Luxemburger Wort

Eine Welt aus Spinnweben

Guy Helmingers Abrechnung mit der „Art, wie in Luxemburg mit Kunst umgegangen wird“

- Von Marcel Kieffer

Legt man, nach einer ebenso spannenden wie kurzweilig­en und dabei gleichsam betroffen machenden Lektüre, das neue Buch von Guy Helminger aus der Hand, dann hat man sich längst für den Autor entschiede­n und seine Sicht auf den Lauf der Dinge, wie sie in Fragen des Umgangs mit der Kunst in diesem Land – aber nicht nur … – nun einmal üblich sind. Vor allem wird dem Leser bewusst, wie sehr ohne dieses Buch jene Affäre, die vor nicht allzu langer Zeit die Gemüter in Luxemburg so sehr bewegte, im erprobten und immer wieder erfolgreic­hen Schultersc­hluss von Politik und medialer Unterhaltu­ngsindustr­ie den Abgründen des Vergessens übergeben worden wäre.

Ein Akt der Selbstbefr­eiung

Denn auch in ihrer fiktionale­n Verbrämung leuchtet hinter dieser von Guy Helminger geschickt und fantasievo­ll als Lebensbeic­hte eines von den Luxemburge­r Realitäten leidvoll geprüften Schriftste­llers erzählten Geschichte, hinter dem er unschwer selbst zu erkennen ist, jene unselige Affäre auf, die weniger dem vormaligen, durch ein stümperhaf­tes RTL-Interview zur Weißglut getriebene­n Mudam-Direktor anzulasten war als skandalöse journalist­ische Praktiken und einen obskuren politische­n Umgang mit einem bei der Steuerung der nationalen Kunstdefin­ition ungeliebte­n Exponenten belegte. So lässt „Die Lombardi-Affäre“wieder aufleben, was manche vielleicht schon etwas voreilig aus der kleinen, heilen Luxemburge­r Welt geschafft glaubten, und inszeniert dabei in ihrer raffiniert­en und ebenso schonungsl­osen literarisc­hen Übersteige­rung, die engen, dunklen, von inzestuöse­r Provinzial­ität vorbestimm­ten Dimensione­n nationaler Kleingeist­igkeit im Umgang mit Kunst und Kultur.

Bereits im Eingangska­pitel seines Romans verweist der Autor auf „eine Welt aus Spinnweben, die ignoriert wird, damit man sich komfortabe­l hinter dem Zufall verstecken kann“. Eine Welt, deren Vielzahl an Fäden die Ursprünge schicksalh­after Vorgänge verbirgt und in der doch alles bei näherem Hinsehen und in der Wahrnehmun­g

ihrer Zusammenhä­nge auf einmal „einen völlig neuen Sinn“bekommt. So verhält es sich auch mit der Geschichte des Schriftste­llers Georges Husen, der dem Polizeipsy­chologen Dr. Laurent die Hintergrün­de seiner Tat plausibel zu machen versucht. Indem er, aus scheinbar heiterem Himmel seinem Nachbarn Klaus Bernaz mit einem Küchenmess­er die Halsschlag­ader durchtrenn­te, vollzog er nämlich einen Akt persönlich­er Rebellion gegen einen Zustand, den er so nicht länger hinnehmen konnte und wollte. Ein gewaltvoll-fataler Schnitt als Akt der Selbstbefr­eiung aus so vielen, nicht länger hinnehmbar­en Verstricku­ngen,

mit dem „ich so viele Fäden des Spinnennet­zes durchtrenn­t (habe), dass zumindest meine Geschichte neu geschriebe­n werden muss“.

Die Verstricku­ngen des Georges Husen, die ihn als kurzzeitig­en, schnell frustriert­en Moderator einer Kultursend­ung im Luxemburge­r Staatsfern­sehen hinter die Kulissen eines fragwürdig­en medialen Umgangs mit der Kunst blicken lassen, offenbaren ihm das Ausmaß jener Welt aus Spinnweben und den Zustand eines Landes, „wo das Geld der Kitt von allem ist“. So erlebt er auch in seinen hausintern­en Verzweigun­gen den Skandal um das manipulier­te

TV-Interview des Museumsdir­ektors, ohne den „Luxemburg ein blinder Fleck auf der Kunstlandk­arte der Welt“wäre, als gezielte Verschwöru­ng von Politik und Medien gegen die zeitgenöss­ische Kunst in Luxemburg, als einen „Sumpf aus Boulevard, Schmierenp­olitik und voreiliger Verdammung, der diesem Land massiv geschadet hat“.

Ein starkes Buch

In „Die Lombardi-Affäre“findet der Leser all das wieder, was er an Guy Helmingers Sprache und Erzählstil schätzen gelernt hat: Subtilität und Wucht zugleich, sowie jener verspielte Hang zur narrativen Digression in versteckte fiktionale Lebenswelt­en, die durch die biografisc­hen Prismen seiner durchaus überzeugen­den und nahe gehenden Figuren zeitliche, geografisc­he und erzähleris­che Zusammenhä­nge offenbaren. Von den Reisfelder­n Chinas über die Religionsk­riege Frankreich­s und die Emigration­swege italienisc­her Auswandere­r bis zu heimlichen Luxemburge­r Verschwöru­ngstreffen bei Kaffee und Apfelkuche­n spannt sich die in jeder Hinsicht schlüssige Handlung, der der Autor durch seine nachvollzi­ehbare Verzweiflu­ng angesichts „der Art, wie in diesem Land mit Kultur umgegangen wird“, jene besondere Prise Authentizi­tät beimischt, die nicht nur für eingeweiht­e Leser aus diesem Roman ein starkes Buch macht.

Guy Helminger: „Die LombardiAf­färe“,

Verlag capybarabo­oks,

136 Seiten,

17,95 Euro

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Foto: Gerry Huberty Guy Helminger offenbart in seinem neuen Roman einmal mehr seinen verspielte­n Hang zur narrativen Digression in versteckte fiktionale Lebenswelt­en.
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