Wenn ein Suizid kein Suizid ist
Ein gesetzgeberischer Taschenspielertrick um die Euthanasie
Wer hätte je geglaubt, dass es in unserm Ländchen einmal Grund genug gäbe, das Vokabular aus dem Umkreis von Ex-Präsident Trump zu gebrauchen? So geschehen aber anno 2021 in unserer Abgeordnetenkammer am Donnerstag den 11. Februar.
Worum geht es? Wer ab jetzt in Folge einer Euthanasie oder eines assistierten Suizids stirbt, erleidet nicht mehr, wie bisher, einen nicht-natürlichen Tod, sondern einen natürlichen. Wie durch Zauberhand hat sich hier eine Todesart in eine andere ver-wandelt. Anlass dieses Taschenspielertricks: nicht-natürlicher Tod hat die unangenehme Folge, dass Lebensversicherungen normalerweise nicht an die Erben ausbezahlt wurden. Um das zu vermeiden, gingen unsere Volksvertreter nicht daran, die rechtlichen Bestimmungen der Lebensversicherungen anzupassen, sondern sie griffen lieber zu einer metaphysischen Operation und änderten den Tod. Wenn das nicht die Schöpfung eines alternativen Fakts ist!
Was aber versteht man unter einem „natürlichen“Tod? Gemeinhin wird er definiert als ein Tod, der ohne menschliche Einwirkung und ohne Tötungsabsicht geschieht. Was aber ist bei Euthanasie und assistiertem Suizid der Fall, wenn nicht eben just menschliche Einwirkung und Tötungsabsicht? Inwiefern können beide Tötungsarten dann aber plötzlich natürlich sein? Gibt es irgendeinen nennenswerten Unterschied zwischen einer nicht-assistierten Selbsttötung und einer assistierten?
So befinden wir uns nunmehr in der logisch völlig abstrusen Situation, dass wir es in unserm Gesetzeskodex mit zwei Suiziden zu tun haben, die beide absichtliche Selbsttötungen sind, aber in gegensätzlichen, metaphysischen Seinsordnungen angesiedelt sind. Zugleich wird klar, wie gefährlich Sprache sein kann, besonders wenn sie unbedacht zur Sprachregelung missbraucht wird. Man nennt den assistierten Suizidtot „natürlich“, und schon ist er 'natürlich' geworden. Unwillkürlich fragt man sich, welche Umbenennungen ähnlicher Art uns in Zukunft noch blühen.
Leider hat dieser rechtliche Unsinn jetzt schon Gesetzeskraft, sonst hätte ich unsern Abgeordneten eine Lösung vorgeschlagen, die meiner Meinung nach alle diese Absurditäten vermeidet und auch sprachlich in Ordnung ist: Euthanasie und assistierter Suizid sollen zu „legalen Tötungen“erklärt werden, legal, weil und insofern sie mit bestehenden Gesetzen in Einklang stehen. Der nicht-assistierte Suizid würde dann als nicht-legal (allerdings nicht als illegal) eingestuft werden. Beide wären und blieben Suizide, nur mit unterschiedlichen Folgen. Legale Tötung ist eine Begrifflichkeit, welche, zumindest der Sache nach, längst in Gebrauch ist, man denke nur an die Tötung eines Angreifers im Falle von Notwehr, an tödliche Kriegshandlungen von Soldaten, und, last but not least, an Hinrichtungen in Ländern mit gesetzlich zugelassener Todesstrafe. Hubert Hausemer,
Bettemburg