Niederländer ringen um Ausgangssperre
Den Haag. Die niederländische Regierung setzt sich mit aller Macht sowohl im Parlament als auch vor Gericht für die Aufrechterhaltung der abendlichen Ausgangssperre als Maßnahme gegen die CoronaPandemie ein. Vor dem Berufungsgericht forderte der Anwalt des Staates gestern in Den Haag, dass das richterliche Verbot der Maßnahme aufgehoben werde. Die Ausgangssperre sei „dringend notwendig“, um die Verbreitung von Virus-Mutanten einzudämmen. Zugleich war die Erste Kammer des Parlamentes zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen, um über ein neues Notgesetz zu entscheiden. Das Urteil des Gerichts soll am 26. Februar bekannt gegeben werden.
Die Ausgangssperre, die bereits seit Mitte Januar gilt und bis zum 2. März verlängert wurde, war in dieser Woche überraschend zum akuten Problem für die Regierung geworden. Ein Verwaltungsgericht hatte sie für unrechtmäßig erklärt und damit einer Klage der Corona-Protestgruppe „Viruswahrheit“recht gegeben. Die Regierung hatte sich auf ein Gesetz für Notlagen berufen. Doch nach Ansicht des Gerichts gab es keine akute Notlage – wie etwa einen Deichdurchbruch. Die Maßnahme bedeute auch einen schweren Eingriff in das persönliche Leben der Bürger. dpa
2018 votierte unser Parlament das erste Archivgesetz in der Geschichte des Großherzogtums. Mit diesem Text wurde die legale Basis dafür geschaffen, damit der Staat eine seiner zentralen Aufgaben erfüllen kann, nämlich die Bewahrung und Überlieferung unseres schriftlichen Erbes.
Blicken wir auf andere europäische Länder, so stellen wir fest, dass Luxemburg diesbezüglich im Hintertreffen war. In Frankreich gehen die ersten Texte auf die Revolutionszeit zurück. Das Luxemburger Nationalarchiv hingegen war vor 2018 immer vom guten Willen der öffentlichen Institutionen abhängig.
Das ändert sich nun mit dem neuen Gesetz. Es führt eine Verpflichtung ein, die Dokumente, die als „archives publiques“definiert sind und die als historisch wertvoll eingestuft wurden, dem Nationalarchiv zu übergeben, wenn ihr administrativer Nutzen nicht mehr gegeben ist. Die unerlaubte Zerstörung solcher Dokumente wird zudem unter Strafe gestellt.
Kollektives Gedächtnis fördern
Vor etwas mehr als zwei Jahren bekam Luxemburg also endlich einen vollständigen gesetzlichen Rahmen, der zum ersten Mal in der Geschichte des Landes definiert, was genau unter „Archiven“zu verstehen ist, wie lange bestimmte Dokumente unter Verschluss bleiben müssen und wie die ganze Bandbreite der archivarischen Arbeit abgedeckt wird. Sicherlich ist dieser Gesetzestext nicht perfekt. Er wird wohl im Laufe der Zeit noch überarbeitet werden. Dennoch stellt er eine solide, kohärente Basis dar, mit deren Hilfe nun systematischer gearbeitet werden kann.
Auch wird mit dem neuen Gesetz jede öffentliche Verwaltung dazu verpflichtet, relevante Dokumente, gerade auch elektronische, zu archivieren. Dies hat natürlich zur Folge, dass die Quantität an zusätzlichen Dokumenten, die jahraus, jahrein hinsichtlich einer Archivierung anfallen, deutlich ansteigt.
Unser Nationalarchiv ist zweifelsohne der Platz, an dem idealerweise alle historisch relevanten Dokumente gesammelt werden. Sie sind ein Informationsspeicher, eine Art Fenster, das man öffnen kann, um in unsere Vergangenheit zu blicken. Denken wir zum Beispiel an die Notarakten, anhand derer man auf die Suche nach Familienmitgliedern gehen kann, vor allem dann, wenn Akten aus dem Büro des Zivilstands der Gemeinden oder die Pfarrregister nicht mehr weiterhelfen, weil sie durch Krieg oder Feuersbrünste vernichtet wurden.
Ich denke auch an die Feuerstättenverzeichnisse des 17. Jahrhunderts oder an das Kataster von Maria Theresia aus dem Jahre 1766. Eine Vielzahl an unersetzlichen Dokumenten hilft uns, unsere Geschichte aufzuarbeiten und ein präziseres Bild der damaligen
Gesellschaft zu zeichnen. Das gilt natürlich auch für die unzähligen Dokumente aus den Weltkriegen und den Nachkriegsjahren.
Archive sind ein wertvoller Quellenschatz für Studenten, Forscher, Literaten und Historiker. Daher muss der freie und unkomplizierte Zugang zu öffentlichen Archiven in einer demokratischen Gesellschaft gewährleistet sein, auch um die Transparenz der öffentlichen Institutionen zu gewährleisten. Besonders hier können Transparenz und Demokratie nicht getrennt voneinander gedacht werden. Der Souverän ist das Volk und dieses hat ein Anrecht auf Einsicht in diesen Schatz.
Endlich ein neues Gebäude
Archive tragen ferner dazu bei, die öffentliche Debatte mit belastbarem Material zu bereichern und zu beleben. Sie fördern in gewisser Hinsicht die Kontrolle des Staates durch die Zivilgesellschaft. Gerade deshalb dürfen die
Herausforderungen einer zeitgemäßen und fachgerechten Konservierung nicht unterschätzt werden. Die einzelnen Dokumente müssen in einem guten Zustand erhalten und auch für zukünftige Generationen zugänglich bleiben. All dies bedarf einer fachgerechten Archivierung, eines geschulten Personals sowie der nötigen Räumlichkeiten.
Seit Jahren platzt das Nationalarchiv aus allen Nähten. Der erste Entwurf für ein neues Gebäude in Esch-Belval geht auf 2003 zurück. 2015, als das neue Archivgesetz vorgestellt wurde, ging man davon aus, dass das neue Gebäude 2020 fertiggestellt sein könne. Weit gefehlt. Erst 2024 soll nun ein neues Archiv in der Nähe des Uni-Campus und des Instituts für Zeitgeschichte bezugsfähig sein.
Wer einmal im Gebäude des jetzigen Nationalarchivs war, weiß nur zu gut, wie eng und alt die Räumlichkeiten im Kasernengebäude der ehemaligen Festung Luxemburg sind. Zudem ist das Nationalarchiv seit Jahren auf fünf verschiedene Standorte verteilt. Die gesamte Infrastruktur ist komplett veraltet. Sie wird den Ansprüchen des neuen Archivgesetzes keineswegs gerecht, das auch verlangt, dass Archivare zeitgemäß und fachgerecht arbeiten können. Die steigende Zahl an Dokumenten erfordert in der Tat eine moderne Infrastruktur, die eine adäquate Lagerung und professionelle Forschung erlaubt.
Zusätzliches Personal vonnöten
Spricht man von Archivierung, so geht es um mehr als um die bloße Aufbewahrung und Sicherung von Dokumenten. Letztere müssen fachgerecht behandelt werden, also für die Konservierung bestens vorbereitet sein.
Für diese Arbeit sind Fachleute gefragt, die gut ausgebildet sind. Ein beachtlicher Teil der Bestände im Nationalarchiv konnte wegen Personalmangels noch nicht aufgearbeitet werden. Dies behindert die Forschungsarbeit von Historikern, Studenten und anderen Interessierten beträchtlich. Dabei muss man auch in Betracht ziehen, dass die gesetzlichen Sperrfristen voraussetzen, zunächst eine Analyse der Dokumente durchzuführen, bevor diese zu Forschungszwecken freigegeben werden können. Nicht alles, was in Kisten und Aktenordnern aufbewahrt wird, kann sofort freigegeben werden. Deshalb stellt sich die Frage der Rekrutierung von zusätzlichem Personal umso mehr.
Nachdem das Parlament also ein Archivgesetz votiert sowie die notwendigen Summen bezüglich der Errichtung der Gebäude eines neuen Nationalarchivs bewilligt hat, ist es nun an der Zeit, die Problematik der Einstellung von geeignetem Personal anzugehen, insbesondere die Rekrutierung und die Ausbildung von Archivaren. Das erfordert Geld und Zeit, zumal geschulte Archivare und etwaige Hilfskräfte nicht einfach so aus dem Hut gezaubert werden können. Daher lohnt es sich, über neue Ausbildungswege nachzudenken, besonders auch hierzulande: zum Beispiel im Rahmen des nationalen Instituts für öffentliche Verwaltung.
Gemeinden in der Pflicht
Obwohl die Gemeinden nicht dazu verpflichtet sind, die Bestimmungen des neuen Archivgesetzes zu respektieren, können sie, wenn sie möchten, einen Kooperationsvertrag mit dem Staat abschließen. Verweigern sie sich einer Zusammenarbeit, müssen sie in allen Fällen eine Anfrage an das Nationalarchiv richten, wenn sie Dokumente zu zerstören beabsichtigen.
Mittlerweile gehen aber immer mehr Gemeinden mit gutem Beispiel voran und engagieren sich für die fachgerechte Aufbewahrung
relevanter Dokumente, die mit der lokalen und regionalen Geschichte verbunden sind. Das ist äußerst lobenswert. Verschiedene Kommunen haben sogar eine eigene Archivkommission eingesetzt, die sich mit der Aufarbeitung von schriftlichen Dokumenten befasst. Dass man dabei nicht nur auf das Gutdünken und Wohlwollen von Freiwilligen zählen kann, versteht sich von selbst. Um wirksam arbeiten zu können, bedarf es der Hilfe von Spezialisten, Archivaren und Historikern, die sich intensiv mit der Materie befassen. Das Nationalarchiv ist immer bereit, Hilfe zu leisten. So hat die Gemeinde Mertzig kürzlich einen „contrat de dépôt“mit dem Nationalarchiv abgeschlossen.
Verschiedene Kommunen verfügen zudem über hauptamtliche Mitarbeiter, die das lokale Archiv verwalten. Die Stadt Luxemburg ist natürlich einer der achtbaren Wegweiser, da sie seit Jahrzehnten über ein weit gefächertes Archiv verfügt, das hierzulande seinesgleichen sucht.
Wirksamer sensibilisieren
Alles in allem gilt es sowohl die Bevölkerung als auch die Privatwirtschaft, Vereine und andere Organisationen intensiver und gezielter für die Bewahrung unseres schriftlichen Erbes zu sensibilisieren. Auf diese Weise kann für die Geschichtsforschung relevantes Material gesammelt, ausgewertet und aufgearbeitet werden, damit spätere Generationen über ein genaueres, möglichst detailliertes Bild über die Entwicklung unserer Gesellschaft verfügen. Dies ist nicht immer ein leichtes, dafür aber ein umso lohnenswerteres Unterfangen. Denn wer seine Wurzeln nicht kennt, meinte schon Stefan Zweig, kennt keinen Halt.
Wer einmal im Gebäude des jetzigen Nationalarchivs war, weiß nur zu gut, wie eng und alt die Räumlichkeiten im Kasernengebäude der ehemaligen Festung Luxemburg sind.