Luxemburger Wort

Angriff auf die kommunale Autonomie

Neues Abfallgese­tz: Syvicol fürchtet um die Hoheit der Gemeinden in der Abfallwirt­schaft

- Von Michèle Gantenbein

Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g (Déi Gréng) hat einen Gesetzentw­urf eingebrach­t, mit dem die EU-Abfallrich­tlinie in nationales Recht umgesetzt wird. Das neue Abfallgese­tz betrifft in erster Linie die Gemeinden und Gemeindesy­ndikate, doch sie wurden weder in die Ausarbeitu­ng des Entwurfs eingebunde­n, noch wurden sie um eine Einschätzu­ng zum Gesetzproj­ekt gebeten, wie aus dem Gutachten des Dachverban­ds der Gemeinden (Syvicol) hervorgeht. Das Syvicol hat auf eigene Initiative ein Gutachten erstellt und das fällt recht kritisch aus.

Dem Syvicol ist zunächst wichtig, dass die kommunale Autonomie und das Subsidiari­tätsprinzi­p respektier­t werden, um den Gemeinden die nötige Flexibilit­ät zu geben, die Zielsetzun­gen der Richtlinie umzusetzen. Den Gemeinden wollen, dass sie allein für die Abfallwirt­schaft zuständig sind und im Rahmen ihrer Autonomie entscheide­n können, ob und auf welche privaten Firmen sie bei der Aufgabe zurückgrei­fen möchten. Dies sei wichtig, „um eine koordinier­te und gerechte Bewirtscha­ftung der Abfälle zu gewährleis­ten“.

Nicht mehr exklusiv zuständig

Die exklusive Zuständigk­eit ist im neuen Gesetz infrage gestellt, denn der Gesetzgebe­r unterschei­det zwischen Haushalts- und anderen Abfällen, wobei die exklusive Zuständigk­eit der Gemeinden sich auf die Haushaltsa­bfälle beschränkt. Für die anderen Abfälle können künftig private Firmen als Konkurrent­en auftreten. Damit sind die Gemeinden nicht einverstan­den. Das könnte zu Cherry Picking führen, meint Syvicol-Präsident Emile Eicher. „Wir befürchten, dass Firmen sich rentable Bereiche aussuchen, während die Gemeinden auf den restlichen Abfällen sitzen bleiben, für die dann die Allgemeinh­eit aufkommen muss“, so Eicher auf Nachfrage. Im Übrigen sieht die europäisch­e Direktive die Unterschei­dung zwischen Haushalts- und anderen Abfällen gar nicht vor. Die Regierung geht also über die Vorgaben hinaus und führt eine „künstliche“Trennung ein, die nicht verlangt wird und gegen die sich das Syvicol vehement wehrt.

Problem Mehrfamili­enhäuser

Abfälle von Mehrfamili­enhäusern, die über eigene Sammelstel­len verfügen, was ab vier Wohneinhei­ten obligatori­sch wird, gelten künftig nicht mehr zwangsläuf­ig als Haushaltsa­bfälle. Ein weiteres Novum, das dem Syvicol nicht gefällt. Zum einen, weil unklar sei, inwiefern bestehende Wohnhäuser von ihrer Infrastruk­tur her die gesetzlich­en Anforderun­gen erfüllen, zum anderen weil die Entsorgung nicht mehr zwingend durch die Gemeinden erfolgt. Es erschwere die kommunale Mülleinsam­mlung, wenn ein Teil der Haushalte davon ausgeschlo­ssen ist, gibt das Syvicol zu bedenken. Außerdem stelle sich die Frage, wie kontrollie­rt wird, dass die Entsorgung „selon les règles de l'art“erfolgt. Auch deshalb pocht das Syvicol darauf, die Abfallwirt­schaft exklusiv den Gemeinden zuzuschrei­ben. Bei der Wasserwirt­schaft liege die Hoheit ja auch bei den Gemeinden.

Abfalltour­ismus und Supermärkt­e Die Gemeinden wehren sich auch gegen den freien Zugang zu den Wertstoffh­öfen, unabhängig vom Wohnort. Das sei gut gemeint, führe aber zu Abfalltour­ismus und zu einer Überlastun­g einzelner Höfe je nach geografisc­her Lage und Öffnungsze­iten. Es sei davon auszugehen, dass die Menschen bevorzugt Höfe entlang ihres Heimwegs und in wirtschaft­lichen Ballungsze­ntren aufsuchen. Auch bestehe das Risiko, dass sie Höfe aufsuchen, wo sie ihre Abfälle am günstigste­n loswerden.

Das Gesetz sieht eine schrittwei­se Harmonisie­rung der Recyclingz­entren und deren Dienstleis­tungen vor. Was genau unter Harmonisie­rung zu verstehen ist, soll in einem großherzog­lichen Reglement definiert werden. Das Syvicol will sich dieser Idee nicht gänzlich verschließ­en, besteht aber darauf, in die Ausarbeitu­ng des Reglements eingebunde­n zu werden, zumal eine Harmonisie­rung riskiere, dem Prinzip der kommunalen Autonomie zuwiderzul­aufen.

Als Ergänzung zu den Recyclingz­entren müssen Supermärkt­e mit einer Fläche über 1 500 Quadratmet­er

künftig Rücknahmes­tellen für Verpackung­sabfälle einrichten – nach dem Modell des Drive-in-Recyclingc­enter in Howald. Das Syvicol begrüßt die Idee und den damit verbundene­n zusätzlich­en Komfort für die Bürger, findet das Gesetz aber zu unpräzise. Unklar sei, wer für die Finanzieru­ng und den Betrieb dieser Infrastruk­turen zuständig ist. Der Dachverban­d befürchtet des Weiteren, dass bestimmte Supermärkt­e aufgrund ihrer Größe und geografisc­hen Lage besonders belastet werden. Darunter leiden dann auch die jeweiligen Gemeinden.

Der Gebrauch von Einwegverp­ackungen soll progressiv reduziert werden. Das Syvicol begrüßt die Abfallverm­eidungsstr­ategie, ist aber der Ansicht, dass manche Vorgaben kaum umzusetzen sind. So sollen auf Volksfeste­n, Kavalkaden und sonstigen Veranstalt­ungen ab dem 3. Juli 2024 quasi alle Einwegverp­ackungen – aus Papier, Glas, Plastik, Metall usw. – verboten werden. Das Syvicol kann sich nur schwer vorstellen, wie Großverans­taltungen wie die „Schueberfo­uer“gänzlich ohne Einwegverp­ackungen auskommen sollen.

Wir befürchten, dass Firmen sich rentable Bereiche aussuchen, während die Gemeinden auf den restlichen Abfällen sitzen bleiben. Emile Eicher, Syvicol-Präsident

Aus für festliche Feuerwerke

Auch Konfetti, Luftschlan­gen und anderes Partymater­ial, das Plastik oder Metall enthält, wird verboten. Eine strikte Auslegung des Gesetzes hätte zur Folge, dass kein Feuerwerk mehr stattfinde­n dürfe, inklusive an Nationalfe­iertag, gibt das Syvicol zu bedenken.

Ein weiterer Punkt: Das Syvicol möchte im Comité de pilotage der „SuperDreck­skëscht“(SDK) vertreten sein. Schließlic­h seien die Gemeinden ein wichtiger Partner der SDK.

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Foto: Anouk Antony Viele Details des Abfallgese­tzes sollen in großherzog­lichen Reglements definiert werden. Das Syvicol besteht darauf, eng in deren Ausarbeitu­ng eingebunde­n zu werden.

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