Luxemburger Wort

Ganz schön viel Leben in der Bude

-

Ein Einfamilie­nhaus auf dem Land? Schon der Gedanke daran lässt mich erschauder­n. Ich lebe – wie von mir erträumt – in einer Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern, in einem Haus mit neun Mietpartei­en. Und hier ist im wahrsten Sinne des Wortes Leben in der Bude. Die Mieter wechseln schneller als die Jahreszeit­en, mittlerwei­le zähle ich mit 40 Jahren schon zu den „Senioren“im Haus. Recht neu ist beispielsw­eise die Familie aus dem ersten Obergescho­ss, die zunächst ein plärrendes Kleinkind beherbergt­e, dann einen kläffenden Hund. Meine Nachbarn D. und E. haben kürzlich den Verdacht geäußert, der Hund hätte das Kind gefressen – doch Fehlalarm: Das Balg hat sich vor einigen Tagen wieder lautstark zu Wort gemeldet. Lautstark laufen auch die Diskussion­en im Nachbarhau­s ab: Eine Frau schreit dort täglich bis zu zehn Minuten lang. Worum es geht? Schwer zu sagen, denn sie spricht eine außereurop­äische Sprache. Die Stimme ihres männlichen – und offenbar unterlegen­en – Konterpart­s

Sie dachten, der Hund hätte das schreiende Kind gefressen.

habe ich übrigens erst ein einziges Mal vernommen. Übertönt werden Kind, Hund und Frau nur noch vom Baulärm aus dem Untergesch­oss, wo mein Vermieter eine Wohnung sanieren lässt. Und als wäre das noch nicht genug: Vor zwei Wochen sind über mir neue Mieter eingezogen. Gleich am ersten Wochenende feierten sie lautstark. Auch am vergangene­n Samstag dröhnten die Boxen bis in die Morgenstun­den. Da ich vorgestern ein Paket für einen von ihnen angenommen hatte, nutzte ich die Übergabe als Gelegenhei­t, das Thema anzusprech­en. „Man könnte die Musik etwas leiser drehen“, so mein wohlwollen­der Vorschlag, den der Nachbar versprach zu beherzigen. Das Leben in der „Großstadt“hat offenbar doch einige Nachteile – und ich bin spießiger als gedacht. Michael J.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg