Zu viel und nicht genug
Alles was rar und teuer ist, weckt Begehrlichkeiten. Das gilt offenbar auch für den CoronaImpfstoff. Ja, die Regierung hat einen nationalen Impfplan erstellt, und ja, man kann die Prioritätenliste hinterfragen. Im Nachhinein kann man auch einwenden, dass die Regierung ganz konkrete Vorgaben an die Krankenhäuser hätte machen müssen, um zu vermeiden, dass es zu unterschiedlichen Auslegungen, wenn nicht gar zu Missbrauch kommt. Auf der anderen Seite hätte man sich aber auch erwarten dürfen, dass die Klinikleitungen verantwortungsbewusst mit der Mangelware Vakzin umgehen.
Es war abzusehen, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei der Impfkampagne kommen würde. Dass sich aber ausgerechnet die Führungsmannschaft einer großen Krankenhausgruppe vorgedrängelt hat, ist ein starkes Stück. Es ist inakzeptabel, dass sich der Verwaltungsratsvorsitzende der Hôpitaux Robert Schuman, Jean-Louis Schiltz, darüber hinaus auch noch störrisch und unbelehrbar mit fadenscheinigen Argumenten in die Opferrolle hineinredet, anstatt den Fehler einfach einzuräumen und sich zu entschuldigen. Indem sie ihre Position ausnutzten, um an den begehrten Impfstoff zu kommen, schaden er und die beiden Vizepräsidenten Michel Wurth und Claude Seywert dem Ansehen der gesamten Krankenhausgruppe.
Mit ihrem Verhalten untergraben sie aber auch ganz generell die nationale Impfstrategie, weil nun der Eindruck entstanden ist, dass es eben doch nicht gerecht zugeht bei der Verteilung. Dass man auch anders mit Problemen umgehen kann, zeigt die Entscheidung des Verwaltungsrats des Centre Hospitalier du Nord.
Die Diskussion kommt zur Unzeit. Denn es geht gerade jetzt darum, die Menschen von der Notwendig der Impfung zu überzeugen. Fakt ist nämlich auch, dass viele Menschen noch immer Bedenken haben. Das gilt auch für das Gesundheitspersonal, das ganz oben auf der Prioritätenliste stand, dessen Impfbereitschaft sich aber in Grenzen hält. Wenn Mitarbeiter von Kliniken und Altersheimen die Impfung verweigern, ist das genau so verantwortungslos wie die Vordrängelei.
Offensichtlich muss das Gesundheitsministerium noch jede Menge Überzeugungsarbeit leisten, nicht nur beim Gesundheitspersonal. Viele Bürger begegnen vor allem dem AstraZeneca-Impstoff mit viel Skepsis. Es ist zwar absolut richtig, dass die Santé die ursprüngliche Priorisierung überarbeitet hat und Jüngere nun vorzeitig geimpft werden, weil das Vakzin für ältere Menschen (noch) nicht zugelassen ist. Doch es darf nicht der Eindruck entstehen, dass das AstraZeneca-Vakzin weniger sicher, schlechter verträglich, und somit nur zweite Wahl ist. Die Verantwortlichen im Gesundheitsministerium, allen voran Ministerin Paulette Lenert, müssen mit den vor allem in den sozialen Medien verbreiteten Vorurteilen aufräumen. Um Vertrauen zu schaffen, müssen sie ganz allgemein die Impfstrategie besser erklären. Sie müssen genau ausführen, wer wann und warum bei den Impfungen an der Reihe ist, sonst fehlt die Akzeptanz.
Viele Menschen haben bei der Impfung noch immer Bedenken.
Kontakt: danielle.schumacher@wort.lu