Der Film leuchtet hell
Das letzte große Festival in Luxemburg, bevor Corona alle Massenveranstaltungen gestoppt hat, war das Luxembourg City Film Festival vor einem Jahr. Das Event kam gerade noch mit einem blauen Auge davon – drei Viertel des Programms hatten stattgefunden, als die Gesundheitsbehörde die Reißleine zog. Und heute, ein Jahr später, ist das Filmfestival das erste große kulturelle Ereignis, das in Luxemburg stattfindet, dies nach einer langen Pause, in der die Kultur gezwungen war, kleinere Brötchen zu backen. Dem Veranstalter ist es gelungen, in einer hybriden FestivalForm – eine Hälfte auf der Kinoleinwand mit Präsenzpublikum, eine andere auf einer Streaming-Plattform im Internet – das zu retten, was gerettet werden musste: den Film. Für manche sind zwar bewegte Bilder nur Teil der Unterhaltungsindustrie, wenngleich auch das gesellschaftlich wichtig ist, für andere ist es „le 7e Art“– Kunst also, die man gefälligst pflegen sollte.
Im vergangenen Oktober waren es 125 Jahre, dass die Frères Lumière im Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris vor zahlendem Publikum die erste öffentliche Filmvorführung organisiert haben. Das Datum gilt als der Geburtstag des Kinos. Leider nur fiel die Jubiläumsfeier der Corona-Krise zum Opfer! Wenn das Kino eine lange Tradition hat, dann fußt diese vor allem auf ihrem sozialen Aspekt. Was macht Kino besonders? Das gemeinsame Erleben eines Films, die Vorführung am Nachmittag, die Abendvorstellung nach dem Restaurant. Kino bereichert das Leben, es ist ein Fest fürs Leben, reißt Fenster auf und ist Gesellschaftskultur. Vielleicht werden Netflix und andere Streaming-Plattformen auch einmal ein großes Jubiläum feiern. Aber was? Soundsoviele Jahre Einsamkeit?
Genau da liegt der springende Punkt. Kino im Besonderen und Kultur im Allgemeinen gehören in die Gesellschaft und nur im Sonderfall ins Internet. Der „Kulturkanal“und „Live aus der Stuff“waren während des harten Lockdowns durchaus nett und originell. Netflix und AppleTV sind auch echte Alternativen zum Kino. Am Ende aber fehlt ihnen eines: das Zwischenmenschliche. Man trinkt auch nicht sein Bier online ...
Bei allen berechtigten Maßnahmen zum Schutz vor Corona sollten diejenigen, die Ausgehverbote erlassen und kulturelle Events mit Präsenzpublikum unterbinden oder auch nur einschränken, immer noch daran denken, dass sie eine Gratwanderung zurücklegen müssen. Nicht alles lässt sich ohne Schäden unterdrücken. Kunst braucht Körperkontakt. Nicht nur der Tänzer oder Theaterspieler, auch der Schriftsteller braucht ihn, denn auch er holt sich seine Inspiration ganz bestimmt eher auf einer sonnigen CaféTerrasse, als beim einsamen Scrollen auf seiner FacebookSeite. Der direkte Kontakt ist uns allen wichtig. Ob Kino, Musik, Tanz oder Theater, Kulturfestivals sind unerlässlich, sie nehmen nicht nur eine künstlerische oder wirtschaftliche Rolle ein, sondern auch eine gesellschaftliche. Der Mensch will kein Gregor Samsa sein, der wie bei Kafka zum Käfer verkümmert. Er braucht soziale Nähe. Distanzierung tut ihm nicht gut. Freuen wir uns aufs Filmfestival.
Der Mensch will kein Gregor Samsa sein, er braucht soziale Nähe.