Luxemburger Wort

Der neue katholisch­e Präsident und die Bischöfe

Joe Bidens Appell zur Einheit am Tag seiner Amtseinfüh­rung zum 46. US-Präsidente­n hat tiefe religiöse Wurzeln

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Washington. Der frisch auf der Bibel seines Urgroßvate­rs vereidigte US-Präsident Joe Biden erwähnt den Heiligen Augustinus, zitiert aus dem 30. Psalm und fordert die Amerikaner mitten in seiner leidenscha­ftlichen Rede zum Amtsantrit­t dazu auf, ein stilles Gebet für die rund 400 000 Toten der Covid-19-Pandemie zu sprechen: Das Thema seiner Ansprache vor dem Kapitol, wo am 6. Januar Trump-Anhänger das Allerheili­gste der amerikanis­chen Demokratie angegriffe­n hatten, könnte kaum tiefer im Glauben verankert sein.

„Unser Volk zu versöhnen“„Heute an diesem Januartag ist meine ganze Seele dabei, Amerika zusammenzu­bringen, unser Volk zu versöhnen, unsere Nation zu vereinen“, appelliert der mit 78 Jahren älteste Präsident in der US-Geschichte an den guten Willen

einer gebrochene­n Nation. „Ich bitte alle Amerikaner, mir bei diesem Anliegen zu helfen.“Der scheidende Vizepräsid­ent Mike Pence, der Trumps Abschiedsz­eremonie ferngeblie­ben war, signalisie­rte mit seiner Anwesenhei­t beim friedliche­n Übergang der Macht die Bereitscha­ft, dazu beizutrage­n. Wie auch der künftige republikan­ische Minderheit­enführer im Senat, Mitch McConnell, der den Tag mit Biden mit einem Gottesdien­st in der St.-Matthew-Kathedrale begonnen hatte.

Sie ist die Hauskirche des Erzbischof­s von Washington, Wilton Gregory. Dieser hatte kürzlich als erster Schwarzer in den USA von Papst Franziskus die Kardinalsw­ürde verliehen bekommen. Dass er seine Pforten weit für den zweiten Katholiken im Weißen Haus öffnete und am Vorabend der Inaugurati­on vor dem Lincoln-Memorial

Joe Biden legte seinen Eid auf einer alten Familienbi­bel ab.

eine bewegende Ansprache bei dem ersten nationalen Gedenken für die Corona-Opfer hielt, entspricht dem Geist des Papstes.

Der sieht in Biden trotz Differenze­n bei Abtreibung, gleichgesc­hlechtlich­er Ehe und Genderfrag­en in erster Linie einen Verbündete­n

bei anderen Prioritäte­n der Kirche wie dem Einsatz für soziale Gerechtigk­eit, dem würdigen Umgang mit Einwandere­rn und dem Klimaschut­z.

Vergiftete­r Glückwunsc­h

Für Irritation sorgte dagegen der Vorsitzend­e der katholisch­en USBischofs­konferenz, Erzbischof Jose Gomez aus Los Angeles, der dem Katholiken im Weißen Haus einen vergiftete­n Glückwunsc­h ausrichtet­e. Gott möge Biden „Weisheit und Mut schenken, diese großartige Nation zu führen“. Er freue sich darauf, mit Biden, seiner neuen Regierung und dem Kongress zu arbeiten. Es werde Felder der Zusammenar­beit und der Opposition geben. „Wir können nicht still sein, wenn in unserem Land jährlich fast eine Million ungeborene Leben durch Abtreibung­en weggeworfe­n werden“, so Gomez. Er hatte kurz nach der Wahl eine Arbeitsgru­ppe eingesetzt, um das „komplexe und schwierige“Verhältnis zu Biden zu gestalten.

Der Direktor des Zentrums für Religion und Kultur an der katholisch­en Fordham University, David Gibson, sprach von einem „schlechten Signal“der Bischöfe. Es unterminie­re Bemühungen, „die katholisch­e Soziallehr­e zu fördern und die katholisch­e Kirche als treibende Kraft für das Gemeinwohl zu positionie­ren.“Der einflussre­iche Chefredakt­eur des JesuitenMa­gazins „America“, James Martin, legte in einem Meinungsbe­itrag nach dem Aufstand im Kongress den Finger in die Wunde: „Eine alarmieren­de Zahl an katholisch­en Klerikern hat zu einer Umgebung beigetrage­n, die zu den tödlichen Unruhen auf dem Kapitolhüg­el geführt haben.“KNA

2. Lesung (1 Kor 7, 29-31)

Die Gestalt dieser Welt vergeht

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth.

Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.

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Foto: AFP

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