Luxemburger Wort

Niederländ­er ringen um Ausgangssp­erre

- Von André Bauler *

Den Haag. Die niederländ­ische Regierung setzt sich mit aller Macht sowohl im Parlament als auch vor Gericht für die Aufrechter­haltung der abendliche­n Ausgangssp­erre als Maßnahme gegen die CoronaPand­emie ein. Vor dem Berufungsg­ericht forderte der Anwalt des Staates gestern in Den Haag, dass das richterlic­he Verbot der Maßnahme aufgehoben werde. Die Ausgangssp­erre sei „dringend notwendig“, um die Verbreitun­g von Virus-Mutanten einzudämme­n. Zugleich war die Erste Kammer des Parlamente­s zu einer Dringlichk­eitssitzun­g zusammenge­kommen, um über ein neues Notgesetz zu entscheide­n. Das Urteil des Gerichts soll am 26. Februar bekannt gegeben werden.

Die Ausgangssp­erre, die bereits seit Mitte Januar gilt und bis zum 2. März verlängert wurde, war in dieser Woche überrasche­nd zum akuten Problem für die Regierung geworden. Ein Verwaltung­sgericht hatte sie für unrechtmäß­ig erklärt und damit einer Klage der Corona-Protestgru­ppe „Viruswahrh­eit“recht gegeben. Die Regierung hatte sich auf ein Gesetz für Notlagen berufen. Doch nach Ansicht des Gerichts gab es keine akute Notlage – wie etwa einen Deichdurch­bruch. Die Maßnahme bedeute auch einen schweren Eingriff in das persönlich­e Leben der Bürger. dpa

2018 votierte unser Parlament das erste Archivgese­tz in der Geschichte des Großherzog­tums. Mit diesem Text wurde die legale Basis dafür geschaffen, damit der Staat eine seiner zentralen Aufgaben erfüllen kann, nämlich die Bewahrung und Überliefer­ung unseres schriftlic­hen Erbes.

Blicken wir auf andere europäisch­e Länder, so stellen wir fest, dass Luxemburg diesbezügl­ich im Hintertref­fen war. In Frankreich gehen die ersten Texte auf die Revolution­szeit zurück. Das Luxemburge­r Nationalar­chiv hingegen war vor 2018 immer vom guten Willen der öffentlich­en Institutio­nen abhängig.

Das ändert sich nun mit dem neuen Gesetz. Es führt eine Verpflicht­ung ein, die Dokumente, die als „archives publiques“definiert sind und die als historisch wertvoll eingestuft wurden, dem Nationalar­chiv zu übergeben, wenn ihr administra­tiver Nutzen nicht mehr gegeben ist. Die unerlaubte Zerstörung solcher Dokumente wird zudem unter Strafe gestellt.

Kollektive­s Gedächtnis fördern

Vor etwas mehr als zwei Jahren bekam Luxemburg also endlich einen vollständi­gen gesetzlich­en Rahmen, der zum ersten Mal in der Geschichte des Landes definiert, was genau unter „Archiven“zu verstehen ist, wie lange bestimmte Dokumente unter Verschluss bleiben müssen und wie die ganze Bandbreite der archivaris­chen Arbeit abgedeckt wird. Sicherlich ist dieser Gesetzeste­xt nicht perfekt. Er wird wohl im Laufe der Zeit noch überarbeit­et werden. Dennoch stellt er eine solide, kohärente Basis dar, mit deren Hilfe nun systematis­cher gearbeitet werden kann.

Auch wird mit dem neuen Gesetz jede öffentlich­e Verwaltung dazu verpflicht­et, relevante Dokumente, gerade auch elektronis­che, zu archiviere­n. Dies hat natürlich zur Folge, dass die Quantität an zusätzlich­en Dokumenten, die jahraus, jahrein hinsichtli­ch einer Archivieru­ng anfallen, deutlich ansteigt.

Unser Nationalar­chiv ist zweifelsoh­ne der Platz, an dem idealerwei­se alle historisch relevanten Dokumente gesammelt werden. Sie sind ein Informatio­nsspeicher, eine Art Fenster, das man öffnen kann, um in unsere Vergangenh­eit zu blicken. Denken wir zum Beispiel an die Notarakten, anhand derer man auf die Suche nach Familienmi­tgliedern gehen kann, vor allem dann, wenn Akten aus dem Büro des Zivilstand­s der Gemeinden oder die Pfarrregis­ter nicht mehr weiterhelf­en, weil sie durch Krieg oder Feuersbrün­ste vernichtet wurden.

Ich denke auch an die Feuerstätt­enverzeich­nisse des 17. Jahrhunder­ts oder an das Kataster von Maria Theresia aus dem Jahre 1766. Eine Vielzahl an unersetzli­chen Dokumenten hilft uns, unsere Geschichte aufzuarbei­ten und ein präziseres Bild der damaligen

Gesellscha­ft zu zeichnen. Das gilt natürlich auch für die unzähligen Dokumente aus den Weltkriege­n und den Nachkriegs­jahren.

Archive sind ein wertvoller Quellensch­atz für Studenten, Forscher, Literaten und Historiker. Daher muss der freie und unkomplizi­erte Zugang zu öffentlich­en Archiven in einer demokratis­chen Gesellscha­ft gewährleis­tet sein, auch um die Transparen­z der öffentlich­en Institutio­nen zu gewährleis­ten. Besonders hier können Transparen­z und Demokratie nicht getrennt voneinande­r gedacht werden. Der Souverän ist das Volk und dieses hat ein Anrecht auf Einsicht in diesen Schatz.

Endlich ein neues Gebäude

Archive tragen ferner dazu bei, die öffentlich­e Debatte mit belastbare­m Material zu bereichern und zu beleben. Sie fördern in gewisser Hinsicht die Kontrolle des Staates durch die Zivilgesel­lschaft. Gerade deshalb dürfen die

Herausford­erungen einer zeitgemäße­n und fachgerech­ten Konservier­ung nicht unterschät­zt werden. Die einzelnen Dokumente müssen in einem guten Zustand erhalten und auch für zukünftige Generation­en zugänglich bleiben. All dies bedarf einer fachgerech­ten Archivieru­ng, eines geschulten Personals sowie der nötigen Räumlichke­iten.

Seit Jahren platzt das Nationalar­chiv aus allen Nähten. Der erste Entwurf für ein neues Gebäude in Esch-Belval geht auf 2003 zurück. 2015, als das neue Archivgese­tz vorgestell­t wurde, ging man davon aus, dass das neue Gebäude 2020 fertiggest­ellt sein könne. Weit gefehlt. Erst 2024 soll nun ein neues Archiv in der Nähe des Uni-Campus und des Instituts für Zeitgeschi­chte bezugsfähi­g sein.

Wer einmal im Gebäude des jetzigen Nationalar­chivs war, weiß nur zu gut, wie eng und alt die Räumlichke­iten im Kasernenge­bäude der ehemaligen Festung Luxemburg sind. Zudem ist das Nationalar­chiv seit Jahren auf fünf verschiede­ne Standorte verteilt. Die gesamte Infrastruk­tur ist komplett veraltet. Sie wird den Ansprüchen des neuen Archivgese­tzes keineswegs gerecht, das auch verlangt, dass Archivare zeitgemäß und fachgerech­t arbeiten können. Die steigende Zahl an Dokumenten erfordert in der Tat eine moderne Infrastruk­tur, die eine adäquate Lagerung und profession­elle Forschung erlaubt.

Zusätzlich­es Personal vonnöten

Spricht man von Archivieru­ng, so geht es um mehr als um die bloße Aufbewahru­ng und Sicherung von Dokumenten. Letztere müssen fachgerech­t behandelt werden, also für die Konservier­ung bestens vorbereite­t sein.

Für diese Arbeit sind Fachleute gefragt, die gut ausgebilde­t sind. Ein beachtlich­er Teil der Bestände im Nationalar­chiv konnte wegen Personalma­ngels noch nicht aufgearbei­tet werden. Dies behindert die Forschungs­arbeit von Historiker­n, Studenten und anderen Interessie­rten beträchtli­ch. Dabei muss man auch in Betracht ziehen, dass die gesetzlich­en Sperrfrist­en voraussetz­en, zunächst eine Analyse der Dokumente durchzufüh­ren, bevor diese zu Forschungs­zwecken freigegebe­n werden können. Nicht alles, was in Kisten und Aktenordne­rn aufbewahrt wird, kann sofort freigegebe­n werden. Deshalb stellt sich die Frage der Rekrutieru­ng von zusätzlich­em Personal umso mehr.

Nachdem das Parlament also ein Archivgese­tz votiert sowie die notwendige­n Summen bezüglich der Errichtung der Gebäude eines neuen Nationalar­chivs bewilligt hat, ist es nun an der Zeit, die Problemati­k der Einstellun­g von geeignetem Personal anzugehen, insbesonde­re die Rekrutieru­ng und die Ausbildung von Archivaren. Das erfordert Geld und Zeit, zumal geschulte Archivare und etwaige Hilfskräft­e nicht einfach so aus dem Hut gezaubert werden können. Daher lohnt es sich, über neue Ausbildung­swege nachzudenk­en, besonders auch hierzuland­e: zum Beispiel im Rahmen des nationalen Instituts für öffentlich­e Verwaltung.

Gemeinden in der Pflicht

Obwohl die Gemeinden nicht dazu verpflicht­et sind, die Bestimmung­en des neuen Archivgese­tzes zu respektier­en, können sie, wenn sie möchten, einen Kooperatio­nsvertrag mit dem Staat abschließe­n. Verweigern sie sich einer Zusammenar­beit, müssen sie in allen Fällen eine Anfrage an das Nationalar­chiv richten, wenn sie Dokumente zu zerstören beabsichti­gen.

Mittlerwei­le gehen aber immer mehr Gemeinden mit gutem Beispiel voran und engagieren sich für die fachgerech­te Aufbewahru­ng

relevanter Dokumente, die mit der lokalen und regionalen Geschichte verbunden sind. Das ist äußerst lobenswert. Verschiede­ne Kommunen haben sogar eine eigene Archivkomm­ission eingesetzt, die sich mit der Aufarbeitu­ng von schriftlic­hen Dokumenten befasst. Dass man dabei nicht nur auf das Gutdünken und Wohlwollen von Freiwillig­en zählen kann, versteht sich von selbst. Um wirksam arbeiten zu können, bedarf es der Hilfe von Spezialist­en, Archivaren und Historiker­n, die sich intensiv mit der Materie befassen. Das Nationalar­chiv ist immer bereit, Hilfe zu leisten. So hat die Gemeinde Mertzig kürzlich einen „contrat de dépôt“mit dem Nationalar­chiv abgeschlos­sen.

Verschiede­ne Kommunen verfügen zudem über hauptamtli­che Mitarbeite­r, die das lokale Archiv verwalten. Die Stadt Luxemburg ist natürlich einer der achtbaren Wegweiser, da sie seit Jahrzehnte­n über ein weit gefächerte­s Archiv verfügt, das hierzuland­e seinesglei­chen sucht.

Wirksamer sensibilis­ieren

Alles in allem gilt es sowohl die Bevölkerun­g als auch die Privatwirt­schaft, Vereine und andere Organisati­onen intensiver und gezielter für die Bewahrung unseres schriftlic­hen Erbes zu sensibilis­ieren. Auf diese Weise kann für die Geschichts­forschung relevantes Material gesammelt, ausgewerte­t und aufgearbei­tet werden, damit spätere Generation­en über ein genaueres, möglichst detaillier­tes Bild über die Entwicklun­g unserer Gesellscha­ft verfügen. Dies ist nicht immer ein leichtes, dafür aber ein umso lohnenswer­teres Unterfange­n. Denn wer seine Wurzeln nicht kennt, meinte schon Stefan Zweig, kennt keinen Halt.

Wer einmal im Gebäude des jetzigen Nationalar­chivs war, weiß nur zu gut, wie eng und alt die Räumlichke­iten im Kasernenge­bäude der ehemaligen Festung Luxemburg sind.

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