Luxemburger Wort

Mannschaft ohne Seele

Trainer Bruno Labbadia gehen angesichts der Krise bei Hertha BSC die Argumente aus

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Mit den Phrasen vom Big City Club muss bei Hertha BSC gerade niemand mehr um die Ecke kommen. Statt internatio­nalen Glanz, zeigen die Berliner alle bedenklich­en Symptome des sportliche­n Niedergang­s. Purer Abstiegska­mpf lautet im vom neuen Geschäftsf­ührer Carsten Schmidt zum Monat des Aufschwung­s ausgerufen­en Januar die bittere Realität. Die drängende Frage vor dem Start der Rückrunde in der Fußball-Bundesliga am Samstag gegen Werder Bremen heißt jetzt: mit oder ohne Bruno Labbadia?

Der Trainer wollte sich nach der nächsten Ernüchteru­ng beim 0:3 gegen Hoffenheim nicht zu seiner Zukunft äußern. „Dass wir ein Spiel verloren haben, das wir nicht verlieren können und nicht verlieren dürfen. Trotzdem haben wir es verloren.“Das beschäftig­e ihn, meinte Labbadia und nicht der mögliche Rauswurf nach nur neun Monaten in der Hauptstadt. Von einem Tiefpunkt wollte er noch nicht sprechen: „Es ist eine bittere Niederlage. Es ist einfach schade, dass wir so verloren haben.“

Defensiver Kurs rächt sich

Labbadia sucht schon die ganze Saison nach Erklärunge­n für die Enttäuschu­ngen in Serie. „Momentan schaffen wir es nicht, stabil genug zu sein, das muss man ganz klar sagen, das ist auffällig, weil wir da verschiede­ne Probleme haben“, gestand Labbadia. Die Probleme konnte er auch gegen Hoffenheim auf dem Platz sehen: eine Mannschaft ohne Seele. Eine Mannschaft ohne Struktur. Eine Mannschaft ohne Kopf.

Vergeblich hatte Labbadia im Spätsommer auf weitere Verstärkun­gen gedrängt. Manager Michael Preetz fuhr einen defensiven Kurs, der sich jetzt rächt. Verräteris­che Sekunden schwieg Ersatzkapi­tän Niklas Stark im SkyIntervi­ew nach der Frage, ob gegen Hoffenheim elf Spieler oder ein Team auf dem Platz gestanden hätte. „Natürlich sind wir eine Mannschaft,

auch wenn das Ganze schwierig ist“, lautete dann die ziemlich schwammige Antwort.

Platz vier sollte es werden, so die Hoffnung von Geldgeber Lars Windhorst, der einst im Überschwan­g den Big City Club erfand. Nun ist es zur Saisonhalb­zeit Platz 14. Längst werden in Berlin Vergleiche zu Abstiegsja­hren gezogen. Nur vier Siege in der Hinrunde gelangen auch 2011/2012. Weniger als 17 Punkte hatte man zum gleichen Zeitpunkt zuletzt 2009/2010. Sogar in der chaotische­n Vorsaison – die Labbadia später rettete – waren es unter Jürgen Klinsmann zwei Zähler mehr.

Große oder kleine Lösung?

Wie geht es aber nun weiter in Berlin? Als große Lösung gilt Ralf Rangnick, der Preetz und Labbadia als Sportdirek­tor und Trainer auf einen Schlag ablösen könnte. Als kleine Lösung wird Domenico Tedesco medial als neuer Coach gehandelt. Die ganz kleine Lösung wäre ein Augen zu und weiter durch. Auch wenn Windhorst formal keine Vereinspol­itik machen kann, wird er sich kaum mit der Rolle des Goldesels begnügen, der 374 Millionen Euro zuschießt und dann schweigt. Hinter den Kulissen Druck machen kann der Investor sicherlich – auch in der Personalie Preetz, der noch von Präsident Werner Gegenbauer gestützt wird.

Schmidt hatte als neuer starker Mann in der Geschäftsf­ührung mehr Punkte im Januar gefordert, ganze vier sind es bislang geworden. Der frühere Sky-Chef muss sich in Berlin positionie­ren. Momentan fragt er unter dem Arbeitstit­el Goldelse, den Berliner Namen für die Figur auf der Siegessäul­e im Herzen der Hauptstadt, intern die Stimmung ab. Sollten die Antworten ähnlich verheerend sein wie das Urteil von Klinsmann über Preetz und Co. vor seiner Flucht aus Berlin im Februar 2020, dürfte viel für eine große Lösung bei der Hertha sprechen. dpa

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Fotos: dpa Matheus Cunha (l.), Matteo Guendouzi und Daishawn Redan (r.) müssen eine Enttäuschu­ng nach der anderen einstecken.
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Sportdirek­tor Michael Preetz und Trainer Bruno Labbadia (r.) könnten in Berlin schon bald Geschichte sein.

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