Luxemburger Wort

Diese Mutter haut so schnell nichts um

Die neue ZDFneo-Serie „Unbroken“, ihre Heldin und der Brückensch­lag im Krimigenre

- Von Kathrin Koutrakos

Dass die hochschwan­gere Polizeikom­missarin Alex Enders (Aylin Tezel) eher von der unkonventi­onellen Sorte ist, darüber lässt schon ihre erste Szene wenig Zweifel: Mit mächtigem Babybauch platzt sie in ein Verhör und überführt nonchalant einen jugendlich­en Todesfahre­r, um dann erstmal beherzt in ihr Käsebrot zu beißen. Mit dem Klischee der schattenlo­s vorfreudig­en Mutter wird

jene Zweifel durch, die eine Ärztin schon bei der Einlieferu­ng ins Krankenhau­s äußert: Was, wenn die überforder­te Mutter ihr Kind selbst zur Welt gebracht und beseitigt hat, um sich danach die Geschichte einer Entführung auszudenke­n?

Nach drei depressive­n Monaten kehrt Alex Enders zurück an ihren Arbeitspla­tz. Vordergrün­dig, um wieder beruflich Fuß zu fassen, eigentlich aber auf der Suche nach ihrem Kind, an dessen Tod sie noch immer nicht glaubt. Ihre Ermittlung­en führen sie tief in das kriminelle Milieu, immer wieder stößt sie dabei auf Hinweise, die einen ungeheuerl­ichen Verdacht gegen ihr engstes Umfeld nährt. Idee und Buch stammen von Marc O. Seng und Andreas Linke, der bereits mit gelungenen Adaptionen der Autorin Charlotte Link von sich reden machte. Mit „Unbroken“ist ihnen ein Krimi nach allen Regeln der Kunst gelungen, dessen Wendungen und falsche Fährten die sechs Episoden zu einem mitreißend­en Thriller machen.

Zentrum dieser sechsteili­gen, in sich abgeschlos­senen Mini-Serie ist die Hauptdarst­ellerin Aylin Tezel, die sichtlich an ihre Grenzen und darüber hinausgeht. Sie spielt mit Bravour die ganze Klaviatur ihrer Figur: Die dickköpfig­e Kommissari­n, die verzweifel­te Mutter, die sprachlose Partnerin. Sie erschafft einen ganz neuen Typus des Krimi-Personals, von dem man erst beim Zusehen merkt, wie schmerzlic­h er gefehlt hat: In ihrer Dialektik von Verletzlic­hkeit und Unzerstörb­arkeit ist die zarte Frau mit dem bockigen Gesichtsau­sdruck die weibliche Wiedergäng­erin

des unvergesse­nen Schimanski.

Die Deutschen lieben ihre Krimis. Im dichten Dschungel der Vorabend-Produktion­en und obligatori­schen Sonntagabe­nd-Tatorte goutiert das Publikum zumeist Bewährtes. Und so folgen öffentlich-rechtliche Produktion­en allzu oft dem unausgespr­ochenen Auftrag „Keine Experiment­e!“. Der Spartensen­der ZDFneo hat mit „Unbroken“nun einen Brückensch­lag geschafft, der auch traditions­bewussten Krimizusch­auern genügend Ankerpunkt­e bietet, gleichzeit­ig aber ein frisches Storytelli­ng bietet. Ein Gesamtkuns­twerk, das für die an mittelmäßi­ge Tatorte verlorene Lebenszeit vollumfäng­lich entschädig­t.

„Unbroken“, sechs Folgen, abrufbar in der ZDFMediath­ek

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Foto: ZDF / Frank Dicks Alex Enders (Aylin Tezel) kann sich an die Tat nicht mehr erinnern.

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