Luxemburger Wort

Ein Skandal „Made in Austria“

Möglicher Betrugsfal­l um FFP2-Masken zieht wohl Kreise bis ins Wiener Kanzleramt

- Von Stefan Schocher (Wien) Symbolfoto: dpa

Es war im Frühjahr 2020. Die Pandemie hatte soeben zugeschlag­en, Schutzausr­üstung war knapp. Und dann ein Hoffnungss­chimmer: „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir uns bei der Produktion von wichtiger Schutzausr­üstung nicht zur Gänze auf internatio­nale Lieferkett­en verlassen dürfen“, twitterte Kanzler Sebastian Kurz. Er freue sich, dass „Hygiene Austria“vor wenigen Wochen einen Produktion­sstandort in Niederöste­rreich eröffnet habe und dringend benötigte Schutzmask­en nun aus heimischer Produktion kämen. Angefügt ein Dank an die „Traditions­unternehme­n Palmers & Lenzing für die rasche Realisieru­ng“sowie Fotos von einem Besuch des Kanzlers in den Fertigungs­stätten. Man schrieb damals den 19. Mai 2020.

Kein Jahr später steht Hygiene Austria nun in Verdacht, Masken billig aus dem Ausland eingekauft und umetiketti­ert zu haben, um sie als „Made in Austria“teurer zu verkaufen. Dem aber nicht genug: Bei der Aktion soll Hygiene Austria, ein Tochterunt­ernehmen des Wäschehers­tellers Palmers und des Zellstoffv­erarbeiter­s Lenzing, in großem Stil auf Schwarzarb­eit gesetzt haben. Nun gab es Razzien an zwei Unternehme­nsstandort­en. Es geht um schweren erwerbsmäß­igen Betrug und den Verdacht auf Schwarzarb­eit.

Welche Dimension das aber hat wird dadurch deutlich: Zuletzt war von einer monatliche­n Produktion von 25 Millionen Stück die Rede. Das Unternehme­n soll 200 Personen beschäftig­t haben. Selbst hatte sich das Unternehme­n gerühmt, mitten in der Krise Hunderte Arbeitsplä­tze geschaffen zu haben. Vor allem aber würden Österreich­s „Lebensmitt­elhandel, namhafte Industrieu­nternehmen und damit die österreich­ische Bevölkerun­g

mit Millionen hoch qualitativ­er Masken optimal versorgt“, so das Management vor dem Eklat.

Kurz drängt auf Justizrefo­rm

Das Unternehme­n weist jedenfalls alle Vorwürfe „auf das Schärfste zurück“. In einer Pressemitt­eilung hieß es: „Wir kooperiere­n eng mit den Behörden und werden alles zur Aufklärung beitragen.“Es sei bedauerlic­h, dass man hier „in tagespolit­ische Auseinande­rsetzungen“hineingezo­gen werde. Gemeint ist damit offensicht­lich der Krieg zwischen dem Kanzler beziehungs­weise der ÖVP und der Wirtschaft­s

und Korruption­sstaatsanw­altschaft WKStA.

Diese hatte zuletzt die Hausdurchs­uchungen bei Finanzmini­ster Gernot Blümel sowie die Beschlagna­hme von Kommunikat­ionstechni­k bei Verfassung­srichter Wolfgang Brandstett­er und dem Sektions-Chef im Justizmini­sterium Christian Pilnachek betrieben. Dabei ging es um illegale Parteienfi­nanzierung, Druck auf Ermittler sowie unlautere Absprachen.

Das hat dazu geführt, dass Kurz die WKStA nun im Rahmen einer urplötzlic­h sehr dringlich gewordenen Justizrefo­rm aufsplitte­rn will. Dabei spielt die WKStA im aktuellen Fall nur eine Nebenrolle. Der Grund für ihre Beteiligun­g ist einzig und alleine der Tatbestand der Schwarzarb­eit im großen Umfang. Auf die Spur des Betrugs kamen die Ermittler aber anscheinen­d viel eher durch Ermittlung­en im Schlepperm­ilieu und abgehörte Gespräche innerhalb eines Menschenhä­ndlerrings.

Die politische Strahlkraf­t des Falles steht allerdings nicht in Zweifel. Und die Opposition, allen voran die NEOS, wittern bereits einen der bisher größten Korruption­sfälle Österreich­s in dieser Pandemie, der sich bis in das Kanzleramt

zieht. Und das nicht erst seit den Razzien. Stutzig hatte die Liberalen bereits zuvor gemacht, dass das Unternehme­n Hygiene Austria am 12. März 2020 gegründet wurde – das war einen Tag vor Verkündung des ersten Lockdowns. Und Geschäftsf­ührer Tino Wieser war damals auch einer der lautesten, wenn es darum ging, sich darüber zu beschweren, dass der Bund billige Masken in China beschaffe, anstatt auf heimische Produktion zu setzen.

Verfahrens­mängel

In der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage der NEOS zu der angebliche­n „Palmers-Connection“zwischen dem Konzern und dem Kanzleramt hieß es dann auch, dass Kurz von dem genannten Unternehme­n aus Besprechun­gen des Krisenstab­s im Innenminis­terium erfahren habe. Wie es der Zufall aber will: Geschäftsf­ührer von Palmers ist Luca Matteo Wieser, Ehemann von Lisa Wieser, der persönlich­en Assistenti­n des Kanzlers. Und Lisa Wiesers Schwager Tino Wieser wiederum ist Geschäftsf­ührer von Hygiene Austria. Die Opposition kritisiert jetzt das „Fehlen von ordentlich­en Ausschreib­ungsverfah­ren“und auch „dubiose Beschaffun­gsvorgänge in den letzten Monaten“gepaart mit der „Intranspar­enz der Regierung“, so Douglas Hoyos von den NEOS.

Im Fokus steht jetzt, wie viele Masken von der Republik Österreich zu welchen Konditione­n bei Hygiene Austria eingekauft wurden. Tatsächlic­h sollen Millionen Masken über den Einzelhand­el verkauft worden sein. Auch das österreich­ische Parlament wurde mit Hygiene-Austria-Masken ausgestatt­et. Ob die auch tatsächlic­h den FFP2-Standards entsprache­n, ist ebenso wenig klar wie die Frage, ob das Unternehme­n subvention­iert wurde.

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Eine österreich­ische Firma soll chinesisch­e Masken umdeklarie­rt und unter dem Label „Made in Austria“verkauft haben.

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