Diese Mutter haut so schnell nichts um
Die neue ZDFneo-Serie „Unbroken“, ihre Heldin und der Brückenschlag im Krimigenre
Dass die hochschwangere Polizeikommissarin Alex Enders (Aylin Tezel) eher von der unkonventionellen Sorte ist, darüber lässt schon ihre erste Szene wenig Zweifel: Mit mächtigem Babybauch platzt sie in ein Verhör und überführt nonchalant einen jugendlichen Todesfahrer, um dann erstmal beherzt in ihr Käsebrot zu beißen. Mit dem Klischee der schattenlos vorfreudigen Mutter wird
jene Zweifel durch, die eine Ärztin schon bei der Einlieferung ins Krankenhaus äußert: Was, wenn die überforderte Mutter ihr Kind selbst zur Welt gebracht und beseitigt hat, um sich danach die Geschichte einer Entführung auszudenken?
Nach drei depressiven Monaten kehrt Alex Enders zurück an ihren Arbeitsplatz. Vordergründig, um wieder beruflich Fuß zu fassen, eigentlich aber auf der Suche nach ihrem Kind, an dessen Tod sie noch immer nicht glaubt. Ihre Ermittlungen führen sie tief in das kriminelle Milieu, immer wieder stößt sie dabei auf Hinweise, die einen ungeheuerlichen Verdacht gegen ihr engstes Umfeld nährt. Idee und Buch stammen von Marc O. Seng und Andreas Linke, der bereits mit gelungenen Adaptionen der Autorin Charlotte Link von sich reden machte. Mit „Unbroken“ist ihnen ein Krimi nach allen Regeln der Kunst gelungen, dessen Wendungen und falsche Fährten die sechs Episoden zu einem mitreißenden Thriller machen.
Zentrum dieser sechsteiligen, in sich abgeschlossenen Mini-Serie ist die Hauptdarstellerin Aylin Tezel, die sichtlich an ihre Grenzen und darüber hinausgeht. Sie spielt mit Bravour die ganze Klaviatur ihrer Figur: Die dickköpfige Kommissarin, die verzweifelte Mutter, die sprachlose Partnerin. Sie erschafft einen ganz neuen Typus des Krimi-Personals, von dem man erst beim Zusehen merkt, wie schmerzlich er gefehlt hat: In ihrer Dialektik von Verletzlichkeit und Unzerstörbarkeit ist die zarte Frau mit dem bockigen Gesichtsausdruck die weibliche Wiedergängerin
des unvergessenen Schimanski.
Die Deutschen lieben ihre Krimis. Im dichten Dschungel der Vorabend-Produktionen und obligatorischen Sonntagabend-Tatorte goutiert das Publikum zumeist Bewährtes. Und so folgen öffentlich-rechtliche Produktionen allzu oft dem unausgesprochenen Auftrag „Keine Experimente!“. Der Spartensender ZDFneo hat mit „Unbroken“nun einen Brückenschlag geschafft, der auch traditionsbewussten Krimizuschauern genügend Ankerpunkte bietet, gleichzeitig aber ein frisches Storytelling bietet. Ein Gesamtkunstwerk, das für die an mittelmäßige Tatorte verlorene Lebenszeit vollumfänglich entschädigt.
„Unbroken“, sechs Folgen, abrufbar in der ZDFMediathek