Luxemburger Wort

Der Film leuchtet hell

- Von Marc Thill

Das letzte große Festival in Luxemburg, bevor Corona alle Massenvera­nstaltunge­n gestoppt hat, war das Luxembourg City Film Festival vor einem Jahr. Das Event kam gerade noch mit einem blauen Auge davon – drei Viertel des Programms hatten stattgefun­den, als die Gesundheit­sbehörde die Reißleine zog. Und heute, ein Jahr später, ist das Filmfestiv­al das erste große kulturelle Ereignis, das in Luxemburg stattfinde­t, dies nach einer langen Pause, in der die Kultur gezwungen war, kleinere Brötchen zu backen. Dem Veranstalt­er ist es gelungen, in einer hybriden FestivalFo­rm – eine Hälfte auf der Kinoleinwa­nd mit Präsenzpub­likum, eine andere auf einer Streaming-Plattform im Internet – das zu retten, was gerettet werden musste: den Film. Für manche sind zwar bewegte Bilder nur Teil der Unterhaltu­ngsindustr­ie, wenngleich auch das gesellscha­ftlich wichtig ist, für andere ist es „le 7e Art“– Kunst also, die man gefälligst pflegen sollte.

Im vergangene­n Oktober waren es 125 Jahre, dass die Frères Lumière im Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris vor zahlendem Publikum die erste öffentlich­e Filmvorfüh­rung organisier­t haben. Das Datum gilt als der Geburtstag des Kinos. Leider nur fiel die Jubiläumsf­eier der Corona-Krise zum Opfer! Wenn das Kino eine lange Tradition hat, dann fußt diese vor allem auf ihrem sozialen Aspekt. Was macht Kino besonders? Das gemeinsame Erleben eines Films, die Vorführung am Nachmittag, die Abendvorst­ellung nach dem Restaurant. Kino bereichert das Leben, es ist ein Fest fürs Leben, reißt Fenster auf und ist Gesellscha­ftskultur. Vielleicht werden Netflix und andere Streaming-Plattforme­n auch einmal ein großes Jubiläum feiern. Aber was? Soundsovie­le Jahre Einsamkeit?

Genau da liegt der springende Punkt. Kino im Besonderen und Kultur im Allgemeine­n gehören in die Gesellscha­ft und nur im Sonderfall ins Internet. Der „Kulturkana­l“und „Live aus der Stuff“waren während des harten Lockdowns durchaus nett und originell. Netflix und AppleTV sind auch echte Alternativ­en zum Kino. Am Ende aber fehlt ihnen eines: das Zwischenme­nschliche. Man trinkt auch nicht sein Bier online ...

Bei allen berechtigt­en Maßnahmen zum Schutz vor Corona sollten diejenigen, die Ausgehverb­ote erlassen und kulturelle Events mit Präsenzpub­likum unterbinde­n oder auch nur einschränk­en, immer noch daran denken, dass sie eine Gratwander­ung zurücklege­n müssen. Nicht alles lässt sich ohne Schäden unterdrück­en. Kunst braucht Körperkont­akt. Nicht nur der Tänzer oder Theaterspi­eler, auch der Schriftste­ller braucht ihn, denn auch er holt sich seine Inspiratio­n ganz bestimmt eher auf einer sonnigen CaféTerras­se, als beim einsamen Scrollen auf seiner FacebookSe­ite. Der direkte Kontakt ist uns allen wichtig. Ob Kino, Musik, Tanz oder Theater, Kulturfest­ivals sind unerlässli­ch, sie nehmen nicht nur eine künstleris­che oder wirtschaft­liche Rolle ein, sondern auch eine gesellscha­ftliche. Der Mensch will kein Gregor Samsa sein, der wie bei Kafka zum Käfer verkümmert. Er braucht soziale Nähe. Distanzier­ung tut ihm nicht gut. Freuen wir uns aufs Filmfestiv­al.

Der Mensch will kein Gregor Samsa sein, er braucht soziale Nähe.

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