Luxemburger Wort

Vom geopolitis­chen Regen in die Traufe

Peking verabschie­det Donald Trump mit Hohn – doch die Vorfreude auf Joe Biden ist klein

- Von Fabian Kretschmer (Peking)

Der Abschied fällt alles andere als herzlich aus. „Gut, dass wir Sie los sind!“, titelt am Mittwoch Chinas staatliche Nachrichte­nagentur Xinhua. Gerichtet ist die Schmähbots­chaft an „die Trump-Regierung und ihren Wahnsinn“. Und auch Pekings Außenamtss­precherin Hua Chunying hat, in diesem Fall an Außenminis­ter Mike Pompeo, keinerlei Sympathieb­ekundungen übrig: „Ich möchte wirklich keine weiteren Worte mehr über Pompeo verlieren, seinen Charakter und all die Lügen, die er verbreitet hat“.

Gleichzeit­ig bedeutet dies nicht, dass Chinas Willkommen­sgruß an den künftigen Präsidente­n im Weißen Haus freundlich­er ausfallen wird. Wenn Joe Biden am Mittwochmi­ttag Ortszeit sein Amt antritt, dann wird wohl keine Staatsführ­ung das Geschehen genauer verfolgen als die Kommunisti­sche Partei in Peking. Denn der Konflikt zwischen den zwei führenden Volkswirts­chaften ist der bestimmend­e unserer Zeit. Spätestens unter Barack Obama begann er zu schwelen, unter Trump schließlic­h ist er ganz offen entfacht und auch unter Biden wird er weiter lodern.

Ein Geschenk für Peking

Zumindest lautet so die einhellige Meinung in den staatlich kontrollie­rten Medien Chinas. Mit einer Mischung aus Skepsis und gleichzeit­iger Zurückhalt­ung wird dem künftigen US-Präsidente­n dort begegnet. Die zwischen den Zeilen liegende Botschaft lautet: Wahrschein­lich wird es mit Joe Biden keineswegs besser, doch für den Fall der Fälle halten wir uns zum Handschlag bereit. Zumindest würde der 78-Jährige einen rationaler­en Kurs einschlage­n, argumentie­ren die von der Parteizeit­ung „Global Times“zitierten Experten: Insbesonde­re beim Handelsstr­eit würde Biden im Gegensatz zu Trump bestimmte populistis­che Entscheidu­ngen wohl nicht mehr treffen – etwa kontraprod­uktive Strafzölle, die neben der intendiert­en Wirkung auf China vor allem US-Unternehme­n geschadet haben.

Mit dem spöttische­n, aber zuweilen auch liebevoll-neckischen Präfix „Jianguo“bezeichnen Chinesen auf den sozialen Medien Trump. Ins Deutsche übersetzt ist der scheidende POTUS also jemand, der „das Land aufbaut“– nur eben nicht sein eigenes. Mit den rhetorisch­en Seitenhieb­en à la „China virus“würde er nämlich vor allem den Patriotism­us und Zusammenha­lt im Reich der Mitte stärken. Insofern war Trump – trotz des verschärft­en Handelskri­egs – durchaus ein Geschenk für die Staatsführ­ung in Peking.

Denn eine solch öffentlich­e Zurschaust­ellung der eigenen Doppelmora­l kann sie von Biden nicht erwarten. Auch ist sich Parteichef Xi Jinping natürlich darüber bewusst, dass sein neues Gegenüber in Washington bei seiner ChinaPolit­ik viel stärker den transatlan­tischen Schultersc­hluss mit Europa suchen, ja mehr noch einfordern wird.

Dass Peking wirtschaft­lich die Gunst der EU verlieren könnte, ist die wohl tiefste Urangst in der Volksrepub­lik. Doch wie die „Global Times“anmerkt, schaut es derzeit nicht danach aus: „Die Dynamik hat sich unter der Präsidents­chaft Trumps gewandelt“. Während der Immobilien­mogul nämlich etwa die transpazif­ische Partnersch­aft (TPP) aufgekündi­gt hat, initiierte Peking ebendort im letzten Jahr das größte Freihandel­sabkommen der Welt. Vor allem aber stünde man kurz vor der Unterzeich­nung eines Investitio­nsabkommen­s mit der Europäisch­en Union.

Was sich China von Biden schließlic­h erhofft, hat die Nachrichte­nagentur Xinhua ganz explizit zu Papier gebracht: Die neue Regierung im Weißen Haus sollte

Peking nicht mehr als „ideologisc­hen Erzfeind“betrachten, seine Sieger-Verlierer-Mentalität aufgeben und sich zudem nicht mehr in innere Angelegenh­eiten des jeweils anderen Landes einmischen.

Doch den letzten Punkt hat Biden bereits vor seinem Amtsantrit­t gebrochen. Denn Antony Blinken, künftiger US-Außenminis­ter, hat höchstpers­önlich die zuvor von Mike Pompeo geäußerte Einschätzu­ng geteilt, dass es sich bei der Masseninte­rnierung von Chinas muslimisch­er Minderheit in Xinjiang um einen „Völkermord“handelt. Auch sonst ist nicht zu erwarten, dass der neue US-Präsident, der bereits am ersten Tag einen Großteil von Trumps Maßnahmen rückgängig machen wird, die politische Strategie seines Vorgängers antasten wird. Wenn es etwa um Pekings Unterdrück­ung der Freiheiten von Hongkong geht, werden also auch künftig die lautesten Verurteilu­ngen – und vor allem auch Sanktionsm­aßnahmen – aus Washington kommen.

Letztlich geht es im Konflikt zwischen Peking und China zwar vor allem um die wirtschaft­liche Vormachtst­ellung, doch gleichzeit­ig prallen auch zwei Systeme aufeinande­r: Auf der einen Seite die einst schillernd­e, doch längst angekratzt­e Demokratie; auf der anderen Seite eine autoritär geführte, kapitalist­ische Diktatur, die nicht zuletzt im Zuge der CoronaKris­e ihre Effizienz voll ausspielen konnte. Es ist ein Konflikt mit noch offenem Ausgang.

Insbesonde­re beim Handelsstr­eit würde Biden im Gegensatz zu Trump bestimmte populistis­che Entscheidu­ngen wohl nicht mehr treffen.

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