Die Bombe tickt
Das Bommeleeër-Dossier ist nicht unter einem Teppich verschwunden – es bleibt explosiv
Luxemburg. Man könnte meinen, er sei in Vergessenheit geraten, der Bommeleeër-Prozess, vielleicht sogar unter den berühmten dicken Luxemburger Teppich gekehrt worden. Denn um das einst so aufsehenerregende Mammutverfahren, dessen Startschuss heute auf den Tag genau vor acht Jahren fiel, ist es sehr ruhig geworden.
Ohne Zweifel dürfte das so manchem Beteiligten gelegen kommen. Ganz sicher werden sich die Beschuldigten und jene, denen der Verdacht einer Tatbeteiligung anhaftet, sich nicht daran stören, sich dem Blick der Öffentlichkeit entziehen zu können – und vielleicht nicht bei jeder Gelegenheit auf das Damoklesschwert über ihren Köpfen angesprochen zu werden.
Auch denjenigen, die in den insgesamt 177 Prozesstagen keine sehr glückliche Figur gemacht haben, dürfte es entgegenkommen, in Vergessenheit zu geraten. Doch alle dürften sie wissen, dass die scheinbare Ruhe, der vermeintliche Stillstand bei der Justiz, letztendlich nur trügt. Tatsächlich ist es die Ruhe vor dem Sturm.
Anklageschrift in Vorbereitung
Denn Subsitut principal Dominique Peters, die das Dossier von Bommeleeër-Ankläger Georges Oswald übernommen hat, arbeitet LW-Informationen zufolge sehr intensiv an der Anklageschrift, anhand derer bald vor einer Ratskammer die Prozessführung gegen insgesamt elf Angeklagte wegen unterschiedlicher Tatvorwürfe angestrengt werden soll.
Und das Bommeleeër-Dossier hat keineswegs an Sprengkraft verloren. Wenn man nämlich in Betracht
zieht, wie gut es den Richtern aus dem bisherigen Prozess gelungen ist, die Spreu vom Weizen zu trennen, dann bleibt die Bommeleeër-Bombe weiter am Ticken.
Denn auch die ersten 177 Prozesstage haben nicht nur den Blick auf den mutmaßlichen Täterkreis geschärft, sie haben auch überzeugend aufgewiesen, warum scheinbar so vieles unternommen wurde, um die Ermittlungen im Sande verlaufen zu lassen.
Wenn nämlich Mitte der 1980er-Jahre herausgekommen wäre, dass Gendarmen in Luxemburg Bomben legten, mit dem mutmaßlichen Ziel, den Sicherheitsapparat gegenüber einer allzu oft überlegenen und schwerkriminellen Schattenwelt zu stärken, dann hätte das zu einer tiefen Vertrauenskrise im Staat geführt. Die Gendarmerie und die ambitionierten Karrierepläne der Führungskräfte wären vor dem Horizont einer Fusion mit der Polizei für immer begraben worden. Ganz abgesehen von strafrechtlichen Konsequenzen, die damals wie heute drohen.
Und der Druck, der sich daraus ergibt, sowie die weit größere Zahl von Personen, die inzwischen noch viel mehr zu verlieren haben, könnten dazu führen, dass die Wahrheit nun doch ans Licht kommt. Denn bereits der erste Prozess hat diese, so scheint es zumindest, weit näher gebracht, als zuvor erwartet wurde. Und: Es ist wichtig, dass das Land nach 36 Jahren die Wahrheit über dieses Kapitel seiner Geschichte erfährt.
Eine Frage von Menschenrechten
Dieser Druck hat jedoch auch einen Preis. Der ist hoch und bezahlen müssen ihn insbesondere zwei Männer und deren Angehörige: Seit dem 25. November 2007, das sind inzwischen 13 Jahre und 92 Tage her, werden die Ex-EliteGendarmen Marc Scheer und Jos Wilmes offiziell beschuldigt, Bommeleeër zu sein.
Wenn bereits am 25. Februar 2013, beim Prozessbeginn, der Délai raisonnable ein Problem darstellte, dann tut er es acht Jahre später umso mehr.
Laut Artikel 5 der europäischen Menschenrechtskonvention hat jeder Mensch im Zuge eines Gerichtsverfahrens den Anspruch auf ein Urteil innerhalb einer angemessenen Frist. Das zu gewährleisten, scheint in diesem Fall nicht mehr möglich zu sein.