Geschichte der Augenheilkunde in Luxemburg
Der deutsche Augenarzt Ferdinand Zartmann hat ein wichtiges Kapitel in der Entwicklung der Ophthalmologie in Luxemburg geschrieben
veröffentlicht. Ab 1876 wird Arens als einziger Augenarzt aufgeführt.
Dem Anschein nach hatte Zartmann sich in Luxemburg nicht nur Freunde gemacht. „Noch ehe er fortzog“, wusste Dr. Grechen zu berichten, „war der Fremdling ein gestürzter Mann“. Worauf diese eher gehässige Formulierung sich bezieht, konnte nicht eruiert werden.
Sicherlich war man in Luxemburg auch nicht besonders „amused“als Zartmann im Juli 1880 begann, in Luxemburg eine Werbekampagne für seine Augenklinik in Metz — „au Couvent des Soeurs de l’Espérance, 21 Rempart Serpenoise (à droite en entrant par la Porte Serpenoise), fondée en 1870 [sic]“— zu starten. Eine Anzeige in der „L’Indépendance luxembourgeoise“vom 4. Juli 1880 war die erste einer langen Reihe von solchen Inseraten, die in den folgenden Jahren regelmäßig in der luxemburgischen Presse erschienen, wo Zartmann auch mitteilte, wann er Ferien machte und wann er wieder zurück war.
Wieder Sprechstunden in Luxemburg
Nach dem frühen Tode von Dr. Arens am 14. Februar 1887 sprang Zartmann ohne zu zögern in die Bresche und teilte am 24. März 1887 in einer Anzeige im „Luxemburger Wort“und in der „L’Indépendance luxembourgeoise“mit, dass er fortan wieder Sprechstunden in der Stadt Luxemburg halte, und zwar im „Hôtel de Cologne“, freitags von 3 bis 5 Uhr, und wie immer für Unbemittelte gratis.
Hiermit kam er allerdings seinem jungen luxemburgischen Kollegen Dr. Pierre Metzler (1857-1940) in die Quere, der, seit 1884 als praktischer Arzt und Augenarzt in Düdelingen etabliert, seine Praxis soeben in die Hauptstadt auf den Krautmarkt verlegt hatte. Am 23. März 1887, einen Tag vor Zartmanns vorgenannter Anzeige, hatte Metzler der Bevölkerung dies Im „Luxemburger Wort“mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass er, neben seiner Praxis, von montags bis freitags von 11 bis 12 Uhr in der Augenklinik im Kloster der Barmherzigen Schwestern Sprechstunde halte, mit Ausnahme der Feiertage. Metzler beschwerte sich prompt über Zartmanns Vorgehen beim Medizinalkollegium: „si un médecin luxembourgeois s’avisait d’aller pratiquer à Metz, sans avoir des motifs plus plausibles que n’en a Mr. Zartmann, il serait sûr d’être expulsé du jour au lendemain“. Das Medizinalkollegium forderte daraufhin das zuständige Regierungsmitglied, Justizminister Paul Eyschen, auf, nicht mehr zu dulden, dass Dr. Zartmann weiterhin Sprechstunden in Luxemburg halte: „de ne pas tolérer à ce que Mr. Zartmann continue à venir à jour fixe donner des consultations à Luxembourg“. Und so kam es, dass Zartmanns letzte Anzeige für seine luxemburgischen Sprechstunden Ende Juli 1887 erschien.
Anzeigen für seine Metzer Augenklinik gab Zartmann auch nicht mehr in Luxemburg auf.
Schließlich verließ er Metz in Richtung Deutschland. Ab 1890 lebte er in Karlsruhe. Eine Unterbrechung gab es im Jahr 1893/1894. Hielt er sich etwa in Bonn bei seinem Vater auf? Eine weitere Unterbrechung erfolgte 1899/1900, wo er sich vorübergehend in Bonn bei Gertrud und Ida Zartmann aufhielt. In Karlsruhe wohnte er zuerst in der Westendstraße und dann in der Redtenbacherstraße, wo er am 6. Oktober 1922 im Alter von 87 Jahren verschied.
Ferdinand Zartmann war am 4. Oktober 1835 in Bonn als Sohn des Arztes Andreas Josephus Maria Zartmann und der Anna Maria Catharina Ankenbrand geboren worden. Andreas Joseph Zartmann seinerseits war am 30. November 1801 in Bonn als Sohn der Eheleute Johann Zartmann und Maria Josepha Dedaire geboren. Er erlernte zuerst die Apothekerkunst. Ab Dezember 1824 studierte er die Heilkunde in Bonn. Seine Inaugural-Dissertation, die er dort am 7. November 1829 verteidigte, befasste sich mit der Extirpation der Schilddrüse. Er praktizierte in Bonn, wo er am 9. April 1894 als Sanitätsrat starb.
Sein Abitur hatte Ferdinand Zartmann nach zehnjährigem Studium im August 1857 am Königlichen Gymnasium in Bonn gemacht. Damals fühlte er sich zum Baufach hingezogen, entschied sich aber schließlich für ein Medizinstudium. Er promovierte in Berlin. In seiner Inauguraldissertation mit dem Titel „De nephritide parenchymatosa ex urinae retentione orta“, die 1862 in Berlin im Druck erschien, behandelte er die durch Urinverhalt verursachte parenchymatöse Nephritis.
Ferdinand Zartmann heiratete am 12. März 1872 in Metz. Die Braut war die neunzehnjährige Louise Caroline Ellissen. Sie war am 1. Mai 1852 in Metz geboren und dort in der „rue des récollets mineurs“wohnhaft. Ihre Eltern waren Paul Achille Ellissen, Rentier, gestorben in Metz am 25. Dezember 1869, und Marie Gabrielle Sara Wolf, 59 Jahre alt, wohnhaft in Metz. Das Ehepaar Zartmann-Ellissen hatte zwei Söhne, die in Metz geboren wurden. Der Erstgeborene, Jules André Marie, geboren am 10. Februar 1873, schlug eine Militärkarriere in Deutschland ein; beim Tode seines Vaters war er Oberstleutnant. Er starb am 29. Juli 1942 in Baden-Baden. Der am 2. März 1874 geborene Sohn Robert machte sich in Deutschland einen Namen als Maler von Stillleben und Landschaften. Er starb am 26. April 1954 in Karlsruhe.
Einmal abgesehen von Dr. Foncks vorhergehenden Staroperationen, bleibt aus luxemburgischer Sicht, dass der deutsche Augenarzt Ferdinand Zartmann ein wichtiges Kapitel in der Entwicklung der Ophthalmologie in Luxemburg geschrieben hat, zu dem seine direkten Nachfolger, die luxemburgischen Ärzte Dr. Edouard Arens und Dr. Pierre Metzler das Ihre beitragen sollten.
Den Bekanntheitsgrad von Jean-Pierre Nuel, den Dr. Fonck und Dr. Zartmann bereits 1870 während ihres Einsatzes im Dienste des „Comité de secours aux militaires blessés“kennengelernt hatten, sollten sie aber nicht erreichen. Nach seiner Rückkehr von seinem humanitären Einsatz, stellte Nuel sich der Prüfung für das Doktorat der Medizin, die er am 3. Mai 1871 erfolgreich abschloss. Auf der im August 1871 veröffentlichten Liste der in Luxemburg zugelassenen Ärzte figurierte er mit Wohnsitz in Tetingen. Er hatte dort aber wahrscheinlich keine regelrechte Praxis, denn er besuchte in den folgenden Jahren die Universitäten von Bonn, Wien und Utrecht, um dort seine medizinische Ausbildung in der Augenpathologie und der experimentellen Physiologie zu vervollständigen. Im August 1873 ließ er sich schließlich als praktischer Arzt in Eich nieder, wo er außerdem die Nachfolge des im Juni 1873 verstorbenen Dr. Edouard Mayrisch (1825-1873) im Spital des Dommeldinger Hüttenwerks, dem Anfang des Jahres 1873 eröffneten St.-Joseph-Krankenhaus in Eich, antrat. Inzwischen hatte er seine noch ausstehenden luxemburgischen Examina hinter sich gebracht: Doktorat in der Chirurgie im November 1871, Doktorat in der Geburtshilfe Anfang August 1872.
Nuel, der 1872 einen wissenschaftlichen Artikel über die Säugetierschnecke im „Archiv für mikroskopische Anatomie“(Bonn) publiziert hatte, widmete sich auch weiterhin der wissenschaftlichen Forschung, parallel zu seiner Arztpraxis. So legte er den Grundstein für eine akademische Karriere im Ausland. Von 1877 bis 1880 war er Professor für Ophthalmologie an der Universität von Louvain und Leiter der dortigen Augenklinik. Im Oktober 1880 wechselte er nach Gent, wo er anfangs mit dem Physiologie-Kurs beauftragt war, ehe er im Juni 1882 eine ordentliche Professur erhielt. Als Nächstes zog es ihn nach Liège, wo er ab November 1885 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1919 als Professor für Ophthalmologie und Physiologie der Sinnesorgane tätig war. Nuel war Mitglied der „Académie royale de médecine de Belgique“und Präsident der „Société belge d’ophtalmologie“.
Nuel nahm um 1885 die belgische Nationalität an, hat den Kontakt zu seinem Heimatland aber nie abgebrochen. So verbrachte er alljährlich den Sommer in seinem Haus, das er in Useldingen besaß. Im Jahr 1907 wurde er Ehrenmitglied der wissenschaftlichen Sektion des Großherzoglichen Instituts. Nuel starb am 21. August 1920 in Liège. In Tetingen, wo er am 27. Februar 1847 zur Welt kam und etwas ins Vergessen geraten war, wurde ihm 1979 in einer feierlichen Erinnerungszeremonie gedacht. Des Weiteren wurde später die Tetinger Schule nach dem berühmten Sohn der Ortschaft benannt. Eine vergleichbare Ehrung ist Dr. Zartmann und seinen Nachfolgern bisher vorenthalten geblieben.
Ein genaues Quellenverzeichnis findet der Leser in der erweiterten Online-Version mit Fußnoten unter: https://massard.info/bibliography.
* Jos Massard ist Naturwissenschaftler, war Professor für Biologie am Lycée Classique in Echternach und Lehrbeauftragter für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte am Centre universitaire in Luxemburg.
Anzeige von Dr. Zartmann, erschienen im „Luxemburger Wort“vom 24. März 1887.
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Luxemburgischer Ophthalmologe in Belgien