Luxemburger Wort

Eine Sache der Verteidigu­ng

Prozess um tödliche Messerstic­he: Anwalt fordert Freispruch für den Angeklagte­n

- Von Maximilian Richard

Luxemburg. „Das Schlimmste, das ich mir hätte vorstellen können, ist eine Schlägerei, aber kein Angriff mit einem Messer.“Am siebten Verhandlun­gstag schilderte der Angeklagte Schritt für Schritt, wie die Auseinande­rsetzung zwischen ihm und seinem Stiefvater im Dezember 2017 aus seiner Sicht eskalierte und schließlic­h mit dem Tod des Mannes endete.

Seit Anfang Februar muss sich der heute 26-jährige Ernol D. vor Gericht verantwort­en, weil er seinem Stiefvater mit einem Messer tödliche Verletzung­en zugefügt hat. Ein Tatbestand, der nicht vom Beschuldig­ten bestritten wird. Allerdings gibt er an, aus Notwehr gehandelt zu haben. Im Raum steht allerdings der Vorwurf, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Die Verletzung­en, die der Beschuldig­te im Brustberei­ch aufwies, soll er sich selbst nach dem Angriff auf seinen Stiefvater zugefügt haben.

Subjektive­s Empfinden

Nachdem der junge Mann nach einer durchzecht­en Nacht kurz vor Mittag nach Hause gekommen war, entbrannte im Flur ein Streit. Laut dem Angeklagte­n habe sein Stiefvater ihn nach einem Wortwechse­l gestoßen, gegen die Tür gedrückt und gewürgt. Wie die vorsitzend­e Richterin aber mehrmals betonte, seien keine deutlichen Würgemale bei dem Mann festgestel­lt worden.

Der Angeklagte berief sich allerdings auf sein subjektive­s Empfinden. Er habe sehr schlecht Luft bekommen. Der Mann habe dann von ihm abgelassen und zu einem Küchenmess­er gegriffen, das auf einer Kommode gelegen habe. „Ich habe gedacht, es sei ein Bluff“, so der Angeklagte – auch, weil der Klingensch­utz noch auf dem Messer gewesen sei. Das sei aber nicht lange so geblieben. Er habe seinen

Stiefvater beschimpft, dann sei es zum Angriff gekommen, bei dem der Mann ihn mehrmals im Oberkörper­bereich verletzt habe. Er habe um sein Leben gefürchtet.

Wie die vorsitzend­e Richterin betonte, seien diese Verletzung­en aber weder tief noch lebensgefä­hrlich gewesen. Der Angeklagte räumte ein, dass dies objektiv so gewesen sei, er in diesem Moment aber subjektiv von etwas anderem ausgegange­n sei.

Er habe seinem Angreifer dann aber einen Kopfstoß in den Bauch versetzen, ihn entwaffnen und sich das Messer aneignen können. Er habe ihn abwehren wollen und zunächst am Arm verletzt. Daraufhin habe sein Stiefvater versucht, einen Cutter aus einer Hosentasch­e zu ziehen. „Jetzt wirst du bluten“, sollen die Wörter des Opfers gewesen sein. Um sich zu verteidige­n, habe er zugestoche­n und ihn im Brustkorb getroffen. Sein Stiefvater habe sich dann aus der Auseinande­rsetzung zurückgezo­gen.

Aus Angst vor einem erneuten Angriff sei er dem Opfer ins Wohnzimmer gefolgt. Ein Umstand, der die vorsitzend­e Richterin zu eindringli­chen Nachfragen veranlasst­e. Auf die Frage, warum er nicht die Flucht ergriffen hätte, sagte der Angeklagte, er habe befürchtet, dass der Mann ihn erneut angreifen würde. Denn er sei noch „agil und vital“gewesen. Erst als er gesehen habe, dass es dem Opfer nicht mehr so gut ging, sei er in die obere Etage gegangen, um seine Wunden zu versorgen.

Laut dem Strafverte­idiger des Angeklagte­n würde kein Element im Dossier es erlauben, die Schilderun­gen des Mannes zu widerlegen. So ließen zum Beispiel die Gutachten viele Unklarheit­en zum Tatablauf offen. Auch die Zeugenauss­agen könnten diese nicht klären. Das Gericht sei nun seit drei Wochen mit einem Zwischenfa­ll befasst, bei dem Entscheidu­ngen in Millisekun­den getroffen werden mussten. Sein Mandant habe an jenem Tag zurecht um sein Leben gefürchtet und aus reiner Notwehr seinen Stiefvater erstochen. Er sei deshalb freizuspre­chen.

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Foto: Pierre Matgé Der Prozess wird heute mit dem Strafantra­g der Staatsanwa­ltschaft fortgesetz­t.

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