Angriff auf die kommunale Autonomie
Neues Abfallgesetz: Syvicol fürchtet um die Hoheit der Gemeinden in der Abfallwirtschaft
Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) hat einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem die EU-Abfallrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wird. Das neue Abfallgesetz betrifft in erster Linie die Gemeinden und Gemeindesyndikate, doch sie wurden weder in die Ausarbeitung des Entwurfs eingebunden, noch wurden sie um eine Einschätzung zum Gesetzprojekt gebeten, wie aus dem Gutachten des Dachverbands der Gemeinden (Syvicol) hervorgeht. Das Syvicol hat auf eigene Initiative ein Gutachten erstellt und das fällt recht kritisch aus.
Dem Syvicol ist zunächst wichtig, dass die kommunale Autonomie und das Subsidiaritätsprinzip respektiert werden, um den Gemeinden die nötige Flexibilität zu geben, die Zielsetzungen der Richtlinie umzusetzen. Den Gemeinden wollen, dass sie allein für die Abfallwirtschaft zuständig sind und im Rahmen ihrer Autonomie entscheiden können, ob und auf welche privaten Firmen sie bei der Aufgabe zurückgreifen möchten. Dies sei wichtig, „um eine koordinierte und gerechte Bewirtschaftung der Abfälle zu gewährleisten“.
Nicht mehr exklusiv zuständig
Die exklusive Zuständigkeit ist im neuen Gesetz infrage gestellt, denn der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Haushalts- und anderen Abfällen, wobei die exklusive Zuständigkeit der Gemeinden sich auf die Haushaltsabfälle beschränkt. Für die anderen Abfälle können künftig private Firmen als Konkurrenten auftreten. Damit sind die Gemeinden nicht einverstanden. Das könnte zu Cherry Picking führen, meint Syvicol-Präsident Emile Eicher. „Wir befürchten, dass Firmen sich rentable Bereiche aussuchen, während die Gemeinden auf den restlichen Abfällen sitzen bleiben, für die dann die Allgemeinheit aufkommen muss“, so Eicher auf Nachfrage. Im Übrigen sieht die europäische Direktive die Unterscheidung zwischen Haushalts- und anderen Abfällen gar nicht vor. Die Regierung geht also über die Vorgaben hinaus und führt eine „künstliche“Trennung ein, die nicht verlangt wird und gegen die sich das Syvicol vehement wehrt.
Problem Mehrfamilienhäuser
Abfälle von Mehrfamilienhäusern, die über eigene Sammelstellen verfügen, was ab vier Wohneinheiten obligatorisch wird, gelten künftig nicht mehr zwangsläufig als Haushaltsabfälle. Ein weiteres Novum, das dem Syvicol nicht gefällt. Zum einen, weil unklar sei, inwiefern bestehende Wohnhäuser von ihrer Infrastruktur her die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, zum anderen weil die Entsorgung nicht mehr zwingend durch die Gemeinden erfolgt. Es erschwere die kommunale Mülleinsammlung, wenn ein Teil der Haushalte davon ausgeschlossen ist, gibt das Syvicol zu bedenken. Außerdem stelle sich die Frage, wie kontrolliert wird, dass die Entsorgung „selon les règles de l'art“erfolgt. Auch deshalb pocht das Syvicol darauf, die Abfallwirtschaft exklusiv den Gemeinden zuzuschreiben. Bei der Wasserwirtschaft liege die Hoheit ja auch bei den Gemeinden.
Abfalltourismus und Supermärkte Die Gemeinden wehren sich auch gegen den freien Zugang zu den Wertstoffhöfen, unabhängig vom Wohnort. Das sei gut gemeint, führe aber zu Abfalltourismus und zu einer Überlastung einzelner Höfe je nach geografischer Lage und Öffnungszeiten. Es sei davon auszugehen, dass die Menschen bevorzugt Höfe entlang ihres Heimwegs und in wirtschaftlichen Ballungszentren aufsuchen. Auch bestehe das Risiko, dass sie Höfe aufsuchen, wo sie ihre Abfälle am günstigsten loswerden.
Das Gesetz sieht eine schrittweise Harmonisierung der Recyclingzentren und deren Dienstleistungen vor. Was genau unter Harmonisierung zu verstehen ist, soll in einem großherzoglichen Reglement definiert werden. Das Syvicol will sich dieser Idee nicht gänzlich verschließen, besteht aber darauf, in die Ausarbeitung des Reglements eingebunden zu werden, zumal eine Harmonisierung riskiere, dem Prinzip der kommunalen Autonomie zuwiderzulaufen.
Als Ergänzung zu den Recyclingzentren müssen Supermärkte mit einer Fläche über 1 500 Quadratmeter
künftig Rücknahmestellen für Verpackungsabfälle einrichten – nach dem Modell des Drive-in-Recyclingcenter in Howald. Das Syvicol begrüßt die Idee und den damit verbundenen zusätzlichen Komfort für die Bürger, findet das Gesetz aber zu unpräzise. Unklar sei, wer für die Finanzierung und den Betrieb dieser Infrastrukturen zuständig ist. Der Dachverband befürchtet des Weiteren, dass bestimmte Supermärkte aufgrund ihrer Größe und geografischen Lage besonders belastet werden. Darunter leiden dann auch die jeweiligen Gemeinden.
Der Gebrauch von Einwegverpackungen soll progressiv reduziert werden. Das Syvicol begrüßt die Abfallvermeidungsstrategie, ist aber der Ansicht, dass manche Vorgaben kaum umzusetzen sind. So sollen auf Volksfesten, Kavalkaden und sonstigen Veranstaltungen ab dem 3. Juli 2024 quasi alle Einwegverpackungen – aus Papier, Glas, Plastik, Metall usw. – verboten werden. Das Syvicol kann sich nur schwer vorstellen, wie Großveranstaltungen wie die „Schueberfouer“gänzlich ohne Einwegverpackungen auskommen sollen.
Wir befürchten, dass Firmen sich rentable Bereiche aussuchen, während die Gemeinden auf den restlichen Abfällen sitzen bleiben. Emile Eicher, Syvicol-Präsident
Aus für festliche Feuerwerke
Auch Konfetti, Luftschlangen und anderes Partymaterial, das Plastik oder Metall enthält, wird verboten. Eine strikte Auslegung des Gesetzes hätte zur Folge, dass kein Feuerwerk mehr stattfinden dürfe, inklusive an Nationalfeiertag, gibt das Syvicol zu bedenken.
Ein weiterer Punkt: Das Syvicol möchte im Comité de pilotage der „SuperDreckskëscht“(SDK) vertreten sein. Schließlich seien die Gemeinden ein wichtiger Partner der SDK.