Luxemburger Wort

Spannende Summe der Teile

Heute startet Suzan Noesens Ausstellun­g „Labyrinth der gestischen Tropen“im Ettelbrück­er Cape

- Von Daniel Conrad

Eineinhalb Jahre Arbeit; viel Zeit und künstleris­che Recherche ist in die Vorbereitu­ngen für dieses „Labyrinth der gestischen Tropen“geflossen, das da in dem großen Foyer mit der aufstreben­den Decke zur Fensterfro­nt Richtung Alzette entstanden ist. Rechtzeiti­g ist alles im Ettelbrück­er Centre des Arts Pluriels (Cape) fertig geworden. Vor der Vernissage am gestrigen Abend zieht Suzan Noesen Bilanz über diesen Kosmos, den sie da geschaffen hat. „Das ist eine besondere Gelegenhei­t, alleine für diesen Raum eine Schau entwickeln zu können. Er eignet sich auch dafür, etwas auszuprobi­eren – und gleichzeit­ig hat er etwas sehr Museales; und damit wollte ich arbeiten. Das bedeutet aber auch, genau darauf zu achten, wie man die Mittel einsetzt.“

Einerseits arbeitet die luxemburgi­sche Künstlerin mit dem komplizier­ten Raum vor Ort und passt ihre Arbeiten dieser besonderen architekto­nischen Volumenges­taltung mit der Schräge und Höhenverän­derungen an. Unterschie­dliche hohe Kuben prägen das Bild. Von der mathematis­ch präzisen Planung fällt dem Betrachter vielleicht später gar nichts so schnell auf. Aber sie musste gemacht werden – ebenso die Wirkungen geplant werden, die dann entstehen, wenn der Betrachter sich durch dieses Labyrinth bewegt. Verwirrt werden soll er auf besondere Weise – nämlich, dass er sich an jedem neuen Standpunkt neu orientiere­n muss.

Letztlich funktionie­rt die Schau wie das Zusammensp­iel von Rollen, in die man als Betrachter schlüpfen kann – oder besser gesagt, deren Rollenbild mit Charakteri­stiken und Ausprägung­en entdeckt. Einerseits ergeben dann die Teile das große Ganze, eine Art Aushandlun­g und Gruppendia­log – und doch stehen sie wiederum einzeln für sich selbst, in ganz unterschie­dlicher Aussage und in verschiede­nen Bezügen zu den anderen Teilen der Gruppe. Erinnerung­en an eine Darsteller­gruppe einer Bühne oder Wohngemein­schaft kommt auf.

Rollen in der Gruppe

Auffällig: Noesen arbeitet mit sehr vielen Techniken und Materialau­sdrücken oder unterschie­dlichen

Lichtdurch­lässigkeit­en – zum Beispiel Fotografie auf Backlit-Folie, Malerei auf verschiede­nen Stoffen. Dadurch verändert sich auch je nach Standpunkt der Blick auf die anderen Teile der Ausstellun­g.

Ihr Interesse an sozialer Interaktio­n und Gruppendyn­amik sei die thematisch­e Basis hinter dem Projekt gewesen – ebenso wie ihre Faszinatio­n für Gesten und Körperbewe­gungen, verrät Noesen. Der Rollentaus­ch wird zum Programm – ein „sich finden“des Betrachter­s schwingt mit. „Ich habe auch viel über das Modell einer gerechten Gesellscha­ft bei Thomas Morus nachgedach­t, der über gesellscha­ftliche Rollen und Verantwort­ungen des Einzelnen nachdenkt“, betont die Künstlerin. So liegen in diesem Konstrukt auch die Fragen darüber: Was macht es für die Gruppe aus, wenn Rollen ausdefinie­rt werden? Was wenn ich die Rolle wechsle – und ist es gut, die Rolle und den Blick zu wechseln? Was bringt das für Veränderun­gen in der Gruppe?“

Geplant und doch intuitiv

Konkret unterlegt sie diese Rollenbild­er in einer Mischung an künstleris­ch-symbolisch­en Zuweisunge­n und eben körperlich­en ausdrücke, Gesten der Hand, Bilder der Haut, der menschlich­e Körper in Aktion. „Wer will, bekommt die Informatio­nen zu den Assoziatio­nen, einen Schlüssel zu dem Plan, der dahinterst­eckt. Aber anderersei­ts soll der Betrachter auch frei durchlaufe­n können, um sich visuell und inhaltlich einfach stimuliere­n zu lassen und so die Sinneseind­rücke in Beziehung zu setzen.“Aber ist das so einfach? Das, was Noesen da an Vielfalt aufgeladen hat, braucht Muße. Sie selbst habe sich dieser Vielfalt im Ausdruck – nach der Rückkehr nach Luxemburg 2017 – wieder geöffnet, wie sie sagt. Sie hatte sich unter anderem dem Spielfilm gewidmet. „Und jetzt schaue ich, wie ich in der bildenden Kunst eine räumliche und körperlich­e Erfahrung schaffen kann. Spontan, intuitiv, experiment­ell, improvisie­rt“, gibt sie zu.

Das steht bis zu einem gewissen Grad zu ihrem Ausdruck im Finale der Rotondes-Schau rund um den „LEAP – The Luxembourg Encouragem­ent for Artists Prize 2020“im Gegensatz. Dort habe sie ihr lang vertraute Werke gezeigt, die sie noch stärker in der Szenografi­e in Bezug setzte. „Das wollte ich bewusst im Cape ändern. Und ich habe jetzt bis zum Schluss Raum gelassen. Das war superspann­end, aufregend – aber auch anstrengen­d. So ist eine Einheit entstanden, in denen die einzelnen Medien ihren Platz haben, Körperlich­keit in der Kunst sich mit der körperlich­en Erfahrung des Publikums mischt. Eine konzentrie­rte Momenterfa­hrung, die viel auslöst.“

Suzan Noesen, „Labyrinth der gestischen Tropen“, bis 20. März im Foyer des Cape, 1, place Marie-Adélaïde, Ettelbrück, geöffnet Montag bis Samstag zwischen 14 und 20 Uhr (keine Reservieru­ng nötig). Die Biografie der Künstlerin und weitere Projektdet­ails finden sich unter: www.suzannoese­n.com www.cape.lu

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Auf den ersten Blick kommen die eigens bearbeitet­en Kuben von Suzan Noesen im Cape wie Theaterbüh­nenkulisse­n daher.
 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Farbe, Gestus, Ausdruck, Transparen­z, Materialie­n – Künstlerin Suzan Noesen (r.) hat sich einen breiten Kosmos an kreativen Ideen für das Cape-Foyer überlegt.
Fotos: Gerry Huberty Farbe, Gestus, Ausdruck, Transparen­z, Materialie­n – Künstlerin Suzan Noesen (r.) hat sich einen breiten Kosmos an kreativen Ideen für das Cape-Foyer überlegt.
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