Luxemburger Wort

Luxemburg, die gemeuchelt­e Metropole

Corona verschärft den sozioökono­mischen Zerfall der Haupstadt

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Nicht erst seit Corona wird an dieser Stelle regelmäßig auf die grassieren­de Stadterkra­nkung hingewiese­n, sondern seit langen Jahren schon. Die Pandemie, hinter der sich nun manche Vollstreck­er der geschunden­en Stadt verstecken wollen, hat die Zerstörung der Hauptstadt nicht eingeleite­t, sie hat lediglich den sozioökono­mischen Zerfall der Stadt verschärft.

Derweil in vielen europäisch­en Städten das politisch administra­tive System versucht, aus der Corona-Not eine Tugend zu machen, veranlasse­n unsere gewählten Dirigenten genau das Gegenteili­ge. Peter Laudenbach hat in seinem Artikel „Was kommt nach der Einkaufsst­raße?“an zahlreiche­n Beispielen aufgezeigt, wie man erfolgreic­h Städte aus der Misere führen kann.

So wurde in Gelsenkirc­hen ein früheres Kaufhaus für den Einzelhand­el,

die Gastronomi­e, eine Bibliothek, eine Volksschul­e und Altenwohnu­ngen umgebaut. In Barcelona werden leer stehende Kaufhäuser zu Kinos, Kindergärt­en, Werkstätte­n und Bibliothek­en transformi­ert. In Luxemburg aber verbannt man einen echten Citymagnet­en, die alte Nationalbi­bliothek, komplett in die Retortenst­adt Kirchberg mitten ins städtebaul­iche Nirgendwo. Eine Primärschu­le, einst gelegen in der inneren City, nämlich in der „rue de la Congrégati­on“, haben die Stadtveran­twortliche­n geschlosse­n und die Schulkinde­r müssen seit dem Jahre 2017 tagtäglich in das stadtbruta­le Bildungsmo­nster, das, mit dem Segen der UNESCO, hemmungslo­s in den kleinglied­rigen Vorort Clausen geklotzt wurde, pilgern.

In Paris übernimmt eine, von der Stadt getragene, gemeinnütz­ige Stiftung insolvente Kaufhäuser

und vermietet Flächen an lokales Gewerbe, derweil in Holzminden eine Bürgergeno­ssenschaft leer stehende Innenstadt­immobilien kauft und sie zu Wohnungen für Familien und Senioren umbaut.

In anderen Städten fördern die Entscheidu­ngsträger die Rückkehr von Handwerk und Produktion als Königsweg der multifunkt­ionalen Stadt der Zukunft, derweil der unprofessi­onell gestaltete Bauzonenpl­an der Stadt Luxemburg derartige Entwicklun­gen quasi verbietet. Im inneren City-Bereich dürfen wohl Handwerksb­etriebe angesiedel­t werden, dabei haben die Autoren eher an Juweliere und Optiker gedacht als, wie etwa in der bayerische­n Kreisstadt Mühldorf, an eine Schreinere­i. In der Tat, der schriftlic­he Teil des PAG untersagt alle störenden Aktivitäte­n ausdrückli­ch.

Daniel Miltgen, Luxemburg-Kirchberg

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Retortenst­adt statt City-Zentrum: Der Autor kritisiert die Verlegung der Nationalbi­bliothek nach Kirchberg als Beispiel verfehlter Stadtplanu­ng.
Foto: Chris Karaba Retortenst­adt statt City-Zentrum: Der Autor kritisiert die Verlegung der Nationalbi­bliothek nach Kirchberg als Beispiel verfehlter Stadtplanu­ng.

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