenze von 75 Jahren haben die beiden schon lange erreicht: Jacques ist 91 und seine Frau 86. „Ich hätte es schon früher gemacht, wenn es möglich gewesen wäre“, sagte Jacques dem Radiosender France Info. Tausend Kandidaten hatten sich allein am Mittwoch in Nancy für den Piks gemeldet. Die ostfranzösische Stadt begann die Impfkampagne ein paar Tage vor dem Rest des Landes, da die Inzidenz dort besonders hoch ist.
Angst vor englischer Variante
Wenn am Montag im restlichen Frankreich die Immunisierung der über 75-Jährigen beginnt, dürften auch anderswo die Impfzentren voll sein. Die Franzosen sind nämlich deutlich impfbereiter als noch vor Weihnachten. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe ergab am Mittwoch, dass die Zahl der Impfwilligen innerhalb einer Woche um neun Prozentpunkte anstieg. 47 Prozent wollen sich nun piksen lassen – gegenüber 38 Prozent in der vergangenen Woche. Das Ifop-Institut verzeichnete gar einen Anstieg auf 51 Prozent nach 41 Prozent Ende November.
Damit sind die Befürworter erstmals in der Mehrheit. Sogar in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen sagen 46 Prozent Ja zur Spritze. Die Jüngeren habe vor allem das Auftreten der englischen Variante vom Impfen überzeugt, sagt die Vize-Präsidentin des Verbands der Allgemeinärzte, Margot Bayart, der Zeitung „Le Parisien“. „Für sie war das Virus eine Sache der Alten.
Doch heute fürchten sie vor der vor allem für Kinder ansteckenderen Variante.“
Außerdem habe die Tatsache, dass Millionen Menschen im Ausland bereits ohne Probleme gegen Covid-19 geimpft wurden, Ängste abgebaut, bemerkt der Soziologe Henri Bergeron. Auch die Werbung prominenter Ärzte für die Impfung habe den Piks „entdramatisiert“. So ließen sich am 6. Januar gleich mehrere bekannte Mediziner impfen. Auch Schauspieler und Sportler wie der Fußball-Nationalspieler Olivier Giroud und Ex-Tennisstar Yannick Noah warben für die Spritze.
Laut einer Ipsos-Umfrage von Ende Dezember ist Frankreich das impfskeptischste von 15 Ländern. Die Rangliste wurde von China mit 80 Prozent Impfwilligen angeführt. Aus Angst vor den Impfgegnern legten die Gesundheitsbehörden ein extrem strenges und bürokratisches Protokoll auf, das jeden Impfkandidaten zu einem Arztgespräch und der Lektüre eines 45-seitigen Dokuments verpflichtete. Ergebnis: Zum Jahresanfang zählte Frankreich lediglich einige hundert Geimpfte, während in Deutschland schon Zehntausende immunisiert waren. Nach massiver Kritik beschleunigte die Regierung in den vergangenen Tagen das Impftempo und richtete im Schnellverfahren Impfzentren ein, so dass am Mittwoch 247 167 Menschen
immunisiert waren. Damit ist Frankreich in Europa zwar noch immer im hinteren Viertel. Doch bis zum Monatsende will die Regierung die Marke von einer Million Impfungen knacken.
Ausgangssperre verschärft
Mit mehr als 69 000 Toten gehört Frankreich zu den am meisten von Covid-19 betroffenen Ländern. Vor allem im Osten des Landes breitet sich das Virus immer weiter aus. Im Departement Meurthe-et-Moselle lag die Zahl der Neuinfektionen bei 268 pro 100 000 Einwohnern. Deshalb zog die Regierung den Beginn der nächtlichen Ausgangssperre von 20 auf 18 Uhr vor. Die Regelung solle ab Samstag für mindestens 15 Tage gelten, kündigte Premierminister Jean Castex gestern Abend auf einer Pressekonferenz an. Auch Geschäfte sollen ab 18 Uhr schließen. Den Menschen ist es während dieser Zeit nicht mehr gestattet, an der frischen Luft spazieren zu gehen, Sport zu machen oder einzukaufen. Sie dürfen aber zum Beispiel weiterhin zur Arbeit fahren oder wegen zwingender familiärer Gründe das Haus verlassen. Wegen der neuen Corona-Virus-Varianten sollen auch die Grenzkontrollen verschärft werden. Bei der Einreise nach Frankreich von Ländern außerhalb der Europäischen Union wird ein negativer CoronaTest fällig.