Luxemburger Wort

Tod und Spiele

- Von Steve Bissen

Rezente Recherchen der britischen Tageszeitu­ng „Guardian“bestätigen eigentlich nur das, was Menschenre­chtsorgani­sationen bereits seit Jahrzehnte­n anprangern. In den Augen Katars ist das Leben eines ausländisc­hen Gastarbeit­ers nicht viel wert. Seit der Vergabe der Fußballwel­tmeistersc­haft im Jahr 2010 sind im Wüstenemir­at mehr als 6 500 Hilfsarbei­ter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesc­h und Sri Lanka ums Leben gekommen. Dies entspricht etwa zwölf Arbeitern pro Woche. Und die tatsächlic­he Zahl der Verstorben­en liegt vermutlich noch deutlich höher, da auch aus anderen asiatische­n Ländern Arbeitsmig­ranten in das Emirat kommen, um hier für den Lebensunte­rhalt ihrer zurückgela­ssenen Familien in der Heimat zu schuften.

Für die Regierung in Doha sind diese Menschen aber nur ein zu vernachläs­sigender „kleiner Prozentsat­z“. Sie teilt mit, dass die Sterberate unter Millionen ausländisc­her Gastarbeit­er in einem statistisc­h zu erwartende­n Bereich liege. Bei 69 Prozent der Toten wurde offiziell eine natürliche Todesursac­he angegeben. Der Grund für das Ableben ist aber häufig auf akutes Herz- oder Lungenvers­agen zurückzufü­hren. Sprich: Viele sterben infolge eines Hitzschlag­s und schierer Erschöpfun­g in der heißen Wüstensonn­e – eine unmittelba­re Folge der sklavenähn­lichen Bedingunge­n, unter denen die Arbeitsmig­ranten leben müssen.

Sie werden – wenn überhaupt – nur lächerlich entlohnt und ackern oft von früh bis spät – sieben Tage die Woche – auf Baustellen, auf denen man es mit Sicherheit­svorkehrun­gen nicht so genau nimmt und hausen in menschenun­würdigen Unterkünft­en auf kleinstem Raum – zusammenge­pfercht wie Tiere. Und das in einem der reichsten Staaten der Welt, der gerne nach außen mit seinen Prunkbaute­n protzt. Die Arbeitsmig­ranten, mit deren Blut und Schweiß das Land aufgebaut wird und deren Arbeit kein Einheimisc­her übernehmen will, bleiben dabei aber auf der Strecke. Doch diese Art der modernen Sklaverei hat an der arabischen Golfküste leider eine lange, traurige Tradition.

Trotz anhaltende­r Kritik aus dem Ausland hat sich daran nur wenig geändert. Zwar mag es einige punktuelle Verbesseru­ngen geben. So startete die Regierung im vergangene­n Sommer ein Reformprog­ramm zur Verbesseru­ng der Lage der Gastarbeit­er. Dieses speist sich jedoch vor allem aus dem Willen, mit Blick auf die Weltmeiste­rschaft nach außen hin die Fassade aufrechtzu­erhalten, während es in der Praxis meist bei vagen Absichtser­klärungen bleibt.

Beim Bau der sieben neuen Fußball-Stadien setzt Katar wie gewohnt auf Gastarbeit­er. Außerdem werden unter anderem auch ein neuer Flughafen, Straßen, Hotels und eine ganz neue Stadt für das WM-Endspiel gebaut. Gigantisch­e Infrastruk­turprojekt­e, die viele (billige) Arbeitskrä­fte erfordern, um das milliarden­schwere Fußballfes­t zu ermögliche­n. Doch statt Brot und Spiele erwarten die Arbeitsmig­ranten: Tod und Spiele. Daran wirklich etwas verändern könnte nur die Drohung einer WM-Absage oder ein medienwirk­samer Boykott von Fußballfan­s und finanzkräf­tigen Sponsoren. Doch dafür fehlt es sowohl dem mächtigen Fußballver­band FIFA wie auch der internatio­nalen Politik an Mut und Entschloss­enheit. Und die Zuschauer? Die interessie­rt leider nur eins: Das Runde muss ins Eckige.

Diese Art der modernen Sklaverei hat eine lange, traurige Tradition.

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