Schmutzige Energie für Afrika
Die grüne Revolution wird so bald nicht auf dem rasant wachsenden Kontinent stattfinden
Laut UNO haben 789 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom, davon drei Viertel in Afrika. Die gute Nachricht: Im aktuellen Jahrzehnt wird der Kontinent seine Energieproduktion voraussichtlich verdoppeln und dadurch seine Entwicklung ankurbeln. Die schlechte: Der Großteil des Stroms wird weiterhin von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen kommen.
Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Uni Oxford hervor, die fast 2 500 geplante Kraftwerksprojekte untersuchte. Dabei zerstörten die Forscher die Hoffnung vieler Klimaaktivisten. Bisher dachte man, Afrika könnte für seine Industrialisierung fossile Brennstoffe überspringen und seinen Fortschritt durch grüne Energie vorantreiben.
Für Euphorie sorgte etwa die Eröffnung von Afrikas größtem Windpark 2019 in Kenia. Doch nun warnten die Forscher: Afrika sei drauf und dran, seine „Chance auf eine schnelle, kohlenstoffarme Energiewende“zu verspielen. 2030 würden nach derzeitigem
Stand nur neun Prozent von Afrikas Energie aus erneuerbaren Quellen stammen.
Warum das Umweltschützern Sorge bereitet? 2018 war Afrika für nur etwa vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Aber das wird nicht immer so bleiben. Denn Afrikas Bevölkerung wächst rasant und soll sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden verdoppeln. Zwar wird der Energiehunger dann immer noch unter dem heutigen Europas liegen. Für die Emissionen des Kontinents bedeutet das jedoch einen Anstieg, während der Ausstoß im Rest der Welt zurückgeht.
„Eine verpasste Chance“Bisher zeichneten Prognosen ein eher rosiges Bild von Afrikas Energiezukunft. Das liege laut der Oxford-Studie daran, dass bloß die Zahl und Art geplanter Kraftwerke herangezogen wurde. Jetzt berücksichtigten die Forscher erstmals auch Faktoren wie Besitzverhältnis, Finanzierung, die Involvierung einer Entwicklungsbank und die Größe des Projekts. Die Erfolgsaussichten der einzelnen Kraftwerke, die sich daraus ergaben, deuten auf eine weitaus pessimistischere
Afrika setzt bei der Energiegewinnung weiterhin vorrangig auf fossile Brennstoffe. Energiezukunft hin. „Es besteht kein Zweifel, dass die anhaltende Investition in fossile Brennstoffe eine verpasste Chance bedeutet“, sagt Megan EustonBrown, Direktorin der Organisation „Sustainable Energy Africa“in Kapstadt. Ihr zufolge könnte schmutzige Energie gar Afrikas Entwicklung ausbremsen – etwa falls die Klimapolitik dem Welthandel künftig eine KohlenstoffObergrenze vorschreibt. „Dann würde die Energie Afrika teuer zu stehen kommen.“
Auch Nhlanhla Sibisi, Klimaaktivist bei Greenpeace Africa, ist überzeugt: „Extraktion und Ausbeutung der Erde kann nicht der einzige Weg sein, ein Land voranzubringen.“Afrikas Regierungen müssten sich zu einer „gerechten Energiewende“bekennen und diese vorantreiben.
So könnte sogar das Horrorszenario der Oxford-Studie noch „verhindert werden“, ist Sibisi überzeugt. Südafrika gelte dabei als Vorreiter. Der Schwellenstaat, der seinen Aufstieg mithilfe von Kohle anfeuerte, wird seinen Anteil an Solarstrom im nächsten
Jahrzehnt voraussichtlich
Mit mahnenden Worten wandte sich UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu Jahresbeginn an die Welt: Der Bau von weiteren Kohlekraftwerken müsse gestoppt, Förderungen für fossile Energieträger eingestellt werden. Doch das scheint in Entwicklungsländern leichter gesagt als getan: Als Nigeria 2012 seine Ölsubventionen einstellte, kam es zu wochenlangen Massenprotesten im ganzen Land. Mehr als ein Dutzend Demonstranten kam dabei ums Leben.
In Simbabwe hatten Aktivisten zudem alle Mühe, Anwohner gegen ein geplantes Kohlekraftwerk zu mobilisieren: Diese brauchten dringend Strom und äußerten Angst, gar keinen Anschluss zu erhalten, wenn nicht vom neuen qualmenden Kraftwerk. Um auch in Entwicklungsregionen zu funktionieren, sollte grüne Energie Investitionsmöglichkeiten schaffen und schnell günstigen Strom liefern, meint Energieexpertin Euston-Brown: „Jeder Ruf nach einer Wende von fossilen Brennstoffen zu kohlenstoffarmen muss sich auf diese Komplexität einlassen.“ versechsfachen.