Besser als sein Ruf
Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca kämpft mit Imageproblemen
Berlin. Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca: Drei Hersteller haben mit ihren Covid-19-Impfstoffen die hohen Hürden für eine Zulassung in Europa genommen, ihre Mittel werden zudem von der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfohlen. Trotzdem herrscht zunehmend Verunsicherung, ja teils Misstrauen gegenüber dem britischschwedischen Hersteller Astrazeneca. Der Tenor: Es sei ein Impfstoff zweiter Klasse.
Voraus ging eine Debatte um Nebenwirkungen, geplatzte Impftermine und Sorgen um die Wirksamkeit, auch gegen eine Mutante. Weltärztebund-Vorstandschef Frank Ulrich Montgomery hatte sich sogar dagegen ausgesprochen, medizinisches Personal und Pflegekräfte mit dem Astrazeneca-Mittel zu impfen und begründete das mit geringerer Wirksamkeit. Er sprach von einem Imageproblem des Impfstoffs und forderte eine Auswahlmöglichkeit, damit die Impfbereitschaft hoch bleibe. Er zog damit Kritik auf sich, etwa von SPD-Politiker Karl Lauterbach, der ankündigte, sich selbst mit Astrazeneca impfen zu lassen.
Fachleute sind sich einig
Die Frage nach dem am besten für sich selbst geeigneten Impfstoff muss man sich Fachleuten zufolge eigentlich nicht stellen. „Für die Impfentscheidung ist es derzeit nicht relevant, welchen Impfstoff man bekommt“, sagte Stiko-Mitglied Christian Bogdan vom Uniklinikum Erlangen. „Jeder, der ein Impfangebot wahrnimmt, erhält nicht nur einen zugelassenen Impfstoff, sondern auch ein von der Stiko je nach Altersgruppe empfohlenes Präparat.“Alle drei derzeit in Deutschland verfügbaren Impfstoffe erfüllten die Kriterien der Wirksamkeit und Sicherheit.
Über Missverständnisse und Kommunikationsprobleme rund um Astrazeneca sprach auch Christian Drosten von der Berliner Charité. Sein Fazit: Astrazeneca sei besser als sein Ruf. Der Virologe bekräftigte die Bedeutung aller drei Impfstoffe für die Pandemiebekämpfung. „Wir müssen alles dransetzen, jetzt so schnell wie möglich in der Breite zu impfen“, bilanzierte der Corona-Experte. „Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte.“
Das Vektor-basierte Astrazeneca-Mittel ist in der EU ein wichtiger Baustein in der Impfstrategie, da es vergleichsweise günstig ist und weniger hohe Anforderungen an Transport und Lagerung stellt als die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Für den Weg hin zum Impfen in Arztpraxen ist das entscheidend. Es geht um Millionen Dosen, die bald zum Einsatz kommen sollen. Etwa für jüngere Menschen mit relevanter Vorerkrankung und für bestimmte Berufsgruppen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko. Bisher verzeichnet das Robert Koch-Institut mehr als 87 000 Erstimpfungen mit Astrazeneca, bei Moderna sind es über 85 000, bei Biontech/Pfizer 2,8 Millionen.
Hinter dem Impfstoff AZD1222 steht neben dem britisch-schwedischen Konzern auch die renommierte Universität Oxford. Drosten sieht in der „halb-akademischen“Konstellation einen Grund für das teils unglückliche Bild in der Öffentlichkeit. Daten, etwa aus Teilstudien, seien schnell häppchenweise veröffentlicht worden, während große Pharmakonzerne erst am Ende zusammenfassend publizierten. Nach anfangs berichteten niedrigeren Werten seien in der Astrazeneca-Studie inzwischen auch weitere Daten publiziert, die klare Hinweise lieferten, dass die Wirksamkeit der Impfung bei einem Impfabstand von 12 oder mehr Wochen zwischen den beiden Dosen auf mehr als 80 Prozent steige, betonte Stiko-Experte Bogdan. Biontech/Pfizer und Moderna kommen jeweils auf mehr als 90 Prozent.
Nur zweite Wahl?
Diese Werte nebeneinanderzulegen, kann aber trügen: „Die Impfstoffe wurden nicht gegeneinander verglichen“, erklärte Bogdan. „Wir müssen sehen, dass sie in unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Populationen getestet wurden.“Die bisherigen Studien erlaubten demnach keine Aussagen darüber, ob es wirklich relevante klinische Wirksamkeitsunterschiede zwischen den Präparaten gibt.
Ohnehin können Angaben zur Wirksamkeit leicht missverstanden werden. Wenn etwa von 95 Prozent die Rede ist, bedeutet das nicht, dass 95 von 100 Geimpften durch Impfung geschützt sind. Die Zahl bezieht sich schlicht auf etwas anderes. Ein Beispiel, das das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen auf Basis von Studiendaten anführt: Während beim Biontech-Pfizer-Impfstoff fünf von 10 000 Geimpften erkrankten, waren es in der Gruppe, die ein Placebo bekommen hatten, 93 von 10 000. Daraus errechnet sich eine Wirksamkeit von 95 Prozent, denn unter den Geimpften treten 95 Prozent weniger Erkrankungen auf als unter den Ungeimpften. Angenommen wird, dass alle drei Impfstoffe einen Großteil schwerer und potenziell tödlicher Fälle verhindern.
Dann sind da noch die Nebenwirkungen, über die etwa Mitarbeiter von Krankenhäusern mancherorts klagten: Für die Stiftung Patientenschutz sind solche Fälle nicht neu. „Schon im Januar gab es Impfreaktionen auf die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna. Das haben pflegerisch-medizinische Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern berichtet“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Doch diese Stimmen wurden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.“dpa
Für die Impfentscheidung ist es derzeit nicht relevant, welchen Impfstoff man bekommt. Christian Bogdan, Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko)