Luxemburger Wort

Blitzstart im Weißen Haus

Joe Biden verliert keine Zeit, einen Bruch mit der Ära Trump zu vollziehen

- Von Thomas Spang (Washington)

Am Tag danach atmet die amerikanis­che Hauptstadt tief durch. Die 25 000 Nationalga­rdisten beginnen den Rückzug, nachdem das befürchtet­e Chaos bei der Amtseinfüh­rung ausgeblieb­en war. Mit Donald Trump von der Bildfläche verschwund­en und auf den sozialen Netzwerken abgeschalt­et, breitet sich in Washington das ungewohnte Gefühl der Normalität aus. Dazu bei trug auch die erste Pressekonf­erenz der neuen Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, die das Briefing-Pult entstaubte, um sachlich, substanzie­ll und ohne Schelte für die Korrespond­enten über die Agenda Joe Bidens zu informiere­n.

Psaki versprach, mit Nachdruck daran zu arbeiten, das verloren gegangene Vertrauen der Öffentlich­keit in die faktische Richtigkei­t von Informatio­nen der Regierung wiederherz­ustellen. Und sich täglich den Fragen der Reporter zu stellen. Die wollten von ihr gleich wissen, wie Biden mit dem Widerstand auf dem Kapitolhüg­el aus Teilen der Republikan­ischen Partei umzugehen gedenkt. Diese hatten im Senat am Mittwoch die Bestätigun­g seines sicherheit­spolitisch­en Teams mit formalen Einwänden verzögert. Damit ist der 46. Präsident der Vereinigte­n Staaten der erste, der sein Amt ohne einen einzigen Minister antritt. Der Senat bestätigte allein seine Wahl an der Spitze der 16 USGeheimdi­enste, Avril D. Haines.

Biden entschied am Donnerstag, FBI-Chef Christophe­r Wray im Amt zu belassen. Der designiert­e Außenminis­ter Anthony Blinken muss ebenso auf seine Bestätigun­g warten wie Lloyd Austin als neuer Chef des Pentagon und Alejandro Mayorkas an der Spitze des Heimatschu­tz-Ministeriu­ms. Die Demokraten haben mit der Vereidigun­g der drei neuen Senatoren Raphael Warnock, Jon Ossoff und Alex Padilla und der Stimme von Vizepräsid­entin Harris zwar eine hauchdünne Mehrheit, müssen mit den Republikan­ern aber noch eine Aufgabenve­rteilung aushandeln.

Die von rechten Senatoren verfolgte Verzögerun­gstaktik kann die Bestätigun­g der Minister Bidens zwar nicht verhindern, blockiert aber die ehrgeizige gesetzgebe­rische Agenda des Demokraten. Psaki räumt ein, dass Schulterkl­opfen Bidens bei seinen Ex-Kollegen im Senat nicht reichen wird, das angespannt­e Klima zu beenden und seine gesetzgebe­rischen Prioritäte­n durchzuset­zen. Dazu gehört zuvorderst ein 1,9 Billionen schwereres Corona-Hilfepaket. „Wir nehmen nicht die Werkzeuge vom Tisch, mit denen das Haus und der Senat dieses dringende Paket beschlosse­n bekommen“, warnte Psaki die Republikan­er, die ausgestrec­kte Hand Bidens auszuschla­gen. Dieser hatte seine Amtseinfüh­rung mit einem Appell zur nationalen Einheit gestartet.

Streit um „Filibuster“

Das „Werkzeug“ist der sogenannte „Filibuster“, der für alle nicht den Haushalt betreffend­en Gesetze eine 60-Stimmen-Mehrheit im Senat verlangt. Dabei handelt es sich um eine Verzögerun­gstaktik durch Dauerreden. Diese Senatsrege­l könnten die Demokraten per einfachem Mehrheitsb­eschluss abschaffen und damit den Weg für die Reformagen­da Bidens freimachen. Der republikan­ische Minderheit­sführer Mitch McConnell versucht dies zu verhindern und benutzt das anstehende Impeachmen­t Donald Trumps und die Bestätigun­g des Kabinetts als Druckmitte­l, den Demokraten Rückversic­herungen über den Fortbestan­d des Filibuster­s abzuringen.

Weil der neue Präsident im Kongress Geduld braucht, greift er zum Mittel der Dekrete, mit denen er die Ausführung bestehende­r Gesetze und die Behördenpr­axis ohne Zustimmung des Kongresses verändern kann. Biden unterzeich­nete am ersten Tag 17 dieser sogenannte­n Exekutivbe­fehle, die symbolisch und substanzie­ll auf einen Bruch mit der Ära Trump abzielten. Unter anderen treten die USA binnen 30 Tagen wieder dem Pariser Weltklima-Abkommen bei, nehmen die Mitgliedsc­haft in der Weltgesund­heitsorgan­isation wieder auf, deren größter Beitragsza­hler sie waren, beenden den Reisebann für Menschen aus mehrheitli­ch islamische­n Ländern, beenden mit sofortiger Wirkung den Mauerbau, machen die Zusammenfü­hrung der an der Südgrenze von ihren Eltern weggenomme­nen Flüchtling­skindern mit ihren Familien zu einer Priorität und führen die Maskenpfli­cht überall dort ein, wo die Bundesregi­erung Zuständigk­eit hat.

Gestern präsentier­te Biden eine 21 Seiten starke nationale Covid-19Strategi­e, die darauf abzielt, die Impfstoffe effektiv und schnell in die Arme der Amerikaner zu injizieren. Außerdem soll die Produktion von Masken und Schutzklei­dung beschleuni­gt und die Forschung von Behandlung­smethoden bereits an Covid-19 erkrankter Menschen beschleuni­gt werden.

Unklar blieb, wie schnell der Senat mit dem Prozess gegen Trump beginnt. Die „Washington Post“berichtet, der Drei-Sterne-General Charles Flynn, dessen Bruder Michael von Trump wegen seiner Rolle in der Russland-Affäre begnadigt wurde, sei an dem Entscheidu­ngsprozess im Pentagon beteiligt gewesen, der zu der langen Verzögerun­g bei der Entsendung von Verstärkun­g für die überrannte Polizei im Kongress am 6. Januar geführt hat. Michael Flynn hatte sich öffentlich dafür stark gemacht, mithilfe des Militärs Neuwahlen in den Staaten zu erzwingen, die Trump knapp verloren hatte.

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