Tod und Spiele
Rezente Recherchen der britischen Tageszeitung „Guardian“bestätigen eigentlich nur das, was Menschenrechtsorganisationen bereits seit Jahrzehnten anprangern. In den Augen Katars ist das Leben eines ausländischen Gastarbeiters nicht viel wert. Seit der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2010 sind im Wüstenemirat mehr als 6 500 Hilfsarbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka ums Leben gekommen. Dies entspricht etwa zwölf Arbeitern pro Woche. Und die tatsächliche Zahl der Verstorbenen liegt vermutlich noch deutlich höher, da auch aus anderen asiatischen Ländern Arbeitsmigranten in das Emirat kommen, um hier für den Lebensunterhalt ihrer zurückgelassenen Familien in der Heimat zu schuften.
Für die Regierung in Doha sind diese Menschen aber nur ein zu vernachlässigender „kleiner Prozentsatz“. Sie teilt mit, dass die Sterberate unter Millionen ausländischer Gastarbeiter in einem statistisch zu erwartenden Bereich liege. Bei 69 Prozent der Toten wurde offiziell eine natürliche Todesursache angegeben. Der Grund für das Ableben ist aber häufig auf akutes Herz- oder Lungenversagen zurückzuführen. Sprich: Viele sterben infolge eines Hitzschlags und schierer Erschöpfung in der heißen Wüstensonne – eine unmittelbare Folge der sklavenähnlichen Bedingungen, unter denen die Arbeitsmigranten leben müssen.
Sie werden – wenn überhaupt – nur lächerlich entlohnt und ackern oft von früh bis spät – sieben Tage die Woche – auf Baustellen, auf denen man es mit Sicherheitsvorkehrungen nicht so genau nimmt und hausen in menschenunwürdigen Unterkünften auf kleinstem Raum – zusammengepfercht wie Tiere. Und das in einem der reichsten Staaten der Welt, der gerne nach außen mit seinen Prunkbauten protzt. Die Arbeitsmigranten, mit deren Blut und Schweiß das Land aufgebaut wird und deren Arbeit kein Einheimischer übernehmen will, bleiben dabei aber auf der Strecke. Doch diese Art der modernen Sklaverei hat an der arabischen Golfküste leider eine lange, traurige Tradition.
Trotz anhaltender Kritik aus dem Ausland hat sich daran nur wenig geändert. Zwar mag es einige punktuelle Verbesserungen geben. So startete die Regierung im vergangenen Sommer ein Reformprogramm zur Verbesserung der Lage der Gastarbeiter. Dieses speist sich jedoch vor allem aus dem Willen, mit Blick auf die Weltmeisterschaft nach außen hin die Fassade aufrechtzuerhalten, während es in der Praxis meist bei vagen Absichtserklärungen bleibt.
Beim Bau der sieben neuen Fußball-Stadien setzt Katar wie gewohnt auf Gastarbeiter. Außerdem werden unter anderem auch ein neuer Flughafen, Straßen, Hotels und eine ganz neue Stadt für das WM-Endspiel gebaut. Gigantische Infrastrukturprojekte, die viele (billige) Arbeitskräfte erfordern, um das milliardenschwere Fußballfest zu ermöglichen. Doch statt Brot und Spiele erwarten die Arbeitsmigranten: Tod und Spiele. Daran wirklich etwas verändern könnte nur die Drohung einer WM-Absage oder ein medienwirksamer Boykott von Fußballfans und finanzkräftigen Sponsoren. Doch dafür fehlt es sowohl dem mächtigen Fußballverband FIFA wie auch der internationalen Politik an Mut und Entschlossenheit. Und die Zuschauer? Die interessiert leider nur eins: Das Runde muss ins Eckige.
Diese Art der modernen Sklaverei hat eine lange, traurige Tradition.