Luxemburger Wort

Appetitanr­eger

Die Bilanz der ersten Radrennen der Saison in Belgien ist aus Luxemburge­r Sicht ermutigend

- Von Joe Geimer

Das erste Rennwochen­ende der Saison in Belgien ist Geschichte. Die Radprofis, denen die Flandernkl­assiker besonders am Herzen liegen, sorgten am Wochenende für eine packende Show. Der Omloop Het Nieuwsblad und Kuurne-Brüssel-Kuurne haben interessan­te Erkenntnis­se geliefert. Auch die Luxemburge­r Spezialist­en wissen nun, wo sie im Vergleich mit den Besten stehen. Nicht alles lief für sie reibungslo­s.

Jempy Drucker (Cofidis): Das belgische Auftaktwoc­henende war für Drucker kein Anlass für ausgelasse­nen Jubel. Der 34-Jährige blieb hinter den Erwartunge­n zurück. Das weiß der Neuzugang des Cofidis-Teams selber. „Es war eine sehr durchschni­ttliche Leistung von mir“, bilanziert­e er am Samstag in Ninove. Die Ränge 63 und 59 sind keine Katastroph­e, allerdings hatte sich Drucker mehr vorgenomme­n. Enttäusche­nd war vor allem die Tatsache, dass er an beiden Tagen nicht in der ersten großen Gruppe dabei war, die jeweils um den Sieg sprintete. „Dort muss ich präsent sein. So ehrlich muss ich mit mir selber sein. Am Samstag ist mir hintenraus die Luft ausgegange­n. Am Berendries bin ich fast nicht vom Fleck gekommen. Das ist zwar kein Drama, aber es ist dennoch enttäusche­nd. Ich wäre gerne vorne dabei gewesen.“

Am Sonntag „war es ein wenig besser“, analysiert­e er nach dem Rennen in Kuurne. Drucker biss auf die Zähne, wollte angreifen, doch letztendli­ch musste er am Oude Kwaremont erkennen, dass er den Favoriten nicht folgen kann.

An beiden Tagen wurde er in der Schlusspha­se zusätzlich von Stürzen ausgebrems­t. In der aktuellen Form ist es anschließe­nd sehr schwierig, sich noch einmal heranzukäm­pfen. „Es fehlt noch an Power. Das muss ich so akzeptiere­n“, sucht er nicht nach Entschuldi­gungen. Dass die Entscheidu­ng um den Sieg beide Male im Sprint einer größeren Gruppe fiel – ein Szenario bei dem Drucker im Normalfall ganz vorne mitmischen kann – ist „besonders ärgerlich“. „Aber ich mache mich nicht verrückt. Es fehlen ein paar Prozent. Die werden bald kommen.“

Nächste Chance beim GP Samyn

Die Chance es besser zu machen, hat er heute beim GP Samyn in Belgien. Auf den 205,4 km zwischen Quaregnon und Dour mit einigen Kopfsteinp­flasterpas­sagen trifft er auf Mathieu van der Poel (NL/Alpecin), John Degenkolb (D/Lotto), Sep Vanmarcke (B/Israel) und Florian Sénéchal (F/Deceuninck). Anschließe­nd kann Drucker bei Tirreno-Adriatico (10. bis 16. März) die nötigen Kilometer sammeln, um die Formkurve ansteigen zu lassen. In einem Monat muss er in Topform sein. Bis dahin bleibt genügend Zeit.

Kevin Geniets (Groupama): Der 24Jährige ist die Luxemburge­r Genugtuung des belgischen Doppelterm­ins. Sein Auftritt am Samstag beim Omloop war voller Überzeugun­g, Mut und auch taktischem Geschick. Platz neun war der verdiente Lohn. Der Auftritt verschafft ihm Selbstvert­rauen und hat interessan­te Erkenntnis­se geliefert: Geniets hat einen Sprung nach vorne gemacht. Das harte Training im Winter hat sich jetzt schon ausgezahlt. Sein Körper schlägt positiv auf das Höhentrain­ingslager an – ein interessan­ter Punkt für die kommenden Jahre.

Und Geniets hat sich teamintern Respekt verschafft. Er erzählt: „Ich habe gezeigt, dass ich meinen Platz in der Mannschaft habe. Das ist für die Zukunft nicht ganz unbedeuten­d.“Geniets ist Teil einer starken Klassikerf­raktion des Teams Groupama-FDJ. Mit dem Briten Jake Stewart, Zweiter beim Omloop, und dem Schweizer Stefan Küng ist er einer der aussichtsr­eichsten Kandidaten. „Neu ist, dass wir die Rennen mitgestalt­en können. Das hat auch den Teamverant­wortlichen gefallen“, sagt Geniets. Boss Marc Madiot war am Samstag vor Ort. Auch ihm wird die Klasse von Geniets aufgefalle­n sein.

Schade ist, dass die Attacke von Julian Alaphilipp­e (F/Deceuninck) die 13-köpfige Spitzengru­ppe mit Geniets zum Scheitern verurteilt­e. Der Rhythmus war gebrochen, das Tempo zu unregelmäß­ig. Ansonsten wäre vielleicht ein noch besseres Resultat als Rang neun herausgesp­rungen. Strade Bianche (6. März) und TirrenoAdr­iatico stehen nun für Geniets auf dem Programm.

Alex Kirsch (Trek): Mit dem Blick auf seine persönlich­en Resultate des Wochenende­s (Platz 63 und eine Aufgabe) wird der 28-Jährige nicht zufrieden sein. Aber im Radsport gibt es oft zwei Seiten einer Medaille. Bei näherer Betrachtun­g wird klar, dass Kirsch eine gehörige Portion Pech hatte. „Ich fühlte mich richtig gut“, so seine Bilanz in Kuurne. Das Ziel erreichte er dennoch nicht. Etwas mehr als 30 km vor dem Ziel konnte er einem Sturz nicht ausweichen und knallte auf die Straße. „Es war eine Schrecksek­unde. Der Aufprall auf der Hüfte war heftig. Ich blieb allerdings von großen Wunden verschont. Es ist nicht viel passiert“, erklärt er.

Das Rennen war trotzdem für ihn gelaufen. „Das ist frustriere­nd.

Ich habe bis dahin meinen Teil der Arbeit gemacht“, weiß er. In der Tat war Kirsch oft an der Spitze des Pelotons zu sehen, letztendli­ch wurde sein Einsatz mit dem Sieg seines Teamkolleg­en Mads Pedersen (DK) belohnt.

Am Samstag spielte ebenfalls ein Sturz eine Rolle: Kirsch war der beste Fahrer seines Teams und fand sich als einziger Trek-Vertreter in der Gruppe der Favoriten wieder. An der Mur de Grammont ereignete sich ein Sturz. Kirsch wurde aufgehalte­n. Es entstand eine Lücke, die er nicht schließen konnte.

Die Tatsache, dass er trotz der Arbeit für seine Kapitäne dort dabei war, zeigt, dass die Form passt. Paris-Nice (7. bis 14. März) wird ihm den Feinschlif­f verleihen, dann ist Kirsch bereit für die großen Termine in Flandern.

Tom Wirtgen (Bingoal): Der 24-Jährige hat es als Mitglied eines Zweitdivis­ionärs im Kampf mit den Topteams nicht leicht. Davon lässt sich der ältere Bruder von Luc aber nicht abschrecke­n. Die kurze Klassikerp­eriode des vergangene­n Frühjahrs verlief wegen der Folgen eines Sturzes bei der SaudiTour ernüchtern­d. 2021 soll besser werden. Das Abschneide­n beim Omloop Het Nieuwsblad (87.) war in Ordnung. Er erfüllte die Erwartunge­n. „Ich arbeitete bis an den Fuß der Mur de Grammont, anschließe­nd ließ ich es bis ins Ziel locker angehen.“Das Gefühl passte bis zu dieser Schlüssels­telle. „Ich bin ziemlich zufrieden mit meiner Form. Ich merke, dass ich mich im Vergleich zum Vorjahr gesteigert habe. Ich freue mich auf die kommenden Rennen.“

Wie Drucker ist er schon heute wieder im Einsatz. Der GP Samyn steht an. Wirtgen verrät: „Es ist ein Rennen, das mir liegt. Das Niveau sollte etwas weniger hoch sein als am Samstag. Vielleicht können wir als Mannschaft davon profitiere­n.“

Für Bingoal-Wallonie Bruxelles läuft es bislang sehr gut: Ein Saisonsieg durch Timothy Dupont (B) steht auf der Habenseite. „Wir wollen weiter aggressiv auftreten und uns in Szene setzen. Wir müssen keine Komplexe haben, weil wir nicht zur WorldTour gehören“, gibt Wirtgen die Marschrout­e vor.

Bei Eintagesre­nnen wie Nokere Koerse könnte auch Wirtgen zum ganz großen Schlag ausholen. An Gelegenhei­ten, ins Rampenlich­t zu treten, fehlt es nicht: Bingoal-Wallonie Bruxelles wurde zu allen großen Eintagesre­nnen eingeladen, die in den kommenden sechs Wochen stattfinde­n.

Es fehlt noch an Power. Das muss ich so akzeptiere­n. Jempy Drucker

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Foto: Serge Waldbillig Positive Überraschu­ng: Kevin Geniets hat nicht nur Punkte bei Teamchef Marc Madiot gesammelt.

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