„Wir geben unser Bestes“
Wegen der Pandemie kamen 2020 deutlich weniger Flüchtlinge nach Luxemburg
Weil viele Grenzen wegen der Pandemie lange geschlossen waren, ging die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr deutlich zurück. 2020 gingen bei der Immigrationsbehörde 1 167 Anträge ein, gegenüber 2 048 im Vorjahr. Das macht ein Minus von immerhin 42 Prozent. Die meisten Flüchtlinge kamen aus Syrien (306), Eritrea (188), Afghanistan (95), aus dem Irak (53) und aus dem Iran (53). Diese Zahlen nannte Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn (LSAP) gestern im Rahmen seiner Jahrespressekonferenz zum Thema Asyl und Immigration.
736 anerkannte Flüchtlinge
Die Immigrationsbehörde hat im vergangenen Jahr 1 516 Entscheidungen getroffen. 736 Personen wurden als Flüchtling anerkannt, weitere 31 erhielten das Subsidiarstatut. In 359 Fällen wurde der Asylantrag abgelehnt. 96 Akten wurden geschlossen, weil die Antragsteller nicht mehr ausfindig zu machen sind.
In 219 Fällen handelte es sich um sogenannte „Dubliner“, die vor ihrer Einreise nach Luxemburg bereits in einem anderen EU-Land um Asyl gebeten hatten. 113 wurden laut den Regeln des Dublin IIIAbkommens in die Länder zurückgebracht, in denen sie ihren ersten Asylantrag gestellt hatten, die meisten davon nach Deutschland (35). Umgekehrt hat Luxemburg 80 „Dubliner“aufgenommen, die in einem weiteren EU-Land einen zweiten Antrag gestellt hatten. 43 von ihnen kamen aus Griechenland.
Wie Asselborn weiter erklärte, wurden im vergangenen Jahr insgesamt 220 Personen ausgewiesen, 156 Personen haben das Land freiwillig verlassen, 64 mussten zur Ausreise gezwungen werden. Der Minister betonte, dass Luxemburg, im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern, keine abgelehnten Asylbewerber nach Afghanistan zurück schickt.
Gratwanderung
Für Minister Asselborn ist Asylpolitik immer eine Gratwanderung: „Manche Menschen finden, Luxemburg ist in Asylfragen zu großzügig. Andere kritisieren, dass wir nicht genug tun.“Es gelte daher einen Mittelweg zu finden. „Unabhängig von der Kritik, Luxemburg bleibt solidarisch. Wir geben unser Bestes“, so Asselborn entschieden. Luxemburg habe sich in den vergangenen Jahren stärker in der Flüchtlingsfrage engagiert, als die meisten anderen EU-Staaten.
Konkret bezog er sich dabei auf die Hilfe für die Länder, die bei der Aufnahme von Flüchtlingen an vorderster Front stehen, allen vorn Griechenland und Italien. Um Griechenland zu entlasten, wurden 43 Personen, die laut DublinAbkommen eigentlich hätten zurückgeschickt werden müssen, nicht nach Griechenland überstellt. Dazu hat Luxemburg insgesamt 117 Personen aus Griechenland aufgenommen. Hinzu kommen noch 21 Flüchtlinge aus dem
Camp Moria. „Wenn jedes europäische Land so gehandelt hätte, gäbe es kein Moria mehr“, betonte Jean Asselborn.
Luxemburg hat ferner 25 Flüchtlinge aufgenommen, die eigentlich nach Italien hätten zurück müssen. Minister Asselborn zeigte sich erleichtert, dass „die Nachwehen der Salvini-Politik langsam nachlassen.“
Logistische Herausforderung
Dass wegen Corona weniger Asylanträge eingegangen sind, ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille bedeutet einen deutlich größeren Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter des Ministeriums und der Immigrationsbehörde, vor allem aber für die Hilfsorganisationen, die die Flüchtlinge vor Ort in den verschiedenen Einrichtungen betreuen. Die Empfangsstrukturen waren zunächst zwischen Mitte März und Mitte Mai vollständig geschlossen, nur die Prozeduren liefen weiter. Besonders gefährdete Personen wurden in einer ersten Phase in Hotels untergebracht. Da viele Asylbewerber keine der drei Landessprachen und auch kein Englisch sprechen, mussten die Coronaregeln in alle möglichen Sprachen übersetzt werden. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die Flüchtlingsunterkünfte coronagerecht zu gestalten. So wurden zunächst die Speisesäle geschlossen und das Essen in die
Zimmer gebracht werden. Damit die Kinder am Unterricht teilnehmen konnten, wurden sämtliche Unterkünfte mit Wifi ausgestattet.
Trotz der Anstrengungen blieben Infektionen nicht aus. Insgesamt haben sich 663 Asylbewerber angesteckt, zehn Personen mussten in ein Krankenhaus eingeliefert werden, ein Todesopfer war zum Glück nicht zu beklagen.
Besonders dramatisch war die Situation in der Structure d'hébergement d'urgence Kirchberg (SHUK), wo Personen vor ihrer Ausweisung vorübergehend untergebracht werden. Fast die Hälfte der Bewohner dort hat sich infiziert. Die Pandemie hatte auch Auswirkungen auf das Centre de rétention, wo eine ganze Abteilung geschlossen werden musste, so dass nur noch 29 Personen gleichzeitig aufgenommen werden konnten.
Mittlerweile wurde in Monnerich in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsbehörde eine Quarantänestation eingerichtet, wo die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft sieben Tage lang untergebracht werden. Tests stehen laut Asselborn in allen Einrichtungen hinreichend zur Verfügung. Zudem wurden psychologische Anlaufstellen eingerichtet, an die sich die Flüchtlinge jederzeit wenden können.
Durch die Pandemie hat sich auch das größte Problem, mit dem das Office national de l'accueil (ONA) konfrontiert ist, noch einmal verschärft: Angesichts der enormen Wohnungsknappheit bleiben anerkannte Flüchtlinge, die eigentlich längst in eine eigene Wohnung ziehen könnten, in den Unterkünften „hängen“. Die Aufnahmekapazitäten sind daher zeitweise fast vollständig ausgelastet. Zwar konnten dank der Unterstützung zahlreicher Kommunen neue Unterkünfte errichtet werden, doch im Immigrationsministerium würde man sich über weitere Einrichtungen freuen.
Wenn jedes europäische Land so gehandelt hätte, gäbe es kein Moria mehr. Jean Asselborn, Immigrationsminister