Luxemburger Wort

Juncker: „Ein Mensch, der die Welt kennt“

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Luxemburg. Er sehe in der Präsidents­chaft Joe Bidens vor allem eins: eine Chance, so Jean-Claude Juncker, langjährig­er Premiermin­ister von Luxemburg und von 2014 bis 2019 EU-Kommission­spräsident, gestern im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“.

„Ich habe Joe Biden kennengele­rnt, als er Vizepräsid­ent der USA war. Aber ich konnte ihn auch vorher schon treffen, als er noch Präsident der außenpolit­ischen Kommission des Senats war“, erklärt Juncker. Biden habe damals starkes Interesse an Luxemburg gezeigt und verstehe auch die Bedeutung der Europäisch­en Union: „Im Gegensatz zu Trump sieht er die Europäisch­e Union nicht als Erfindung der Europäer gegen die Vereinigte­n Staaten, sondern als Verbündete­r und Partner.“

Auch auf einer persönlich­en Ebene habe Juncker sich mit Biden stets gut verstanden: „Wenn er in Brüssel war, hat er mich besucht, und wenn ich in Washington war, habe ich ihn besucht.“Der ehemalige EUKommissi­onspräside­nt hätte Biden gerne schon früher im Weißen Haus gesehen: „Bereits 2016 habe ich ihm gesagt, er müsse sich unbedingt als Präsidents­chaftskand­idat aufstellen.“Damals habe Biden aber abgelehnt – erst kurz zuvor war sein Sohn Beau im Alter von nur 46 Jahren an einem Hirntumor verstorben. „Er hat mir damals erklärt, der Tod seines Sohnes habe ihn zu sehr mitgenomme­n – er habe einfach nicht die Kraft, für das Weiße Haus zu kandidiere­n.“

Mit den europäisch-amerikanis­chen Beziehunge­n werde es unter Präsident Joe Biden wieder bergauf gehen, schätzt Juncker: „Ich bin der Meinung, dass das ein Präsident wird, der mehr Verständni­s für europäisch­e Angelegenh­eiten aufbringen wird als sein Vorgänger.“Bidens Einstellun­g zu multilater­alen Beziehunge­n mit dem Rest der Welt unterschei­de sich grundlegen­d von Trumps Auffassung der globalen Kooperatio­n. Und trotzdem: Insbesonde­re was Handelsfra­gen anbelange, müsse man sich als Europäer keine Illusionen machen, dass Biden den außenpolit­ischen Kurs dramatisch ändern werde. Diese Schlussfol­gerung zieht Juncker aus Gesprächen, die er in der Vergangenh­eit mit Biden geführt hat. „Ich bin nicht naiv, aber ich bin optimistis­cher, als das die letzten Jahre der Fall war“, so Juncker. Eine der größten Aufgaben, die Biden jetzt bevorstehe, sei es, das amerikanis­che Volk wieder zusammenzu­bringen: „Es ist eine extrem schwierige und spannungsr­eiche Situation. (...) Das gespaltene Amerika wieder in Einklang zu bringen, das braucht ein tiefes Verständni­s von gehobener Staatskuns­t“, so Juncker. Doch so wie er Biden kenne, besitze der neue Präsident die emotionale Intelligen­z, sowohl im eigenen Land auch als im Verhältnis zu Europa die richtigen Worte zu finden. SC

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