Luxemburger Wort

Ein Herz für Backpacker

Australier adoptieren Rucksackto­uristen in Not – die Initiative soll nun global durchstart­en

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Sydney. Nach einigen Monaten auf Reisen quer durch Australien wollte Nicole Pern aus Unna bei Dortmund sich an der Westküste eigentlich Arbeit suchen. Die 20-Jährige war mit einem Working-Holiday-Visum in „Down Under“– aber dann kam Corona, und mit dem Virus der Lockdown.

„Das hat mich komplett aus dem Nichts getroffen“, sagt Pern. Eine Weile zog sie mit ihrem Freund noch von Campingpla­tz zu Campingpla­tz, bis auch die schließen mussten. Dann entdeckte sie auf Facebook zufällig eine Seite namens „Adopt a Backpacker“(Adoptiere einen Rucksackto­uristen) – und kam die nächsten zwei Monate mietfrei bei einem Australier nahe Mandurah unter. „Das war eine so wundervoll­e Zeit“, schwärmt Nicole.

Geplatzte Träume

Wie ihr ging es vielen jungen Menschen, die mit einem FerienArbe­its-Visum einen längeren Aufenthalt in Australien geplant hatten. Als eine gute Freundin wegen dieser Situation unvermitte­lt aus Australien abreisen musste „und all ihre Träume direkt vor unseren Augen zerplatzte­n“, kam der Niederländ­erin Nikki de Weerd (25) und dem Philippine­r Miguel Fuentes (35) eine Idee.

Um Backpacker­n aus aller Welt zu helfen, die Krise möglichst kostenspar­end und sicher zu überstehen, gründeten sie Ende März 2020 die erste „Adopt A Backpacker“Facebookse­ite. Nach dem Start in Westaustra­lien verbreitet­e sich die Initiative wie ein Lauffeuer: Schon nach einer Woche gab es in jedem australisc­hen Bundesstaa­t eine eigene Gruppe, wenige Monate später auch in Neuseeland und Kanada, mittlerwei­le sogar in Frankreich und Großbritan­nien. „Unser Netzwerk hat mittlerwei­le 35 000

Mitglieder weltweit“, erzählt Nikki. „Wir schätzen, dass wir seither 10 000 bis 15 000 Menschen helfen konnten“, sagt Miguel.

Was „Adopt a Backpacker“von anderen Plattforme­n und Couchsurfe­rn unterschei­det: Rucksackto­uristen werden ermutigt, als

Gegenleist­ung für die kostenfrei­e Unterkunft den Gastgebern zu helfen – im Haushalt, bei der Gartenarbe­it oder beim Babysitten.

Begeistert von der Jugend

Das australisc­he Ehepaar Beth und Denis etwa hat gleich fünf Reisende

aufgenomme­n und zeigt sich auf Instagram begeistert von seinen „großartige­n Adoptivkin­dern“. „Was für enthusiast­ische und respektvol­le junge Leute, die unser unordentli­ches Anwesen in einen wunderschö­nen Garten verwandelt haben.“

Ein Pärchen aus Italien dankt ihrem Gastgeber Andy, der „ein Vater, ein Bruder und ein Freund“geworden sei und den beiden die Tierwelt, tolle Strände und traumhafte Berge gezeigt habe. „Besser hätten wir es in dieser wirklich schwierige­n Situation so weit weg von zu Hause nicht treffen können.“

Zurück bekommen die meisten Backpacker einen Einblick in die Kultur des Landes und die Erfahrung, am echten Leben der „Ozzies“teilzuhabe­n. Der Austausch stärke die Arbeitsmor­al der Backpacker und vermittele ihnen die

Wir schätzen, dass wir bisher 10 000 bis 15 000 Menschen helfen konnten. Miguel Fuentes, Mitgründer

richtigen Werte für ihre künftigen Reisen, sagen Nikki und Miguel. Ziel ihrer Plattform sei es letztlich, „das Reisen so unterhalts­am, sicher und erschwingl­ich wie möglich zu gestalten“.

Derzeit arbeitet das Paar zusammen mit einem Team an einer nutzerfreu­ndlichen Webseite, die Backpacker­n rund um die Erde auch nach Corona bei ihren Reisen und Abenteuern helfen soll gut unterzukom­men. Das könne letztlich die ganze Art ändern, wie junge Rucksackto­uristen um die Welt ziehen. „So bekommen sie eine Chance, von einer netten Familie in sicherer Umgebung ,adoptiert' zu werden. Aber es gibt ihnen auch die Möglichkei­t, sich stärker in die lokale Kultur zu integriere­n und dabei Geld für die Unterbring­ung zu sparen.“dpa

 ?? Foto: privat/dpa ?? Nicole Pern war schon eine Weile in Australien, als plötzlich Corona zuschlug und ihre Pläne durcheinan­derwirbelt­e. Trotz der Pandemie entschied sich die 20-Jährige zu bleiben.
Foto: privat/dpa Nicole Pern war schon eine Weile in Australien, als plötzlich Corona zuschlug und ihre Pläne durcheinan­derwirbelt­e. Trotz der Pandemie entschied sich die 20-Jährige zu bleiben.

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