Ein Skandal „Made in Austria“
Möglicher Betrugsfall um FFP2-Masken zieht wohl Kreise bis ins Wiener Kanzleramt
Es war im Frühjahr 2020. Die Pandemie hatte soeben zugeschlagen, Schutzausrüstung war knapp. Und dann ein Hoffnungsschimmer: „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir uns bei der Produktion von wichtiger Schutzausrüstung nicht zur Gänze auf internationale Lieferketten verlassen dürfen“, twitterte Kanzler Sebastian Kurz. Er freue sich, dass „Hygiene Austria“vor wenigen Wochen einen Produktionsstandort in Niederösterreich eröffnet habe und dringend benötigte Schutzmasken nun aus heimischer Produktion kämen. Angefügt ein Dank an die „Traditionsunternehmen Palmers & Lenzing für die rasche Realisierung“sowie Fotos von einem Besuch des Kanzlers in den Fertigungsstätten. Man schrieb damals den 19. Mai 2020.
Kein Jahr später steht Hygiene Austria nun in Verdacht, Masken billig aus dem Ausland eingekauft und umetikettiert zu haben, um sie als „Made in Austria“teurer zu verkaufen. Dem aber nicht genug: Bei der Aktion soll Hygiene Austria, ein Tochterunternehmen des Wäscheherstellers Palmers und des Zellstoffverarbeiters Lenzing, in großem Stil auf Schwarzarbeit gesetzt haben. Nun gab es Razzien an zwei Unternehmensstandorten. Es geht um schweren erwerbsmäßigen Betrug und den Verdacht auf Schwarzarbeit.
Welche Dimension das aber hat wird dadurch deutlich: Zuletzt war von einer monatlichen Produktion von 25 Millionen Stück die Rede. Das Unternehmen soll 200 Personen beschäftigt haben. Selbst hatte sich das Unternehmen gerühmt, mitten in der Krise Hunderte Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Vor allem aber würden Österreichs „Lebensmittelhandel, namhafte Industrieunternehmen und damit die österreichische Bevölkerung
mit Millionen hoch qualitativer Masken optimal versorgt“, so das Management vor dem Eklat.
Kurz drängt auf Justizreform
Das Unternehmen weist jedenfalls alle Vorwürfe „auf das Schärfste zurück“. In einer Pressemitteilung hieß es: „Wir kooperieren eng mit den Behörden und werden alles zur Aufklärung beitragen.“Es sei bedauerlich, dass man hier „in tagespolitische Auseinandersetzungen“hineingezogen werde. Gemeint ist damit offensichtlich der Krieg zwischen dem Kanzler beziehungsweise der ÖVP und der Wirtschafts
und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA.
Diese hatte zuletzt die Hausdurchsuchungen bei Finanzminister Gernot Blümel sowie die Beschlagnahme von Kommunikationstechnik bei Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter und dem Sektions-Chef im Justizministerium Christian Pilnachek betrieben. Dabei ging es um illegale Parteienfinanzierung, Druck auf Ermittler sowie unlautere Absprachen.
Das hat dazu geführt, dass Kurz die WKStA nun im Rahmen einer urplötzlich sehr dringlich gewordenen Justizreform aufsplittern will. Dabei spielt die WKStA im aktuellen Fall nur eine Nebenrolle. Der Grund für ihre Beteiligung ist einzig und alleine der Tatbestand der Schwarzarbeit im großen Umfang. Auf die Spur des Betrugs kamen die Ermittler aber anscheinend viel eher durch Ermittlungen im Schleppermilieu und abgehörte Gespräche innerhalb eines Menschenhändlerrings.
Die politische Strahlkraft des Falles steht allerdings nicht in Zweifel. Und die Opposition, allen voran die NEOS, wittern bereits einen der bisher größten Korruptionsfälle Österreichs in dieser Pandemie, der sich bis in das Kanzleramt
zieht. Und das nicht erst seit den Razzien. Stutzig hatte die Liberalen bereits zuvor gemacht, dass das Unternehmen Hygiene Austria am 12. März 2020 gegründet wurde – das war einen Tag vor Verkündung des ersten Lockdowns. Und Geschäftsführer Tino Wieser war damals auch einer der lautesten, wenn es darum ging, sich darüber zu beschweren, dass der Bund billige Masken in China beschaffe, anstatt auf heimische Produktion zu setzen.
Verfahrensmängel
In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS zu der angeblichen „Palmers-Connection“zwischen dem Konzern und dem Kanzleramt hieß es dann auch, dass Kurz von dem genannten Unternehmen aus Besprechungen des Krisenstabs im Innenministerium erfahren habe. Wie es der Zufall aber will: Geschäftsführer von Palmers ist Luca Matteo Wieser, Ehemann von Lisa Wieser, der persönlichen Assistentin des Kanzlers. Und Lisa Wiesers Schwager Tino Wieser wiederum ist Geschäftsführer von Hygiene Austria. Die Opposition kritisiert jetzt das „Fehlen von ordentlichen Ausschreibungsverfahren“und auch „dubiose Beschaffungsvorgänge in den letzten Monaten“gepaart mit der „Intransparenz der Regierung“, so Douglas Hoyos von den NEOS.
Im Fokus steht jetzt, wie viele Masken von der Republik Österreich zu welchen Konditionen bei Hygiene Austria eingekauft wurden. Tatsächlich sollen Millionen Masken über den Einzelhandel verkauft worden sein. Auch das österreichische Parlament wurde mit Hygiene-Austria-Masken ausgestattet. Ob die auch tatsächlich den FFP2-Standards entsprachen, ist ebenso wenig klar wie die Frage, ob das Unternehmen subventioniert wurde.