Querdenker-Großkundgebung sorgt für Nachwehen
In Österreich stellt man sich die Frage, ob die Regierung noch die Kontrolle über die Exekutive hat
Weniger die erste QuerdenkerGroßkundgebung in Österreich an sich, sondern der Polizeieinsatz rund um den Aufmarsch sorgt für Wirbel. Denn im Raum steht nicht weniger als die Frage: Wurden Vorgaben aus dem Innenministerium bewusst ignoriert?
Die Vorgeschichte: Am vergangenen Samstag marschierten rund 10 000 Querdenker über die Wiener Ringstraße. Verstöße gegen geltende Mindestabstände und die Maskenpflicht wurden praktisch nicht geahndet, dafür wurde eine linke Gegendemonstration von der Polizei eingekesselt. Auch zahlreiche gezielt wirkende physische Angriffe aus der Querdenker-Demonstration heraus auf Medienvertreter wurden zwar unterbunden – allerdings wurden keine Personendaten der Angreifer erfasst.
Unter die Kundgebungsteilnehmer sollen sich laut Augenzeugen zudem Hooligans gemischt haben, die mit Handschellen, KampfHandschuhen und Messern bewaffnet gewesen seien. Und das war vorauszusehen: Bereits vor der Kundgebung war in einschlägigen Internetforen zum Sturz der Regierung, zum Sturm auf das Parlament und zum Tag der Abrechnung gerufen worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hatte schließlich auch festgestellt, dass die Demonstration durch Rechtsextremisten unterwandert werden würde. Das Innenministerium wiederum hatte nach der Erstürmung des Kapitols in Washington schließlich drastisch verschärfte Direktiven an die Exekutive ausgegeben. Demnach sollten vor und während dem Protest vermehrt Verkehrs- und Personenkontrollen unternommen sowie Hygienevorschriften überprüft werden.
Davon umgesetzt wurde praktisch nichts. Innenminister Karl Nehammer
soll entsetzt über den Ablauf des Polizeieinsatzes gewesen sein. Eine Evaluierung ist die Folge. In all dem besteht eine große Unbekannte: Zuletzt hatte es aus den Reihen der Exekutive selbst offene Sympathie mit den Querdenker-Protesten gegeben. Vom Leiter des Einsatzes am Samstag gibt es Bilder, wie er mit einem Organisator der Demonstration jovial plaudert – wobei Letzerer keinen MundNasen-Schutz trägt, wie per Gesetz vorgesehen. Besagter Einsatzleiter war in der Vergangenheit auch immer wieder durch verschwörungstheoretische Aussagen aufgefallen.
Beamte sympathisieren mit Querdenkern
Aber nicht nur er: So ist etwa die FPÖ-Polizeigewerkschaft AUF der Ansicht, dass politische Verantwortungsträger „ein entschlossenes Vorgehen gegen Regierungskritiker sichergestellt wissen“wollten. Die Corona-Demonstranten
bezeichnet die AUF-Gewerkschaft ungeachtet aller Gewaltaufrufe aus der Szene, als „friedliche Demonstranten“.
Die lasche Handhabe der Kundgebung durch die Polizei erscheint dabei vor allem angesichts eines Umstandes in besonderem Licht: Vor der Demonstration hatten Querdenker-Aktivsten Polizei und Armee ausdrücklich dazu aufgerufen, Befehle zu ignorieren. Seitens der Exekutive werden jetzt Fehler vor allem im Vorfeld, also bei den Kontrollen des Zustroms zu der Kundgebung, eingeräumt. Dadurch habe man später nicht mehr eingreifen können – zu viele Menschen, zu dichtes Gedränge, zu viele Familien mit Kindern, zu großes Eskalationspotenzial. Das Innenministerium fordert jetzt einen „Paradigmenwechsel“im Umgang mit derartigen Protesten. Geprüft werden soll aber auch, ob manche Beamte nicht zu sehr mit der Querdenker-Szene sympathisierten.