Myanmars Junta behält die Oberhand
Unerschrocken protestieren die Demonstranten gegen den Militärputsch – doch die Zahl der Opfer steigt
Als Myanmars Streitkräfte am 1. Februar gegen die Zivilregierung putschten, war in den Städten des Landes kaum Militärpräsenz zu sehen. Es fiel kein einziger Schuss, es floss kein Blut, es gab noch keine Proteste. Der Putsch ging so ruhig und schnell über die Bühne, als wäre es ein beliebiger Tag in Myanmar. Soldaten sicherten einige wichtige Gebäude in den größeren Städten des Landes und standen an großen Kreuzungen. Zunächst nahm das Leben seinen gewohnten Lauf – außer, dass Zivilfreiheiten ausgesetzt wurden und dass die im November zum zweiten Mal gewählte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wieder eine Gefangene der Generäle war.
In dem ersten Monat seit dem Militärcoup ist Myanmar von Protesten heimgesucht worden, wie sie das Land seit Ende der 80er-Jahre nicht mehr gesehen hat.
Die Uniformierten rechneten damit, dass sich der anfängliche Schock in der Bevölkerung schnell legen werde. Doch weit gefehlt. In dem ersten Monat seit dem Militärcoup ist Myanmar von Protesten heimgesucht worden, wie sie das Land seit Ende der 80er-Jahre nicht mehr gesehen hat. Allein am Sonntag kamen bei Massenprotesten gegen die Junta mindestens 18 Menschen ums Leben – die meisten davon in Mandalay. Es war der bislang tödlichste Tag seit dem Putsch. Die Sicherheitskräfte setzen auch scharfe Waffen ein – was Bürgerreporter oftmals mit ihren Kameras von der Straße oder von Wohnungen aus filmen und gleich auf sozialen Medien verbreiten.
Erkennbare Risse im Militärregime Die Proteste, von denen Myanmar in diesen Tagen erfasst wird, sind nicht etwa spontane Aktionen von vereinzelten Regierungsgegnern. Ganze Berufsgruppen stellen sich gegen die Generäle, darunter Krankenhauspersonal und Beamte. Mit oft kilometerlangen Protestzügen ziehen sie in ihren Uniformen durch die Straßen, halten Plakate hoch und skandieren Rufe gegen die Junta – und für die Freilassung von Aung San Suu Kyi.
Wohl auch viele hohe Regierungsvertreter stehen mit ihrem Gewissen in Konflikt, ob sie sich auf die Seite der Juntagegner schlagen wollen. Auf geradezu spektakuläre Weise verurteilte Myanmars Gesandter bei den Vereinten Nationen, Kyaw Moe Tun, den Coup vergangene Woche. Er forderte die Rückkehr zur Zivilregierung und die Freilassung von Suu Kyi. Die Junta feuerte ihn prompt – doch er sieht sich noch immer im Amt und erhält auch von Washington Unterstützung. Das US-Außenamt lobte Kyaw Moe Tun für dessen „Mut“. Washington, so ein Sprecher, gehe davon aus, dass Myanmars ständiger UN-Vertreter „in seiner Position bleibt“.
Am Sonntag distanzierte sich auch ein erster hoher Polizeibeamter vom aus ihren Wohnungen verschleppt. Neben Härte gegen Demonstranten und scharfer Zensur gehen die Putschisten auch harsch gegen Journalisten vor: Seit Mitte Februar wurden mindestens 25 Medienschaffende verhaftet. Knapp ein Dutzend bleibt in Haft. Sechs Journalisten – darunter einem Reporter der Nachrichtenagentur „Associated Press“– drohen Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Ihr Vergehen? Beim Verrichten ihrer Arbeit hätten sie gegen ein Gesetz zur öffentlichen Ordnung verstoßen.
Keine Angst vor Sanktionen
Derweil schweigen Myanmars regionale Partnerstaaten der südostasiatischen Asean. Wenigstens Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Singapur haben die Freilassung von Suu Kyi gefordert – es sind dies die einzigen halbwegs intakten Demokratien Südostasiens.
Wirtschaftssanktionen fürchten Myanmars Generäle nicht, Isolation sind sie gewohnt und notfalls kann das Land noch immer über die Nordostflanke via China versorgt werden. Peking hat wirtschaftliche Kooperation noch nie an demokratische Prinzipien gebunden.
Wenn dieses Militärregime an der Macht bleibt, werden wir in den nächsten 20 oder 25 Jahren nicht erreichen, was wir wollen. Wir werden alles verlieren. Tin Min Tun, Ex-Polizeimajor