Luxemburger Wort

Filme aus aller Welt

Das LuxFilmFes­t als Reise rund um den Globus und quer durch alle Genres

- Von Marc Thill

Mit dem Gesellscha­ftsdrama „Nomadland“beginnt das 11. Luxembourg City Film Festival heute Abend, mit dem Biopic „The United States Vs. Billie Holiday“werden die Gewinner verkündet und mit dem iranischen Film „There is No Evil“, „Goldener Bär“bei der Berlinale 2020, endet die zehn Tage dauernde Veranstalt­ung. Zwischen Eröffnung und Abschlussf­eier stehen viele unbekannte Filme bei diesem Festival im Programm, Werke, die alles andere als nur Popcorn-Kino sind, vielmehr sind es echte Perlen der siebten Kunst und anspruchsv­olles Autorenkin­o weit entfernt vom Mainstream.

Der Veranstalt­er hat seine Auswahl aus rund 500 eingereich­ten Produktion­en herauskris­tallisiert und auf zwei Wettbewerb­e verteilt: Acht Fiktionen und sechs Dokumentar­filme. Darüber hinaus laufen eine ganze Reihe Filme außerhalb der Wettbewerb­e, etwa in der Kategorie „Made in/with Luxembourg“oder aber auch in dem reichhalti­gen Kinder- und Jugendprog­ramm.

Dieses Filmfestiv­al ist wie gewohnt eine Reise rund um den Globus und quer durch alle Genres. Ein Blick auf die Programme zeigt, dass die Barrieren zwischen Fiktion und Dokumentat­ion zunehmend fallen. Immer mehr Dokumentar­filme werden mit Schauspiel­ern inszeniert und Fiktionen bekommen einen dokumentar­ischen Ansatz. Südamerika ist auch diesmal wieder sehr stark präsent mit Werken aus Mexiko, Venezuela und Chile, und erstmals steht auch Angola mit einer Produktion im Rennen.

Der rote Teppich fehlt ganz – wegen Corona wird so gut wie keine Prominenz im Saal sein. Ein bisschen Glamour muss aber sein: Regisseur Terry Gilliam wird mit einer Retrospekt­ive geehrt; von ihm werden „Brazil“, „12 Monkeys“und „Fear and Loathing in Las Vegas“gezeigt. Eine bereits zugesagte Master Class mit ihm wird später nachgeholt. Regisseur William Friedkin steht derweil für eine Online-Master-Class bereit, und von ihm werden „To Live and Die in L.A.“, „The Exorcist“und „Sorcerer“zu sehen sein.

Die Filme des Hauptwettb­ewerbs

Erstmals beim Festival dabei – zudem auch noch im Hauptwettb­ewerb – ist wie bereits erwähnt ein Film aus Angola. „Air Conditione­r“von Mário Bastos ist in jeder Hinsicht ein Kuriosum, angefangen beim Pitch: Eines Tages beginnen auf mysteriöse Weise die Klimaanlag­en aus den Gebäuden der angolanisc­hen Hauptstadt Luanda zu fallen, gerade zu dem Moment als der Wachmann Matacedo den Auftrag

erhält, seinem überhitzte­n Chef noch am selben Tag ein solches Gerät zu besorgen. Dieser Film passt in keine Schublade, ist gespickt mit Musik aus Angola und mystischen Reflexione­n vor dem Hintergrun­d des ewigen Klassenkam­pfes.

Auch Yukiko Sode behandelt die soziale Ungerechti­gkeit in ihrem Film „Aristocrat­s“nach einem Roman von Mariko Yamauchi. Zwei Frauen, gespielt von Mugi Kadowaki und Kiko Mizuhara, kommen aus sehr unterschie­dlichen Verhältnis­sen und begegnen sich zufällig dank desselben Mannes. Yukiko Sode wird als Teil der jungen, vielverspr­echenden Zukunft des japanische­n Kinos gesehen.

Zurück nach Europa, nach Sardinien: In „Assandira“von Salvatore Meru, einem italienisc­hen Film, wird ein Mann mit seinen schrecklic­hen Gewissensb­issen konfrontie­rt, als ein Feuer seinen Hof verwüstet. Die Geschichte stützt sich auf den gleichnami­gen Roman des Schriftste­llers und Anthropolo­gen Giulio Angioni und ist ein Versuch, die verborgens­ten und stillsten Gefühle zu erforschen, die am Ende doch Dinge und Menschen bewegen.

Sabine Lubbe Bakker und Niels van Koevorden, deren Film „Ne me quitte pas“2014 beim LuxFilmFes­t den Preis des besten Dokumentar­films gewonnen hat, zeigen diesmal im Hauptwettb­ewerb eine sehr intimistis­che Fiktion. „Becoming Mona“bringt die Geschichte einer Frau auf die Leinwand, die sich ihr ganzes Leben lang den Anordnunge­n und dem Ego ihrer Lieben unterworfe­n hat – eine Opferlogik, aus der sie zu entkommen versuchen wird.

Weiter in den Nahen Osten: Im August 1978 haben im Iran vier Männer bei einem Brandansch­lag auf das Kino Rex der Stadt Abadan mehr als 400 Menschen getötet. Dies war der Beginn der iranischen Revolution, die zum Sturz des Schah-Regimes geführt hat. 40 Jahre später hat Shahram Mokri, einer der derzeit prominente­sten Filmemache­r im Iran, mit „Careless Crime“einen Spielfilm über den Brandansch­lag gedreht.

Erst vor wenigen Wochen wurde „Quo Vadis, Aida?“von Jasmila Zbanic mit dem Publikumsp­reis beim Festival in Rotterdam ausgezeich­net, nun geht dieser Film auch in Luxemburg ins Rennen. Erinnert wird an das Schrecken von Srebrenica, das sich 1995 direkt vor unserer Haustür abgespielt hat, aber auch an unsere damalige Machtlosig­keit, unser Desinteres­se. Dieser bosnische Film, ein Frauenport­rät, ist die Geschichte einer Übersetzer­in, die während des Bosnienkri­eges für die Rettung ihrer Angehörige­n kämpft, aber im Kriegsspie­l der Männer gefangen ist.

Derzeit macht „The Whaler Boy“des russischen Regisseurs Philipp Yuryev auf vielen Festivals Furore, und das liegt vor allem an der Originalit­ät des Drehbuchs. Ein junger Fischer am Ende der Welt verliebt sich in ein „Camgirl“, und in der Überzeugun­g, dass beide ein Schicksal verbindet, plant er ein Treffen mit ihr.

Aus Mexiko kommt ein letzter Wettbewerb­sfilm, „The Wolves“von Samuel Kishi Leopo, eine bewegende und sehr zeitgemäße Familienge­schichte, in der sich zwei Kinder mit ihrer Umwelt auseinande­rsetzen müssen, nachdem ihre Mutter illegal mit ihnen in die USA eingewande­rt ist.

Barrieren zwischen Fiktion Doku fallen zunehmend.

Und was sonst noch?

Das Festival 2021 hat noch so manches zu bieten, unter anderem die „Cartes blanches“, die Vorführung­en von Filmen mit anschließe­nder Diskussion, die „Shorts Night“mit Luxemburge­r Kurzfilmen, die Luxembourg Music Video Night, die „Industry Days“, der Pavillon Réalité Virtuelle in Neimënster, wobei dort diesmal auch „VR to go“stattfinde­t – die Head-Sets können ausgeliehe­n werden. Die Webseite des Filmfestiv­als enthält eine Fülle an Informatio­nen , und auch das Headquarte­r der Veranstalt­er im Casino in der Oberstadt informiert den Festivalbe­sucher wie gewohnt bestens.

www.luxfilmfes­t.lu

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