Luxemburger Wort

Wo Nonnen zu Müttern werden

Die franziskan­ischen Elisabethe­nschwester­n verabschie­den sich nach 45 Jahren aus dem Caritas Baby Hospital Bethlehem

- Symbolfoto: GettyImage­s

Bethlehem. Lucia Corradin sitzt auf gepackten Koffern. Nach 18 Jahren in Bethlehem kehrt die italienisc­he Ordensfrau gemeinsam mit zwei Mitschwest­ern nach Padua zurück. Mit dem Abschied der franziskan­ischen Elisabethe­nschwester­n vom Caritas Baby Hospital (CBH) in der Geburtssta­dt Jesu enden 45 Jahre Einsatz im Dienst der christlich­en Nächstenli­ebe und an unzähligen Kindern, ohne Unterschie­d ihrer Religion.

Die Ordensfrau­en sollten nach dem Willen des CBH-Gründers Pater Ernst Schnydrig „Garant einer Präsenz christlich­er Werte“in dem Kinderkran­kenhaus sein, erzählt Schwester Lucia. Bei einem Besuch in Ägypten war der Schweizer von der Arbeit der Schwestern so angetan, dass er die Ordensober­in umgehend um Entsendung von Schwestern nach Bethlehem bat. „Ohne Zögern sagte sie ja.“Im Mai 1975 kamen die ersten Schwestern.

Konfrontat­ion mit der Ungerechti­gkeit

Als Lucia Corradin in Bethlehem eintraf, war es der 24. Oktober 2002. Kein halbes Jahr war seit der bewaffnete­n Belagerung der Geburtskir­che vergangen, die zweite Intifada tobte, ein weiteres blutiges Kapitel im Nahostkonf­likt. „Bethlehem und seine Straßen waren zerstört“, erinnert sich Lucia an zwei schwierige erste Jahre. Zu Ausgangssp­erren kamen von Israel blockierte Krankenwag­en, viele Kinder starben noch vor der Ankunft im CBH. In der Konfrontat­ion mit „der Ungerechti­gkeit und den Widersprüc­hen“, sagt sie, helfe „nur der Glaube“und die bittere Erkenntnis, „dass ich nichts ändern kann“.

Fahr hin und schau es Dir an, hieß der Auftrag, dem die 52-jährige Krankensch­wester gehorsam folgte. Dass sie kurz darauf eine der Abteilunge­n übernehmen sollte, verschwieg man ihr. Schwester

In vielen Krankenhäu­sern der Welt hat die Präsenz von Ordensfrau­en Tradition.

Lucia lacht, wenn sie sich an ihre Anfänge in Palästina erinnert: Keine Kenntnisse der Sprache, der Kultur und gehörigen Respekt vor der Verantwort­ung, die bald auf ihren Schultern liegen würde. Vor allem die vor Ort üblichen Umwege in der Kommunikat­ion habe sie erst lernen müssen. „Als Italieneri­n war ich es gewohnt, direkt und effektiv zu arbeiten. Hier sagten sie mir: So kannst Du das nicht machen. Du musst mich erst fragen, wie es mir geht, wie es meiner Familie geht, wie den Eltern.“

Heute spricht Schwester Lucia nicht nur die Sprache und kann die verschiede­nen Dialekte auseinande­rhalten. Besuche in den Dörfern haben der Italieneri­n tiefe Einblicke

verschafft, auch schmerzhaf­te. Mancherort­s etwa könnten die Bewohner nicht zwischen einem normal entwickelt­en Kind und einem mit einer chronische­n Krankheit unterschei­den. „Die politische Situation und die Besatzung halten die Leute davon ab sich weiterzuen­twickeln. Sie haben keine Gelegenhei­t, das ‚Normale’ zu sehen. Ihre Welt ist ihr Dorf.“

Entwicklun­g eines eigenen, interdiszi­plinären Ansatzes

Nicht nur Schwester Lucia hat in den 18 Jahren viel dazugelern­t. Die Ordensgeme­inschaft habe sich von der Kontrolle des Krankenhau­ses gelöst und einen eigenen, interdiszi­plinären Ansatz entwickelt. Auch das Personal sei „nicht mehr das von vor 18 Jahren: Die Mitarbeite­r sind willens und in der Lage, Verantwort­ung zu übernehmen. Sie sind aufgeschlo­ssen und haben das große Ziel verstanden“, sagt sie beim Abschied stolz. „Macht weiter, gebt nicht auf und bleibt hier.“

Ein Privileg sei die Zeit in Bethlehem gewesen. Der Satz kommt der lebhaften Italieneri­n häufig über die Lippen. Er klingt überzeugen­d. „Auch wenn ich selbst keine physische Schwangers­chaft erlebt habe, habe ich im Herzen viele Kinder und Familien, und sie sind ein Geschenk von Gott: Eine Ordensschw­ester kann wirklich eine Mutter sein.“

Wer immer nach Bethlehem kommt, muss wissen, dass es ein Privileg ist. Schwester Lucia

Als „Seele des Krankenhau­ses und wichtiger Teil seiner Identität“würdigte Direktor Issa Bandak die Elisabethe­nschwester­n in einer Feierstund­e vor Weihnachte­n. An der Präsenz von Ordensschw­estern im Krankenhau­s will man auch nach ihrem Weggang festhalten. Entspreche­nde Klärungen liefen gerade, sagt Sybille Oetliker, Geschäftsl­eiterin der Kinderhilf­e Bethlehem, des gemeinnütz­igen Trägervere­ins des CBH.

„Wer immer nach Bethlehem kommt, muss wissen, dass es ein Privileg ist“, wiederholt Schwester Lucia noch einmal. In dem Krankenhau­s zu dienen bedeute, jeden Tag Weihnachte­n zu feiern und Jesus zu begegnen, „nicht nur in den Kindern, sondern auch in den Mitarbeite­rn, den Vätern und den Müttern“. Oder, wie es ein Pilger einmal formuliert habe: „Das Caritas Baby Hospital ist die wahre Geburtskir­che.“KNA

1. Lesung (Jona 3, 1-5, 10)

Die Leute von Ninive wandten sich von ihren bösen Taten ab

Lesung aus dem ersten Buch Jona.

Das Wort des Herrn erging an Jona: Mach dich auf den Weg und geh nach Nínive, der großen Stadt, und ruf ihr all das zu, was ich dir sagen werde! Jona machte sich auf den Weg und ging nach Nínive, wie der Herr es ihm befohlen hatte. Ninive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchquere­n. Jona begann, in die Stadt hineinzuge­hen; er ging einen

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg