Morgenrituale
Ja, ich gebe es zu: Ich kenne keine Scham - zumindest nicht in den frühen Morgenstunden. Denn wenn der Wecker klingelt und ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mich noch einmal umzudrehen, dann ist da jemand, dem es ganz anders geht. Jemand, der nichts anderes will, als den Tag endlich zu beginnen. Nein, lieber Leser, liebe Leserin, wie so oft in meinen Gazettchen, rede ich nicht von meiner Liebsten. Sie ist offen gestanden ein noch größerer Morgenmuffel als ich. Eine Tatsache, der ich etliche Gazettchen widmen könnte. Doch der Humor eines jeden hat seine Grenzen und ich ziehe es vor, in unserem gemeinsamen Bett zu schlafen und nicht auf der Couch oder in der Badewanne. Dem Hausfrieden zuliebe
Jeder hat nach einer langen Nacht gewisse Bedürfnisse.
müssen Sie auf diese Geschichten also verzichten. Die Rede ist demnach natürlich von unserem Hund, der sich gegen Erwähnungen in meinen Gazettchen nicht wehren kann. Ein Morgenmuffel ist er wahrlich nicht. Nur wenige Sekunden, nachdem der Wecker klingelt, kommt er schwanzwedelnd aus seinem Nachtdomizil im Wohnzimmer in unser Zimmer gelaufen – streckt seine feuchte Nase aufgeregt unseren Gesichtern entgegen. Wer aufsteht, hat für die nächste Zeit einen zweiten Schatten – ganz egal, wo der Weg hinführt. Verdenken kann man es ihm nicht, immerhin hat jeder nach einer langen Nacht gewisse Bedürfnisse. Zu meinen ersten Amtshandlungen gehört deshalb jeden Morgen auch ein Spaziergang auf ein benachbartes Feld – meist noch bevor ich aus meiner Nachtwäsche schlüpfe. Deshalb kennen unsere Nachbarn mittlerweile alle meine Pyjamahosen – ob mit oder ohne Muster, schlicht oder grell. Wegen meines Kleidungsstils musste ich schon manch neugierigen oder gar verstörten Blick über mich ergehen lassen. Aber auch ich kenne meine Grenzen. Im Schlafrock war ich noch nie unterwegs. Dafür war es aber zuletzt eh noch zu kalt. Aber wer weiß. Der Sommer kommt ja noch. Maximilian