Vom geopolitischen Regen in die Traufe
Peking verabschiedet Donald Trump mit Hohn – doch die Vorfreude auf Joe Biden ist klein
Der Abschied fällt alles andere als herzlich aus. „Gut, dass wir Sie los sind!“, titelt am Mittwoch Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Gerichtet ist die Schmähbotschaft an „die Trump-Regierung und ihren Wahnsinn“. Und auch Pekings Außenamtssprecherin Hua Chunying hat, in diesem Fall an Außenminister Mike Pompeo, keinerlei Sympathiebekundungen übrig: „Ich möchte wirklich keine weiteren Worte mehr über Pompeo verlieren, seinen Charakter und all die Lügen, die er verbreitet hat“.
Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass Chinas Willkommensgruß an den künftigen Präsidenten im Weißen Haus freundlicher ausfallen wird. Wenn Joe Biden am Mittwochmittag Ortszeit sein Amt antritt, dann wird wohl keine Staatsführung das Geschehen genauer verfolgen als die Kommunistische Partei in Peking. Denn der Konflikt zwischen den zwei führenden Volkswirtschaften ist der bestimmende unserer Zeit. Spätestens unter Barack Obama begann er zu schwelen, unter Trump schließlich ist er ganz offen entfacht und auch unter Biden wird er weiter lodern.
Ein Geschenk für Peking
Zumindest lautet so die einhellige Meinung in den staatlich kontrollierten Medien Chinas. Mit einer Mischung aus Skepsis und gleichzeitiger Zurückhaltung wird dem künftigen US-Präsidenten dort begegnet. Die zwischen den Zeilen liegende Botschaft lautet: Wahrscheinlich wird es mit Joe Biden keineswegs besser, doch für den Fall der Fälle halten wir uns zum Handschlag bereit. Zumindest würde der 78-Jährige einen rationaleren Kurs einschlagen, argumentieren die von der Parteizeitung „Global Times“zitierten Experten: Insbesondere beim Handelsstreit würde Biden im Gegensatz zu Trump bestimmte populistische Entscheidungen wohl nicht mehr treffen – etwa kontraproduktive Strafzölle, die neben der intendierten Wirkung auf China vor allem US-Unternehmen geschadet haben.
Mit dem spöttischen, aber zuweilen auch liebevoll-neckischen Präfix „Jianguo“bezeichnen Chinesen auf den sozialen Medien Trump. Ins Deutsche übersetzt ist der scheidende POTUS also jemand, der „das Land aufbaut“– nur eben nicht sein eigenes. Mit den rhetorischen Seitenhieben à la „China virus“würde er nämlich vor allem den Patriotismus und Zusammenhalt im Reich der Mitte stärken. Insofern war Trump – trotz des verschärften Handelskriegs – durchaus ein Geschenk für die Staatsführung in Peking.
Denn eine solch öffentliche Zurschaustellung der eigenen Doppelmoral kann sie von Biden nicht erwarten. Auch ist sich Parteichef Xi Jinping natürlich darüber bewusst, dass sein neues Gegenüber in Washington bei seiner ChinaPolitik viel stärker den transatlantischen Schulterschluss mit Europa suchen, ja mehr noch einfordern wird.
Dass Peking wirtschaftlich die Gunst der EU verlieren könnte, ist die wohl tiefste Urangst in der Volksrepublik. Doch wie die „Global Times“anmerkt, schaut es derzeit nicht danach aus: „Die Dynamik hat sich unter der Präsidentschaft Trumps gewandelt“. Während der Immobilienmogul nämlich etwa die transpazifische Partnerschaft (TPP) aufgekündigt hat, initiierte Peking ebendort im letzten Jahr das größte Freihandelsabkommen der Welt. Vor allem aber stünde man kurz vor der Unterzeichnung eines Investitionsabkommens mit der Europäischen Union.
Was sich China von Biden schließlich erhofft, hat die Nachrichtenagentur Xinhua ganz explizit zu Papier gebracht: Die neue Regierung im Weißen Haus sollte
Peking nicht mehr als „ideologischen Erzfeind“betrachten, seine Sieger-Verlierer-Mentalität aufgeben und sich zudem nicht mehr in innere Angelegenheiten des jeweils anderen Landes einmischen.
Doch den letzten Punkt hat Biden bereits vor seinem Amtsantritt gebrochen. Denn Antony Blinken, künftiger US-Außenminister, hat höchstpersönlich die zuvor von Mike Pompeo geäußerte Einschätzung geteilt, dass es sich bei der Masseninternierung von Chinas muslimischer Minderheit in Xinjiang um einen „Völkermord“handelt. Auch sonst ist nicht zu erwarten, dass der neue US-Präsident, der bereits am ersten Tag einen Großteil von Trumps Maßnahmen rückgängig machen wird, die politische Strategie seines Vorgängers antasten wird. Wenn es etwa um Pekings Unterdrückung der Freiheiten von Hongkong geht, werden also auch künftig die lautesten Verurteilungen – und vor allem auch Sanktionsmaßnahmen – aus Washington kommen.
Letztlich geht es im Konflikt zwischen Peking und China zwar vor allem um die wirtschaftliche Vormachtstellung, doch gleichzeitig prallen auch zwei Systeme aufeinander: Auf der einen Seite die einst schillernde, doch längst angekratzte Demokratie; auf der anderen Seite eine autoritär geführte, kapitalistische Diktatur, die nicht zuletzt im Zuge der CoronaKrise ihre Effizienz voll ausspielen konnte. Es ist ein Konflikt mit noch offenem Ausgang.
Insbesondere beim Handelsstreit würde Biden im Gegensatz zu Trump bestimmte populistische Entscheidungen wohl nicht mehr treffen.