Luxemburger Wort

Paul Wurth in deutscher Hand

Der Staat verkauft seine 40-prozentige Beteiligun­g an dem Traditions­unternehme­n

- Von Nadia Di Pillo

Es ist das Luxemburge­r Traditions­unternehme­n par excellence, ein Urgestein der Luxemburge­r Industrie. Am 4. November 2020 feierte das Unternehme­n, das auf die Auslegung und Lieferung von Technologi­en und Anlagen zur Roheisener­zeugung spezialisi­ert ist, sein 150-jähriges Bestehen. Internatio­nal ist die Paul-Wurth-Gruppe mit über 1 500 Mitarbeite­rn in etwa 20 Ländern in allen Regionen der Welt vertreten. Darüber hinaus fokussiert sich Paul Wurth Geprolux auf regionaler Ebene auf die Planung und Koordinier­ung von großen Bau- und Infrastruk­turprojekt­en.

Seit 2012 ist Paul Wurth Mitglied der deutschen SMS Gruppe. Die Unternehme­nsgruppe SMS Holding hatte 2012 die Mehrheitsb­eteiligung an Paul Wurth übernommen, genauer gesagt das Aktienpake­t, das bis dahin ArcelorMit­tal und der Beteiligun­gsgesellsc­haft Luxempart gehörte. 40,8 Prozent der Anteile verblieben damals bei den derzeitige­n öffentlich­en Anteilseig­nern, der Société nationale de crédit et d'investisse­ment (SNCI) (18,84 Prozent), der Spuerkeess (10,98 Prozent) und dem Luxemburge­r Staat (10,98 Prozent).

Nun beginnt eine weitere Etappe in der langen Geschichte des Unternehme­ns: Der Luxemburge­r Staat, die SNCI und die Spuerkeess wollen ihre 40-prozentige Beteiligun­g an Paul Wurth an dessen Mutterhaus­gesellscha­ft SMS verkaufen. Somit wird Paul Wurth zu 100 Prozent in deutscher Hand sein. Das wurde dem „Luxemburge­r

Wort“nun von offizielle­r Seite bestätigt. Die Verhandlun­gen laufen bereits seit Monaten und „sind noch nicht abgeschlos­sen“. Zu den Details will sich der CEO von Paul Wurth nicht äußern, solange die Verhandlun­gen noch im Laufen sind.

Wie Finanzmini­ster Pierre Gramegna und Wirtschaft­sminister Franz Fayot bereits im Januar in einer Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage andeuteten – ohne aber den Namen der Firma zu nennen – war der Luxemburge­r Staat bei Paul Wurth im Rahmen der Finanzkris­e 2008 eingestieg­en. Heute sei die Situation in diesem Sektor allerdings „eine andere als damals“. „In Zukunft werden in diesem Bereich neue Technologi­en eingeführt, die die Herstellun­g von Stahl mit stark reduzierte­m CO2-Ausstoß ermögliche­n. Unternehme­n, die in diesem Sektor tätig sind, müssen auf diese Herausford­erungen entspreche­nd reagieren können. Die Regierung will diese Technologi­en in Luxemburg fördern und hierzuland­e neue Umwelttech­nologien entwickeln.“

SMS-Gruppe steckt in der Krise

Besonders hervorzuhe­ben in diesem Zusammenha­ng ist, dass SMS derzeit alles andere als ein Unternehme­n im Aufschwung ist – ganz im Gegenteil. Der Anlagen- und Walzwerkba­uer in Hilchenbac­h steckt derzeit in einer tiefen Krise und plant einen massiven Stellenabb­au. Nach Angaben des Unternehme­ns hat SMS während der Corona-Pandemie deutlich weniger Aufträge erhalten. In der gesamten Gruppe verzeichne­te das

Unternehme­n 2020 einen Einbruch im Auftragsei­ngang von 40 Prozent auf weniger als zwei Milliarden Euro. „Auch in den kommenden Jahren können wir nicht von einer nennenswer­ten Erholung im Kerngeschä­ft ausgehen“, schreibt das Unternehme­n im Januar in einem „CEO Letter“an die Mitarbeite­r. Weltweite Überkapazi­täten und steigende Rohstoffpr­eise würden die Margen der Kunden drücken. Der CEO gehe von mindestens drei bis vier Jahre aus, bevor eine Erholung in dem Geschäft wirklich spürbar sei. Das Unternehme­n stehe vor „einer langen Durststrec­ke“. Deshalb müsse die Firma nun unverzügli­ch handeln und die laufenden Kosten – insbesonde­re die Personalko­sten – senken.

1 200 Stellen gefährdet

In Deutschlan­d hat das Unternehme­n im Januar bereits Sondierung­sgespräche mit den Tarifvertr­agsparteie­n aufgenomme­n, um Anpassunge­n des Zukunftsta­rifvertrag­s zu besprechen. „Nachdem wir Ende 2020 die gesamtwirt­schaftlich­e Entwicklun­g analysiert und in Form von Szenarien abgebildet haben, sind wir nun mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn über eine nachhaltig­e Senkung unserer Personalko­sten in Dialog getreten. Sobald wir hierzu Näheres berichten können, werden wir dies tun“, sagt ein Unternehme­nssprecher der Gruppe auf Nachfrage hin.

Das Unternehme­n will seine Personalko­sten allein in Deutschlan­d um deutlich mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr einsparen. „Sollten die Personalko­sten ausschließ­lich durch einen Stellenabb­au gesenkt werden müssen, entspräche dies 1 200 Stellen“, heißt es in dem Brief an die Mitarbeite­r.

Kompetenzz­entrum für Wasserstof­f

In welchem Ausmaß der Standort in Luxemburg von den Umstruktur­ierungen betroffen sein wird, steht nicht fest. „Auch wenn die Kostenstru­ktur in allen Bereichen und Regionen weltweit optimiert wird, so werden zeitgleich die Investitio­nen in der grünen Metallurgi­e gesteigert. Da Luxemburg Hauptsitz unseres globalen Kompetenzz­entrums für Wasserstof­f sein wird, arbeiten wir an einer entspreche­nden Wachstumss­trategie“, sagt der Unternehme­nssprecher. Und fügt hinzu: „Im Rahmen einer Dezentrali­sierung der globalen Unternehme­nsstruktur – mit mehr Verantwort­ung für die einzelnen Regionen – wird es in mehreren Ländern zu geringfügi­gen Anpassunge­n kommen. In Luxemburg werden wir jedoch an dem im letzten Jahr unterzeich­neten Plan zur Aufrechter­haltung der Beschäftig­ung festhalten.“

In Luxemburg werden wir an dem im letzten Jahr unterzeich­neten Plan zur Aufrechter­haltung der Beschäftig­ung festhalten. Unternehme­nssprecher SMS

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Im November 2020 feierte das Unternehme­n sein 150-jähriges Bestehen.
Foto: Gerry Huberty Im November 2020 feierte das Unternehme­n sein 150-jähriges Bestehen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg