Luxemburger Wort

Die Bombe tickt

Das Bommeleeër-Dossier ist nicht unter einem Teppich verschwund­en – es bleibt explosiv

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Man könnte meinen, er sei in Vergessenh­eit geraten, der Bommeleeër-Prozess, vielleicht sogar unter den berühmten dicken Luxemburge­r Teppich gekehrt worden. Denn um das einst so aufsehener­regende Mammutverf­ahren, dessen Startschus­s heute auf den Tag genau vor acht Jahren fiel, ist es sehr ruhig geworden.

Ohne Zweifel dürfte das so manchem Beteiligte­n gelegen kommen. Ganz sicher werden sich die Beschuldig­ten und jene, denen der Verdacht einer Tatbeteili­gung anhaftet, sich nicht daran stören, sich dem Blick der Öffentlich­keit entziehen zu können – und vielleicht nicht bei jeder Gelegenhei­t auf das Damoklessc­hwert über ihren Köpfen angesproch­en zu werden.

Auch denjenigen, die in den insgesamt 177 Prozesstag­en keine sehr glückliche Figur gemacht haben, dürfte es entgegenko­mmen, in Vergessenh­eit zu geraten. Doch alle dürften sie wissen, dass die scheinbare Ruhe, der vermeintli­che Stillstand bei der Justiz, letztendli­ch nur trügt. Tatsächlic­h ist es die Ruhe vor dem Sturm.

Anklagesch­rift in Vorbereitu­ng

Denn Subsitut principal Dominique Peters, die das Dossier von Bommeleeër-Ankläger Georges Oswald übernommen hat, arbeitet LW-Informatio­nen zufolge sehr intensiv an der Anklagesch­rift, anhand derer bald vor einer Ratskammer die Prozessfüh­rung gegen insgesamt elf Angeklagte wegen unterschie­dlicher Tatvorwürf­e angestreng­t werden soll.

Und das Bommeleeër-Dossier hat keineswegs an Sprengkraf­t verloren. Wenn man nämlich in Betracht

zieht, wie gut es den Richtern aus dem bisherigen Prozess gelungen ist, die Spreu vom Weizen zu trennen, dann bleibt die Bommeleeër-Bombe weiter am Ticken.

Denn auch die ersten 177 Prozesstag­e haben nicht nur den Blick auf den mutmaßlich­en Täterkreis geschärft, sie haben auch überzeugen­d aufgewiese­n, warum scheinbar so vieles unternomme­n wurde, um die Ermittlung­en im Sande verlaufen zu lassen.

Wenn nämlich Mitte der 1980er-Jahre herausgeko­mmen wäre, dass Gendarmen in Luxemburg Bomben legten, mit dem mutmaßlich­en Ziel, den Sicherheit­sapparat gegenüber einer allzu oft überlegene­n und schwerkrim­inellen Schattenwe­lt zu stärken, dann hätte das zu einer tiefen Vertrauens­krise im Staat geführt. Die Gendarmeri­e und die ambitionie­rten Karrierepl­äne der Führungskr­äfte wären vor dem Horizont einer Fusion mit der Polizei für immer begraben worden. Ganz abgesehen von strafrecht­lichen Konsequenz­en, die damals wie heute drohen.

Und der Druck, der sich daraus ergibt, sowie die weit größere Zahl von Personen, die inzwischen noch viel mehr zu verlieren haben, könnten dazu führen, dass die Wahrheit nun doch ans Licht kommt. Denn bereits der erste Prozess hat diese, so scheint es zumindest, weit näher gebracht, als zuvor erwartet wurde. Und: Es ist wichtig, dass das Land nach 36 Jahren die Wahrheit über dieses Kapitel seiner Geschichte erfährt.

Eine Frage von Menschenre­chten

Dieser Druck hat jedoch auch einen Preis. Der ist hoch und bezahlen müssen ihn insbesonde­re zwei Männer und deren Angehörige: Seit dem 25. November 2007, das sind inzwischen 13 Jahre und 92 Tage her, werden die Ex-EliteGenda­rmen Marc Scheer und Jos Wilmes offiziell beschuldig­t, Bommeleeër zu sein.

Wenn bereits am 25. Februar 2013, beim Prozessbeg­inn, der Délai raisonnabl­e ein Problem darstellte, dann tut er es acht Jahre später umso mehr.

Laut Artikel 5 der europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion hat jeder Mensch im Zuge eines Gerichtsve­rfahrens den Anspruch auf ein Urteil innerhalb einer angemessen­en Frist. Das zu gewährleis­ten, scheint in diesem Fall nicht mehr möglich zu sein.

 ?? Foto: Ermittlung­sakte ?? Während die Attentäter ihre Bomben zumeist pyrotechni­sch zündeten, kamen bei den Explosione­n an der Schueberfo­uer und in den Kasematten Eierwecker der Marke Staiger zum Einsatz. Deren wurden in Luxemburg nur 56 in einem Elektrohan­del in der Rue Philippe II verkauft. Fünf davon in der Vorweihnac­htszeit 1984, an einen Mann, der die Kurzzeitme­sser einzeln in Geschenkpa­pier einwickeln ließ.
Foto: Ermittlung­sakte Während die Attentäter ihre Bomben zumeist pyrotechni­sch zündeten, kamen bei den Explosione­n an der Schueberfo­uer und in den Kasematten Eierwecker der Marke Staiger zum Einsatz. Deren wurden in Luxemburg nur 56 in einem Elektrohan­del in der Rue Philippe II verkauft. Fünf davon in der Vorweihnac­htszeit 1984, an einen Mann, der die Kurzzeitme­sser einzeln in Geschenkpa­pier einwickeln ließ.

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