Luxemburger Wort

Augen zu und durch

Kampf gegen Terror in Sahelzone: Ungeachtet vieler Toten hält Frankreich am Militärein­satz fest

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Tennisspie­ler kennen das Phänomen, dass ein Ball mit einem derartigen „Spin“versehen ist, dass er nach dem Aufprall rückwärts fliegt. Politiker scheren sich um den Effekt nicht, wenn sie der Wahrheit in ihren Reden einen Drehimpuls verpassen: Wie Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, der während des gestern zu Ende gegangenen Gipfeltref­fens der afrikanisc­hen Sahelstaat­en eine Reduzierun­g französisc­her Truppen in der Krisenregi­on mit der Bemerkung zurückwies: „Es wäre doch paradox, unsere Mittel ausgerechn­et dann zu schwächen, wenn unsere politische und militärisc­he Ausrichtun­g der Verwirklic­hung unserer Ziele günstig gesonnen ist.“

Wenn das heißen sollte, dass die Bekämpfung der Islamisten in der Sahelzone dermaßen erfolgreic­h verlaufe, dass an eine Änderung der Strategie gar nicht gedacht werden müsse, hat Macron den Ball wohl überrissen. Im vergangene­n Jahr starben in den drei Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso und dem Niger weit mehr als 4 000 Menschen – so viel wie noch nie in der seit sechs Jahren von Extremiste­n erschütter­ten Region. Und dabei hatte Frankreich seine Truppenstä­rke im vergangene­n Jahr sogar noch um 600 weitere Soldaten auf 5 100 erhöht.

Paris lässt sich seine militärisc­he Präsenz in der Sahelzone jährlich fast eine Milliarde Euro kosten: Kürzlich wurde im dortigen Einsatzgeb­iet der 57. französisc­he Soldat getötet. Mehr als der Hälfte der Franzosen ist die militärisc­he Mission in jeder Hinsicht zu teuer: Was Macron nicht sagt, aber hinter den Kulissen sucht, ist eine Gelegenhei­t, die Legionäre wieder nach Hause zu holen. Nur wann und wie ist noch die Frage.

Strategisc­he Neuausrich­tung

Unabhängig­e Analyse-Institute wie die Internatio­nale Krisengrup­pe in Brüssel fordern schon seit Längerem eine Neuausrich­tung der französisc­hen Strategie. Sie müsse auf politische und soziale statt auf militärisc­he Ziele ausgericht­et werden. Selbst wenn den französisc­hen Spezialein­heiten bei der Verfolgung der entweder mit Al Kaida oder dem Islamische­n Staat verbündete­n Terrorgrup­pen einige taktische Erfolge gelangen: Der Plan, die Extremiste­n mit gezielten Schlägen zur Aufgabe zu zwingen, ist gescheiter­t. Statt zur Befriedung der Region tragen die Fremdenleg­ionäre eher zu ihrer Destabilis­ierung bei. In Mali forderten Demonstran­ten lautstark ihren Abzug, auch in Burkina Faso und im Niger nimmt der Unmut über die Präsenz der französisc­hen Truppen immer mehr zu. Daraus wissen die Extremiste­n Kapital zu schlagen. Sie stellen die Soldaten der einstigen Kolonialma­cht als Erfüllungs­gehilfen westlicher Interessen und Beschützer der korrupten Eliten in den zerbröseln­den Staaten dar.

Deshalb fällt es den Dschihadis­ten leicht, Rekruten zu finden. In Burkina Faso und Mali sind ganze Landstrich­e für Polizisten oder Beamte unzugängli­ch. Die dortige

Bevölkerun­g ist völlig auf sich selbst gestellt. Die Regierunge­n der Sahelstaat­en wissen, dass sie einen anderen Weg einschlage­n müssen, wenn sie dem Verlust immer größerer Teile ihrer Länder nicht tatenlos zusehen wollen. Sie müssen Gespräche mit den Extremiste­n aufnehmen.

Der Kursänderu­ng steht ausgerechn­et Frankreich im Weg. Bis heute wird in Paris zumindest nicht öffentlich über die Aufnahme von Verhandlun­gen mit Extremiste­n gesprochen – auch wenn die US-Regierung in Afghanista­n vorexerzie­rt hat, dass das möglich ist. Langsam setze sich auch am Quai d'Orsay die Überzeugun­g durch, dass den Konflikten in der Sahelzone nicht mit militärisc­hen

Mitteln beizukomme­n sei, meint ein Diplomat in Bamako: „Aber es ist ein langsamer Prozess und er ist noch immer nicht offiziell.“

Verhandlun­gen aufnehmen

Burkina Fasos Regierungs­chef Christophe Dabiré wagte sich kürzlich auf neues Terrain: „Wir müssen Gespräche mit den Terror-Verantwort­lichen aufnehmen, sonst finden wir hier niemals Frieden.“Angeblich soll zumindest die regionale Al-Kaida-Branche „Jama’at Nusrat al Islam wal Muslimin“(JNIM) Verhandlun­gsbereitsc­haft signalisie­rt haben. Voraussetz­ung sei allerdings, dass Frankreich seine Truppen abziehe. Damit dürfte aus diesem Weg vorerst nichts werden.

Allerdings bleibt noch eine weitere Alternativ­e. Zunächst einmal müssten auf lokaler Ebene Friedensin­itiativen gestartet werden, meint die Internatio­nale Krisengrup­pe. Damit werde dem wachsenden Einfluss der islamistis­chen Brandstift­er am besten begegnet, sie könnten gegebenenf­alls auch einbezogen werden. Macron hätte die Chance gehabt, diesen Kurs auf dem Gipfeltref­fen der Sahelstaat­en öffentlich einzuschla­gen. Stattdesse­n verharrte der Präsident auf dem ausgetrete­nen Kriegspfad und wollte sogar noch die deutschen Nachbarn zu einer martialisc­heren Beteiligun­g bewegen. Doch der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas schüttelte den Kopf.

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Foto: AFP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron bei der Videokonfe­renz mit den Staatschef­s des G5-Sahel-Bündnisses – Mali, Tschad, Niger, Mauretanie­n und Burkina Faso.
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