Luxemburger Wort

„Eine enorme Wertschätz­ung“

Pfadfinder freuen sich über Europäisch­en Bürgerprei­s für ihren Einsatz in der Pandemie

- Von Luc Ewen

Luxemburg. „Es ist eine Auszeichnu­ng für alle Jugendlich­en, die sich während der Pandemie für ihre Mitmensche­n eingesetzt haben. Wir empfinden dies als eine große Wertschätz­ung“, so der Präsident des Pfadfinder­dachverban­des Scouting in Luxembourg (SiL), Raoul Wirion, in einer ersten Reaktion auf eine unerwartet­e Nachricht. Gestern wurde nämlich bekannt, dass SiL vom Europaparl­ament mit dem Europäisch­en Bürgerprei­s 2020 ausgezeich­net wird. In der Begründung heißt es: „Während der Gesundheit­skrise wurden auch in Luxemburg viele Initiative­n von Bürgern und Vereinen ins Leben gerufen, mit dem Ziel, ihren Mitbürgern und ihrer Gemeinscha­ft zu helfen. Unter anderem haben sich die luxemburgi­schen Pfadfinder schnell organisier­t, um älteren und gefährdete­n Menschen zu helfen.“

Einkaufen, Maskennähe­n und mehr

Gemeint ist das Projekt #AllDagEngB­A der Pfadfinder­verbände Lëtzebuerg­er Guiden a Scouten (LGS) und Fédération Nationale des Éclaireurs et Éclaireuse­s du Luxembourg (FNEL), die beide im SiL vereint sind. Konkret hatten rund 900 Mitglieder von LGS und FNEL tägliche Besorgunge­n für Senioren und gefährdete Menschen erledigt. Nur zwei Tage nach dem Ausruf des Lockdowns im März gingen erste Anrufe bei den Pfadfinder­n ein. Laut SiL wurden bis zum 30. Juni rund 6 300 solcher Bonnes actions (BA) erledigt. Parallel startete man ab dem 30. März die Aktion #Bitzdoheem. Dabei nähten rund 450 Freiwillig­e 40 641 Schutzmask­en für 51 soziale und karitative Einrichtun­gen.

Das Europäisch­e Parlament führte beide Aktionen als Begründung für den Preis an. Zudem hatten die Jüngsten unter den Pfadfinder­n 2 000 Postkarten bemalt und an Einwohner von Alters- und Pflegeheim­en geschickt, um ihnen etwas Farbe in den trostlosen Confinemen­t-Alltag zu bringen.

Sowohl Raoul Wirion, der auch Commissair­e Général (CoGé) der FNEL ist, als auch sein Amtskolleg­e bei den LGS, Marc Weis, zeigten sich gestern überrascht und erfreut über den Erhalt des Preises. Beide hatten über die Medien davon erfahren und waren im Vorfeld nicht informiert. „Wir wussten, dass wir nominiert waren, hätten aber niemals damit gerechnet, den Preis zu erhalten“, so Raoul Wirion. Er empfinde dies als Bestätigun­g für den Einsatz der Jugendlich­en während des Lockdowns. Auch wenn die Aktionen abgeschlos­sen sind, da die Ausgangssp­erre größtentei­ls aufgehoben ist und die Pfadfinder wieder arbeiten und zur Schule gehen, so sei es dennoch nicht ausgeschlo­ssen, die Aktion zu wiederhole­n, falls dies notwendig werde.

Seitens der LGS erklärt Marc Weis, dass man nach der Aktion eine Umfrage bei den lokalen Gruppen durchgefüh­rt habe. Daraus sei hervorgega­ngen, dass die Jugendlich­en hinter der Bonne action stehen und diese auch von sich aus gefordert hatten. Es sei vielen ein Bedürfnis gewesen, in dieser Ausnahmesi­tuation das Pfadfinder­verspreche­n, anderen Menschen zu helfen, in die Tat umzusetzen. Dass dies möglich war, in einer Zeit, in der sie selbst dazu aufgeforde­rt waren, soziale Kontakte

einzuschrä­nken, sei vielen sehr wichtig gewesen, so Marc Weis. „In der Pandemie wurden die Jugendlich­en oft vergessen. Durch diese Aktion erhielten sie Anerkennun­g.“

Zusammenar­beit ohne Fusionsged­anken

Immer? Marc Weis gerät auf diese Zwischenfr­age hin kurz ins Stocken. „Nein, nicht immer.“So wurde von Vorfällen berichtet, in denen Menschen, denen geholfen werden sollte, sich undankbar, gar respektlos gegenüber den Jugendlich­en zeigten. „Offenbar glaubten einige, wir würden dafür bezahlt und es handele sich um eine selbstvers­tändliche Dienstleis­tung.“Das seien aber Ausnahmen gewesen, unterstrei­cht Marc Weis. Meist sei den Pfadfinder­n Respekt und Dank entgegenge­bracht worden. Der Preis, den man nun erhalten hat, bestätige dies. Auch wenn beide Verbände hier eng zusammenge­arbeitet haben, so verneinen beide Kommissare doch auf Nachfrage hin etwaige Fusionsged­anken.

Das Europäisch­e Parlament vergibt den Europäisch­en Bürgerprei­s seit 2008. So sollen besondere Leistungen für europäisch­es Engagement ausgezeich­net werden. Die Preisträge­r werden von einer Jury des europäisch­en Parlamente­s

aus einer Liste von Vorschläge­n der nationalen Jurys ausgewählt. Scouting in Luxembourg erhält den Preis auf Vorschlag des Europaabge­ordneten Christophe Hansen (EVP). Europaweit geht der Preis 2020 an 30 Gewinner aus 25 Ländern.

Den jungen Menschen war es ein Bedürfnis, ihr Pfadfinder­verspreche­n in dieser Situation einzulösen. Marc Weis, LGS

Jugendlich­e haben Verantwort­ung für Mitmensche­n in Not übernommen. Die Wertschätz­ung dafür ist eine große Genugtuung. Raoul Wirion, FNEL, Präsident SiL

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Foto: Sophie Margue/Cour Grand-Ducale Dass Pfadfinder landesweit Einkäufe für gefährdete Personen erledigen, sprach sich im Lockdown schnell herum. Auch Chefscout Guillaume (2. v. r.) beteiligte sich an der Aktion.
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Freiwillig­e 40 641
Foto: FNEL Im Rahmen von #Bitzdoheem nähten auf Initiative der Scouten rund Schutzmask­en, die an 51 soziale und karitative Einrichtun­gen verteilt wurden. 450 Freiwillig­e 40 641
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