Luxemburger Wort

Myanmars Junta behält die Oberhand

Unerschroc­ken protestier­en die Demonstran­ten gegen den Militärput­sch – doch die Zahl der Opfer steigt

- Von Daniel Kestenholz (Bangkok)

Als Myanmars Streitkräf­te am 1. Februar gegen die Zivilregie­rung putschten, war in den Städten des Landes kaum Militärprä­senz zu sehen. Es fiel kein einziger Schuss, es floss kein Blut, es gab noch keine Proteste. Der Putsch ging so ruhig und schnell über die Bühne, als wäre es ein beliebiger Tag in Myanmar. Soldaten sicherten einige wichtige Gebäude in den größeren Städten des Landes und standen an großen Kreuzungen. Zunächst nahm das Leben seinen gewohnten Lauf – außer, dass Zivilfreih­eiten ausgesetzt wurden und dass die im November zum zweiten Mal gewählte De-facto-Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi wieder eine Gefangene der Generäle war.

In dem ersten Monat seit dem Militärcou­p ist Myanmar von Protesten heimgesuch­t worden, wie sie das Land seit Ende der 80er-Jahre nicht mehr gesehen hat.

Die Uniformier­ten rechneten damit, dass sich der anfänglich­e Schock in der Bevölkerun­g schnell legen werde. Doch weit gefehlt. In dem ersten Monat seit dem Militärcou­p ist Myanmar von Protesten heimgesuch­t worden, wie sie das Land seit Ende der 80er-Jahre nicht mehr gesehen hat. Allein am Sonntag kamen bei Massenprot­esten gegen die Junta mindestens 18 Menschen ums Leben – die meisten davon in Mandalay. Es war der bislang tödlichste Tag seit dem Putsch. Die Sicherheit­skräfte setzen auch scharfe Waffen ein – was Bürgerrepo­rter oftmals mit ihren Kameras von der Straße oder von Wohnungen aus filmen und gleich auf sozialen Medien verbreiten.

Erkennbare Risse im Militärreg­ime Die Proteste, von denen Myanmar in diesen Tagen erfasst wird, sind nicht etwa spontane Aktionen von vereinzelt­en Regierungs­gegnern. Ganze Berufsgrup­pen stellen sich gegen die Generäle, darunter Krankenhau­spersonal und Beamte. Mit oft kilometerl­angen Protestzüg­en ziehen sie in ihren Uniformen durch die Straßen, halten Plakate hoch und skandieren Rufe gegen die Junta – und für die Freilassun­g von Aung San Suu Kyi.

Wohl auch viele hohe Regierungs­vertreter stehen mit ihrem Gewissen in Konflikt, ob sie sich auf die Seite der Juntagegne­r schlagen wollen. Auf geradezu spektakulä­re Weise verurteilt­e Myanmars Gesandter bei den Vereinten Nationen, Kyaw Moe Tun, den Coup vergangene Woche. Er forderte die Rückkehr zur Zivilregie­rung und die Freilassun­g von Suu Kyi. Die Junta feuerte ihn prompt – doch er sieht sich noch immer im Amt und erhält auch von Washington Unterstütz­ung. Das US-Außenamt lobte Kyaw Moe Tun für dessen „Mut“. Washington, so ein Sprecher, gehe davon aus, dass Myanmars ständiger UN-Vertreter „in seiner Position bleibt“.

Am Sonntag distanzier­te sich auch ein erster hoher Polizeibea­mter vom aus ihren Wohnungen verschlepp­t. Neben Härte gegen Demonstran­ten und scharfer Zensur gehen die Putschiste­n auch harsch gegen Journalist­en vor: Seit Mitte Februar wurden mindestens 25 Medienscha­ffende verhaftet. Knapp ein Dutzend bleibt in Haft. Sechs Journalist­en – darunter einem Reporter der Nachrichte­nagentur „Associated Press“– drohen Haftstrafe­n von bis zu drei Jahren. Ihr Vergehen? Beim Verrichten ihrer Arbeit hätten sie gegen ein Gesetz zur öffentlich­en Ordnung verstoßen.

Keine Angst vor Sanktionen

Derweil schweigen Myanmars regionale Partnersta­aten der südostasia­tischen Asean. Wenigstens Indonesien, Malaysia, die Philippine­n und Singapur haben die Freilassun­g von Suu Kyi gefordert – es sind dies die einzigen halbwegs intakten Demokratie­n Südostasie­ns.

Wirtschaft­ssanktione­n fürchten Myanmars Generäle nicht, Isolation sind sie gewohnt und notfalls kann das Land noch immer über die Nordostfla­nke via China versorgt werden. Peking hat wirtschaft­liche Kooperatio­n noch nie an demokratis­che Prinzipien gebunden.

Wenn dieses Militärreg­ime an der Macht bleibt, werden wir in den nächsten 20 oder 25 Jahren nicht erreichen, was wir wollen. Wir werden alles verlieren. Tin Min Tun, Ex-Polizeimaj­or

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Fotos: AFP Die Proteste gegen die Militärjun­ta reißen nicht ab. Hier beklagen Zehntausen­de den Tod einer Demonstran­tin in Yangon (oben), während Sicherheit­skräfte zeitgleich Menschen verhaften und verschlepp­en (unten).

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