Unsichtbare Narben
Im Parlament stehen die mentale Gesundheit und der Suizid im Fokus
Auf Anfrage von DP-Fraktionspräsident Gilles Baum debattierten die Abgeordneten gestern im hauptstädtischen Cercle über Suizid und psychische Erkrankungen. Diese Phänomene haben durch die Einschränkungen in der Corona-Krise noch an Brisanz zugenommen. „Alle 40 Sekunden stirbt eine Person, weil sie sich das Leben nimmt“, so Françoise HettoGaasch (CSV) mit Blick auf die weltweite Statistik. Sie unterstrich die Bedeutung der Prävention und bedauerte vor diesem Hintergrund, dass die Resultate des Suizidpräventionsplans für den Zeitraum von 2015 bis 2019 dem Parlament noch nicht vorgestellt wurden. Hetto-Gaasch bemängelte zudem, dass eine zu strenge Auslegung des Datenschutzes oftmals eine effiziente Prävention verhindere. Angesichts des Mangels an Psychiatern, 100 auf 600 000 Einwohner, müsse der Beruf attraktiver gestaltet werden.
„Wenn diese Pandemie zu etwas gut sein soll, dann, dass das Thema Suizid kein Tabu mehr ist“, meinte Francine Closener (LSAP). Vor allem die hohe Zahl von selbstmordgefährdeten Jugendlichen zeige, dass in der Gesellschaft etwas schieflaufe. Hier müsse bereits in der Grundschule und bei der Lehrerausbildung angesetzt werden. Marc Hansen (Déi Gréng) forderte dazu auf, Depressionen und Suizid zu enttabuisieren. Auch müssten die Kosten psychologischer Behandlungen künftig von der Gesundheitskasse rückerstattet werden.
Für Jeff Engelen (ADR) ist es nicht der richtige Ansatz, nur die Zahl der Selbstmorde reduzieren zu wollen, vielmehr müsse man die Gründe für Suizide, beispielsweise Arbeitslosigkeit und Isolation, ausmerzen. Er kritisierte, dass viele ältere Menschen während der Krise weggesperrt worden seien. Marc Baum (Déi Lénk) sieht unter anderem Nachholbedarf bei der Informationsarbeit. Marc Goergen (Piraten) hinterfragte den Erfolgsdruck, der vor allem in den Schulen herrsche. Zudem müsse die Betreuung von Hinterbliebenen verbessert werden.
„Das schlimmste was wir tun können, ist wegschauen“, so Bildungsminister Claude Meisch (DP). Man müsse die Augen für Risikofaktoren wie Alkohol- und Drogenmissbrauch aber auch schulische Überforderung offen halten. Aktuell seien in den Schulen 300 auf psycho-soziale Arbeit spezialisierte Pädagogen, 80 dieser Posten wurden seit 2017 geschaffen. Meisch kündigte zudem an, dass das Wohlbefinden einen Schwerpunkt im diesjährigen Jugendpakt darstellen soll.
Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) unterstrich, dass sich Menschen aus allen sozialen Schichten das Leben nehmen, von kleinen Kindern in Flüchtlingslagern bis hin zu älteren Personen, die an einer schweren Krankheit leiden. Wenn dieser Schritt in manchen Fällen vielleicht nachvollziehbar sei, handele es sich dabei meistens jedoch um einen Akt der Verblendung. Durch den ersten Suizidpräventionsplan sei „der Finger in die Wunde gelegt worden“. Auch wenn die Zahl der Selbstmorde von 85 im Jahr 2014 auf 58 im Jahr 2018 gesunken sei, bleibe noch viel zu tun. Als Schritt in die richtige Richtung nannte Lenert, dass seit Dezember 2020 Téléberatungen
bei Psychologen möglich sind. Im Lauf des Jahres soll auch ein nationaler Gesundheitsplan erstellt werden.
Frage zu virtuellen Währungen
In einer erweiterten Frage wollte Laurent Mosar (CSV) wissen, wie sich die Regierung zu virtuellen Währungen positioniert. Finanzminister Pierre Gramegna (DP) unterstrich, dass man zwischen virtuellen Währungen, die auf traditionellen Zahlungsmitteln basieren, und Kryptowährungen unterscheiden müsse. Luxemburg unterstütze die EU-Initiative, einen rechtlichen Rahmen und in den kommenden fünf Jahren einen digitalen Euro zu schaffen.