Am Tag, als Josy Schmitz unter den Eisschollen verschwand
Das Drama des 20. Februar 1956 hat sich ins kollektive Gedächtnis von Vianden gebrannt
Vianden. Still, wie erstarrt, ruht die Our in ihrem Bett an diesem 20. Februar 1956, überzogen von einer 50 Zentimeter dicken Eisdecke. Doch das Bild täuscht. Unter der Eisschicht bahnt sich der Fluss, reißender denn je, einen schmalen Weg durch die Schollen. Dies sollte verhängnisvoll für einen fünfjährigen Jungen enden.
Es ist 16 Uhr nachmittags an einem Montag. Die Schullehrerin Juliette Feitler warnt vor den Gefahren der zugefrorenen Our. Sie erklärt die lauernde Gefahr, die demjenigen drohe, der seinen Fuß auf den gefrorenen Fluss setzt. Sie erklärte wahrscheinlich, dass sich unter der Eisdecke, infolge des hohen Druckes, eine besonders starke Strömung bildet. Aber wer weiß schon, was Kinder in dem Alter mehr beschäftigt: die Ermahnungen der Lehrerin oder der Reiz des Ausprobierens, die Abenteuerlust?
Das Eis sieht so verlockend aus. Fröhlich springt eine Kinderschar nach Schulschluss die Schultreppe hinunter, gegenüber der Our. Magisch angezogen von der Eisdecke laufen vier fünfjährige Kinder, in der Ahnungslosigkeit der Kindheit, auf die zugefrorene Our zu. Josy, Guy, Metty und Gaby stehen ganz nahe der Stelle, wo der Fluss aufgedeckt ist. In Sekundenschnelle
geschieht das furchtbare Unglück. Josy verliert das Gleichgewicht. Guy, Metty und Gaby sehen zwei Stiefel im Wasser verschwinden. Kopfüber scheint Josy ins Wasser gefallen zu sein.
Unter das Eis gerissen, unter der Eisdecke gefangen, von der Strömung erfasst, dem Tode geweiht, wird er ein Opfer des Elements. Der beste Schwimmer der Welt könnte nicht gegen den Strom an dieser Stelle kämpfen. Flussabwärts liegt eine unendliche, massive Eisdecke.
Die drei Augenzeugen stürmen davon, entsetzt, ihren Müttern entgegen, die ihnen, aufgrund der
Verspätung, bereits entgegen kommen. Auch Frau Schmitz, Josys Mutter.
Menschen eilen herbei. Ganz Vianden läuft zur Rettung. Die Arbeit in den Betrieben ruht. Ein Armeedetachement eilt zu Hilfe. Mit schweren Presslufthämmern werden Löcher ins Eis geschlagen, dicke Blöcke ausgeschnitten und von großen Lastautos fortgefahren.
Grundeisblöcke von einer Tonne und mehr müssen zersplittert werden. Die ganze Nacht fährt eine Gendarmerie-Einheit mit dem Nachen über die stellenweise aufgerissene Our. Sie können jedoch das Eis nicht am Frieren hindern. Sie können die Leiche des Sohnes ihres Kollegen Schmitz, Gendarm in Vianden, nicht bergen. Bürgermeister Vic Abens bittet die Bitburger Air-Base um Hilfe, wendet sich an das Hauptquartier der amerikanischen Armee in Fontainebleau.
Die drei Augenzeugen sind zu Hause. Sie sagen nichts. Sie sind so brav und still wie nie. Am Samstag, fünf Tage nach dem tragischen Unfall wird der leblose Körper von Josy, um zwei Uhr nachmittags, 30 Meter von der Unfallstelle entfernt geborgen. Er sieht aus wie im Schlaf, dem tiefen Schlaf eines unschuldigen fünfjährigen Kindes.
Noch heute, nach 65 Jahren, ist das schier Unfassbare, das Drama weder bei den Einheimischen, noch bei den Augenzeugen vergessen. Eine schlichte Gedenkplatte, unweit der Unfallstelle, erinnert an den kleinen Josy Schmitz.
Gaby Heger via mywort.lu