Serienkiller im Hungerstreik
Athen fürchtet eine Rückkehr des Terrorismus und rüstet sich für Ausschreitungen
Er war an elf Morden beteiligt. Jetzt hängt sein eigenes Leben an einem seidenen Faden. Mit einem Hungerstreik will der griechische Terrorist Dimitris Koufontinas seine Verlegung in eine andere Haftanstalt erzwingen. Die Regierung bleibt bisher hart, die Polizei rüstet sich für Anschläge. Seit dem 8. Januar verweigert Koufontinas die Nahrungsaufnahme. Vergangene Woche ordnete die Staatsanwaltschaft die Zwangsernährung des 63-Jährigen an. Koufontinas liegt nun auf der Intensivstation einer Klinik. Sein Zustand ist kritisch.
Die konservative Regierung kommt von zwei Seiten unter Druck. Die linke Oppositionspartei Syriza appelliert an Premierminister Kyriakos Mitsotakis, auf Koufontinas Forderung einzugehen. Er verlangt, vom Hochsicherheitsgefängnis im mittelgriechischen Domokos in die Haftanstalt Korydallos bei Athen verlegt zu werden, wo die Haftbedingungen lockerer sind.
Fast täglich inszenieren jetzt Anhänger des Terroristen Solidaritätsaktionen: Sie fackeln Autos ab, gehen mit Vorschlaghämmern auf Bankfilialen los und schleudern Brandflaschen auf die Polizei.
Koufontinas war einer der Anführer der Terrororganisation „17. November“. Die Gruppe, die sich nach dem Datum des 1973 blutig niedergeschlagenen Studentenaufstandes gegen die griechische Obristenjunta nannte, hat in den Jahren 1975 bis 2000 in Griechenland 23 Menschen ermordet und Dutzende Sprengstoffanschläge begangen. Zu den Opfern zählen ausländische Diplomaten, Industrielle und Politiker.
Linke zeigen Solidarität
Koufontinas war seit Mitte der 1980er Jahre operativer Chef der Terrororganisation. Er stellte sich 2002 und bekannte sich zu seinen Taten. Ein Gericht verurteilte ihn 2003 wegen Beteiligung an elf Morden zu elf lebenslangen Freiheitsstrafen. Eines der ihm zur Last gelegten Verbrechen ist der Mord an dem Politiker Pavlos Bakogiannis, einem Schwager des heutigen Ministerpräsidenten Mitsotakis.
Koufontinas verbüßte seine Strafe zunächst in Korydallos. Unter der seit Anfang 2015 amtierenden Syriza-Regierung bekam er mehrfach Hafturlaub und wurde schließlich in ein Landwirtschaftsgefängnis verlegt, wo die Haftbedingungen lockerer sind. Vergangenes Jahr verabschiedete das Parlament auf Initiative der seit Mitte 2019 regierenden Konservativen eine Gesetzesänderung, die bestimmt, dass verurteilte Terroristen ihre Strafe nicht in Landwirtschaftsgefängnissen verbüßen können. Man brachte Koufontinas daraufhin in das Hochsicherheitsgefängnis Domokos. Nach über sieben Wochen Hungerstreik befindet er sich nach Angaben seiner Frau Angeliki Sotiropoulou nun „nahezu im Koma“. Die Regierung verweist auf die Zuständigkeit der Justiz: „Die Gesetze gelten für alle, auch für jene, die sie verachten“, heißt es aus der Umgebung von Premier Mitsotakis. Der Verurteilte lehnt es ab, seine Verlegung auf dem Rechtsweg zu betreiben.
Die Krawalle der vergangenen Tage könnten nur ein Vorgeschmack auf das sein, was in Griechenland losbrechen könnte, wenn Koufontinas stirbt. Die Polizei rüstet sich bereits für Ausschreitungen. Größte Sorge ist, dass der Terrorismus, der mit der Zerschlagung des „17. November“vor 20 Jahren bereits besiegt schien, neue Wurzeln schlagen könnte.