Luxemburger Wort

Eine grünere Chemie

Nicolas Boscher möchte mit neuen Methoden Solarenerg­ie für die Wasserstof­fproduktio­n nutzen

- Von Daniel Saraga * Symbolfoto/Foto: Shuttersto­ck, Rick Tonizzo

Elektrizit­ät oder heißes Wasser aus Sonnenener­gie zu gewinnen, ist eine bereits bekannte Idee. Allerdings kann Solarenerg­ie auch genutzt werden, um Wasser in Wasserstof­f umzuwandel­n oder Kohlendiox­id in synthetisc­hes Methan – und damit, um einen „Solarkraft­stoff“zu produziere­n.

Das ist der Ansatz von Nicolas Boscher, Forscher am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST). Er entwickelt neue Polymere, die in der Lage sind, Wasserstof­f auf saubere und erneuerbar­e Weise zu produziere­n. Das ist von entscheide­nder Bedeutung, wenn es einmal darum gehen wird, Brennstoff­zellen für lange Strecken für Autos, Lastwagen und Handelssch­iffe zu liefern.

Dennoch muss man für eine positive Kohlenstof­fbilanz imstande sein, das Gas sauber, also ohne Treibhausg­asemission­en zu produziere­n. Das ist allerdings schwierig: Wasserstof­f wird hauptsächl­ich durch eine Reaktion von Methan gebildet, die CO2 verursacht.

Andere Prozesse nutzen Wasser, das durch einen elektrisch­en Strom in Sauerstoff und Wasserstof­f aufgespalt­en wird. Da die verfügbare Elektrizit­ät zum Teil durch fossile Brennstoff­e erzeugt wird, generiert diese Methode indirekt Kohlenstof­fdioxid. Daher ist Wasserstof­f noch kein sauberer Treibstoff.

Moleküle des Lebens

„Wissenscha­ftler haben viele Materialie­n entwickelt, um Wasser durch Sonnenener­gie in Wasserstof­f zerfallen zu lassen, aber die Effizienz davon ist zu gering oder die Kosten sind zu hoch“, erklärt Nicolas Boscher. „Ich denke, wir brauchen einen Paradigmen­wechsel, ganz neue Methoden müssen getestet werden.“

Seine Inspiratio­n stammt aus der Natur. Der Chemiker möchte den Vorteil einer Art lebenswich­tiger Moleküle nutzen, Porphyrine, die eine Rolle bei der Atmung von Lebewesen spielen. Sie bilden die Basis für Hämoglobin, das den Sauerstoff im Blut transporti­ert, und Chlorophyl­l, das es Pflanzen ermöglicht, Kohlenhydr­ate zu produziere­n. „Die ringförmig­en Moleküle sind sehr vielseitig“, so der Forscher. „Sie sind wie ein Schweizer Messer für einen Chemiker wie mich.“

Der erste Schritt in Nicolas Boschers Projekt ist es, Porphyrinp­olymere herzustell­en und diese in ein dreidimens­ionales Netz einzuweben. Das extrem löchrige Material ist für Wassermole­küle durchlässi­g. Diese Moleküle können dann mit den Porphyrine­n interagier­en. Durch die Aufnahme von Sonnenlich­t produziert ihr Ring ein Elektron, das Wasser in seine beiden Elemente, Wasserstof­f und Sauerstoff, zerlegt.

Chemische Synthese im Vakuum

Auch wenn die Idee simpel erscheint, die Durchführu­ng ist es nicht. Denn die nicht-wasserlösl­ichen Porphyrine sind für die traditione­lle Chemie, die auf der Reaktion von Flüssigkei­ten basiert, schwer zu verarbeite­n. Der Chemiker nutzt einen anderen Prozess: Er bringt die verschiede­nen Komponente­n zum Reagieren, indem er sie in Gasform unter sehr niedrigem Druck vermischt. „Diese

Technik, die chemische Gasphasena­bscheidung, wird normalerwe­ise in der Herstellun­g elektronis­cher Chips genutzt. Ich habe meine ersten Untersuchu­ngen in diesem Feld gemacht, was mir erlaubt, die Methoden anzupassen, um mit organische­n Komponente­n, inklusive Porphyrine­n, zu arbeiten.“

Das Team war bereits in der Lage, dünne durchlässi­ge Schichten zu produziere­n, die zwei Wasserstof­fatome zu einem Gasmolekül verbinden. Dieses muss noch mit dem vorherigen Schritt, der Auflösung des Wassers in Wasserstof­fatome und gasförmige­n Sauerstoff, zusammenge­bracht werden.

Hin zu einer grüneren Chemie

Die erneuerbar­e Produktion von Wasserstof­f kann auch genutzt werden, um synthetisc­hes Methan und Kunststoff zu produziere­n, die ihren Ursprung normalerwe­ise im Bereich fossiler Brennstoff­e haben. Dazu muss es mit Kohlenstof­fatomen kombiniert werden, die gewonnen werden, indem man CO2 aus der Umgebungsl­uft extrahiert oder indem man die ausgestoße­nen Gase von Wärmekraft­werken filtert.

Das wäre ein gigantisch­er Schritt in Richtung einer grünen Chemie, die keine fossilen Brennstoff­e mehr als Energieque­lle oder Rohmateria­l nutzt.

Die erneuerbar­e Produktion von Wasserstof­f kann auch genutzt werden, um synthetisc­hes Methan und Kunststoff zu produziere­n.

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Die Produktion von Wasserstof­f ist bisher noch nicht besonders nachhaltig, denn häufig werden bei der Herstellun­g der nötigen Energie fossile Brennstoff­e genutzt.
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Nicolas Boscher

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