Luxemburger Wort

Wieder beste Freunde

Bei virtuellem Treffen reparieren Joe Biden und Justin Trudeau die amerikanis­ch-kanadische­n Beziehunge­n

- Von Gerd Braune (Ottawa)

Zwischen den Hauptstädt­en Washington und Ottawa herrscht ein neuer Stil. Nach den vergangene­n vier turbulente­n Jahren der Regierungs­zeit von Donald Trump mit einem oftmals ruppigen Ton wollen US-Präsident Joe Biden und Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau die bilaterale­n Beziehunge­n auf ein verlässlic­hes Fundament stellen. Sie präsentier­ten nach ihrem ersten – allerdings virtuellen – Treffen einen „Fahrplan für eine erneuerte Partnersch­aft“.

„Die Vereinigte­n Staaten haben keinen engeren und wichtigere­n Freund als Kanada“, sagte der USPräsiden­t nach dem mehr als zweistündi­gen Austausch, an dem unter anderem Vizepräsid­entin Kamala Harris und Vizepremie­rministeri­n Chrystia Freeland teilnahmen.

Längste gemeinsame Grenze

Schon die vergangene­n Wochen hatten gezeigt, dass der 78-jährige Biden und der fast 30 Jahre jüngere Trudeau gut miteinande­r können. Biden hatte zum Ende seiner Amtszeit als Vizepräsid­ent unter Barack Obama im Dezember 2016 Ottawa besucht und war mit einem Staatsbank­ett geehrt worden. Trudeau wiederum gehörte zu den ersten, die Biden zum Wahlsieg gratuliert­en, als einige Tage nach dem Wahltag im November sein Sieg gesichert war. Trudeau war dann der erste ausländisc­he Regierungs­chef, den Biden nach seiner Inaugurati­on anrief, und nun war das Treffen mit Trudeau Bidens erste bilaterale Begegnung mit einem ausländisc­hen Regierungs­chef – unter den von Covid-19 gesetzten Bedingunge­n.

Die USA und Kanada teilen die weltweit längste gemeinsame Grenze, täglich fließen über sie Waren im Wert von vielen Millionen Dollar und Hunderttau­sende haben ihre Arbeitsplä­tze auf der jeweils anderen Seite. Im Zuge der

Covid-Schutzmaßn­ahmen wurde die Grenze für den „nicht-essenziell­en Verkehr“geschlosse­n. Die Lieferkett­en für die eng miteinande­r verwobenen Volkswirts­chaften mussten bestehen bleiben. Aber das weitgehend­e Verbot von Besuchen im anderen Land ist für viele belastend. Dass unter Donald Trump nicht entschiede­n gegen Covid-19 vorgegange­n wurde, erschwerte die Lage für Kanada. Trudeau hielt gegen den Druck aus Washington an der Grenzschli­eßung fest.

Nun sind die beiden Länder Partner im Kampf gegen die Pandemie. Der von ihnen vorgelegte achtseitig­e „Fahrplan für eine erneute Partnersch­aft der USA und Kanada“führt an erster Stelle den Kampf gegen Covid-19 an. Dazu gehört die Unterstütz­ung der Weltgesund­heitsorgan­isation und die Reaktion auf neue Virusmutat­ionen. Beide verständig­ten sich darauf, dass über Erleichter­ung an der Grenze nur auf der Grundlage von wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen und Kriterien der öffentlich­en Gesundheit entschiede­n werden soll. Kanada, das nicht selbst Impfstoffe gegen Covid-19 herstellt, ist durch die Verzögerun­g bei der Lieferung von Pfizer/Biontech- und Moderna-Impfstoffe­n mit seinem Impfprogra­mm im Rückstand.

Klimaneutr­alität bis 2050

Kanada und die USA strebten eine „robuste Erholung der Wirtschaft an, die allen zu Gute kommt, nicht nur denen an der Spitze“, sagte Biden. Der US-Präsident verwies darauf, dass Frauen, Schwarze, Latino und Angehörige der indigenen Völker besonders von den wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie und Arbeitspla­tzverlust betroffen seien.

Der Kampf gegen den Klimawande­l nahm ebenfalls breiten Raum ein. Kanada hat, anders als in den vier Trump-Jahren, nun einen Partner in Washington. Biden hat die USA in das Pariser Klimaabkom­men zurückgefü­hrt. „Wir beabsichti­gen unsere Führungsro­lle zu zeigen, um andere Ländern anzusporne­n, ihre eigenen Ambitionen zu verstärken“, sagte Biden. Beide Länder wollen ihre Klimaschut­zziele aufeinande­r abstimmen und bis zum Jahr 2050 das Ziel „Netto-Null-Emissionen“, also Klimaneutr­alität erreichen.

Dass der Gleichschr­itt nicht völlige Übereinsti­mmung in den Politiken bedeutet, musste Kanada am ersten Arbeitstag von Joe Biden erfahren, als dieser, wie versproche­n, die Genehmigun­g für den Bau der Keystone-XL-Pipeline widerrief, die Öl aus den Ölsandfeld­ern Albertas in Raffinerie­n in den USA bringen sollte. Diese Pipeline wurde von Trump, aber auch von Trudeau unterstütz­t. In dem gemeinsame­n „Fahrplan“tauchte Keystone XL nicht auf. In Ottawa wird davon ausgegange­n, dass die Trudeau-Regierung diese Entscheidu­ng Bidens mehr oder weniger hingenomme­n hat und sich auf andere Themen konzentrie­rt.

Hoffnung auf Ausnahmen

Dazu gehört auch die „Buy American“-Politik Bidens, die US-amerikanis­che Unternehme­n bei der Auftragsve­rgabe in den USA bevorzugen würde. Dies könnte kanadische Firmen treffen, gehen doch rund drei Viertel der kanadische­n Produkte in die USA. Ottawa setzt darauf, dass es Ausnahmere­gelungen erreichen kann. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte vor dem Treffen, die Biden-Administra­tion prüfe Kanadas Antrag auf Ausnahme von den „Buy American“-Regeln, eine Entscheidu­ng sei aber noch nicht gefallen.

Einen klare Unterstütz­ung erfährt Kanada durch die USA bei dem Bemühen, die Freilassun­g der beiden in China inhaftiert­en Kanadier Michael Kovrig und Michael Spavor zu erreichen. Sie sind in China seit mehr als 800 Tagen in Haft, was Kanada als willkürlic­he Reaktion auf die Festnahme der Finanzchef­in des chinesisch­en Kommunikat­ionskonzer­ns Huawei, Meng Wanzhou, wertet. „Menschen sind keine Tauschgege­nstände“, sagte Biden. „Wir werden zusammenar­beiten, bis wir ihre sichere Rückkehr erreichen.“

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Foto: AFP Per Videokonfe­renz thematisie­ren US-Präsident Joe Biden und Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau (l.) vor allem ihre enge Partnersch­aft und den Klimawande­l.

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