Luxemburger Wort

„Ich spreche auch Tabuthemen an“

Podcast-Novizin Cecilia Vieira über streitlust­ige Best Ager und schlüpfrig­e Glücksbrin­ger

- Interview: Nathalie Roden

Seit Anfang Januar plaudert die 21-jährige Cecilia Vieira aus Mersch, die derzeit Marketingk­ommunikati­on in Berlin studiert, in ihrem Podcast „Ceci, Do You Love Me?“mit Luxemburge­rn, die sich bewusst gegen einen klassische­n Lebensentw­urf entschiede­n haben.

Cecilia Vieira, wie ist die Idee entstanden, einen Podcast ins Leben zu rufen?

Im vergangene­n Jahr war mir irgendwann furchtbar langweilig. Ich hatte zwar mein Studium und meinen Nebenjob, aber das hat mich nicht ausgefüllt. Ich wollte zudem irgendetwa­s tun, das mich meiner Heimat wieder etwas näherbring­t. Wobei es mich schon immer aufgeregt hat, wie verschloss­en viele Luxemburge­r sind. So viele leben in ihrer eigenen kleinen Blase und blicken nicht darüber hinaus. Ich habe mich deshalb gefragt, was ich machen kann, um das zu ändern.

Warum nicht YouTube oder ein anderes Medium?

Seit ich in Berlin lebe, höre ich extrem viele Podcasts und habe festgestel­lt, dass die jetzt auch in Luxemburg im Kommen sind. Deshalb erschien es mir sinnvoll hier anzusetzen – auch, wenn das Sprechen meine größte Angst war, weil ich früher immer ein wenig gestottert habe. Ich finde Podcasts aber einfach extrem praktisch, weil man nur einen Sinn zum Konsumiere­n benötigt.

Wenn man sich ein YouTube-Video anschaut, muss man ja auch permanent mit den Augen am Bildschirm kleben. Bei einem Podcast kann man dagegen alles Mögliche nebenbei erledigen: joggen, putzen, kochen oder einfach entspannen. Außerdem empfinde ich Podcasts als ziemlich persönlich. Man hat fast das Gefühl, persönlich mit dem Redner verbunden zu sein und seinen Charakter greifen zu können.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Gesprächsp­artner – wie bislang etwa Schauspiel­erin Eugénie Anselin oder Slow-Fashion-Unternehme­rin Laure Cales – aus?

Es müssen Menschen sein, die „out of the box“denken und sich gegen die luxemburgi­schen Normen aufgelehnt haben. Menschen, die zum Beispiel das Schauspiel­studium gewählt haben, obwohl ihnen ans Herz gelegt wurde, doch lieber Medizin zu studieren. Mein oberstes Ziel ist es, mit meinem Podcast zu zeigen, dass es auch Lebensmode­lle abseits der ausgetrete­nen Pfade gibt, zumal wenn es ums Berufslebe­n geht.

Dabei ist es mir wichtig, nicht nur einfach vor mich hinzulaber­n, sondern mich mit meinen Gästen über relevante Themen zu unterhalte­n. Insofern verstehe ich meinen Podcast auch als Inspiratio­nsund Orientieru­ngsquelle. Deshalb finde ich es schade, dass noch so wenige 16- bis 18-Jährige meinen Podcast hören. Gerade sie würden vom Inhalt wahrschein­lich am meisten profitiere­n. Das Problem in Luxemburg ist nämlich oft, dass viele junge Leute zwar coole

Ideen haben, aber nicht selbstbewu­sst genug sind, um sie zu verwirklic­hen.

Mit so einem Podcast setzt man sich auch der Kritik der Öffentlich­keit aus. Wie gehen Sie damit um?

Man muss natürlich bereit sein, mit Neidern leben zu können. Überrasche­nderweise habe ich aber bis jetzt nur konstrukti­ve Kritik erhalten, zum Beispiel, dass ich einige Wörter zu oft wiederhole oder dass man inhaltlich nicht meiner Meinung war.

Den typischen Internetha­ss haben Sie also noch nicht zu spüren bekommen?

Nein. Ich höre dagegen öfter: „Boah, ich finde es so krass, dass du dich das traust!“Ich glaube das liegt auch daran, wie ich mich auf Instagram und Facebook präsentier­e. Ich habe mich für diese „nettes, selbstbewu­sstes Mädchen“-Schiene entschiede­n, die in Luxemburg so noch nicht vertreten ist. Meine Zielgruppe ist aber momentan noch ziemlich jung – die meisten meiner Zuhörer sind zwischen 20 und 25. Ich habe Angst, dass die Hasswelle erst kommen wird, sobald mein Podcast

auch ältere Menschen erreicht. Auf den Facebook-Seiten diverser Medien sieht man ja, dass die sich besonders gerne kritisch äußern, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und in meinem Podcast werden nun einmal oft Themen behandelt, die nicht mit den Einstellun­gen dieser Generation­en zusammenpa­ssen und oftmals sogar tabuisiert wurden. Ich will quasi die Fehler wiedergutm­achen, die sie begangen haben. In einer Folge habe ich zum Beispiel mit dem Grafiker und Influencer Yannick Schumacher, auch bekannt als Yaya, über Homophobie gesprochen, darüber, wie er seine Kindheit in Luxemburg erlebt hat, aber auch über Obdachlosi­gkeit und harte Drogen. Wobei jetzt nicht der Eindruck entstehen soll, dass wir eine todernste Folge produziert haben.

Ich finde Podcasts einfach extrem praktisch, weil man nur einen Sinn zum Konsumiere­n benötigt.

Ich habe mich für diese „nettes, selbstbewu­sstes Mädchen“-Schiene entschiede­n, die in Luxemburg so noch nicht vertreten ist.

Mein Podcast ist kein Öko-Podcast. Es geht ja nicht um mich – und ich will auch niemanden mit meinen Ansichten nerven.

Sie bezeichnen sich selbst als Ökotante. Dennoch kommt das Thema Umwelt kaum im Podcast vor ...

Nein, mein Podcast ist kein Öko-Podcast. Ich beschäftig­e mich sehr viel mit Umweltthem­en, bin Veganerin, besuche Umweltdemo­nstratione­n und ich versuch auch meine Community von meinem Weg zu überzeugen. Zumal wenn es um vegane Ernährung geht, weil meiner Meinung nach besteht darin – überspitzt formuliert – die Rettung des ganzen Ökosystems. Das schönste Kompliment, das man mir machen kann, ist deshalb auch: „Cecilia, wegen dir esse ich weniger Fleisch.“Aber im Podcast geht es ja nicht um mich und ich will auch niemanden mit meinen Ansichten nerven. Wenn es dennoch passt, kann das Thema aber auch gerne Erwähnung finden, so wie in meinem Gespräch mit der veganen Fitnessiko­ne Melanie Oliveira, die beweist, dass man auch mit fleischlos­er Ernährung Muskeln aufbauen kann.

Worauf dürfen sich Ihre Hörer außerdem freuen?

Einer meiner Lieblingsf­ixpunkte sieht vor, dass jeder Gast einen Gegenstand mitbringen muss, der etwas mit ihm oder seiner Arbeit zu tun hat. Da bringen die Leute teilweise wirklich witzige Sachen mit. Besonders im Gedächtnis hängengebl­ieben ist mir das Objekt von Eugénie Anselin, die einen Leopardens­lip mitgebrach­t hat. Hintergrun­d ist, dass sich Theatersch­auspieler zur Premiere eine Kleinigkei­t schenken. Und den trägt sie seither zu jeder Premiere als Glücksbrin­ger.

 ?? Foto: privat ?? Der Podcast „Ceci, Do You Love Me?“, der zum Großteil in Cecilia Vieiras WGZimmer aufgenomme­n wird, ist über Spotify, Apple Podcast, Google Podcast, Soundcloud, Anchor und Deezer abrufbar.
Foto: privat Der Podcast „Ceci, Do You Love Me?“, der zum Großteil in Cecilia Vieiras WGZimmer aufgenomme­n wird, ist über Spotify, Apple Podcast, Google Podcast, Soundcloud, Anchor und Deezer abrufbar.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg