Sechs Dokumentarfilme, die berühren
Geschichten aus dem Leben und über Probleme der Gesellschaft
Festival-Stammgäste werden sich vielleicht an den syrischen Filmregisseur Qutaiba Barhamji erinnern, der 2019 am Dokumentarfilm „Still Recording“mitgewirkt hat. In diesem Jahr kehrt er mit „Gevar's Land“zurück, einem einfühlsamen Porträt einer Familie syrischer Flüchtlinge, die in einem assoziativen Garten in Reims arbeiten. Es ist eine mehr als offensichtliche Metapher für Verwurzelung, die diesmal das Lineup im Wettbewerb um den besten Dokumentarfilm eröffnen wird. Noch fünf weitere Dokumentarfilme sind im Rennen.
Sieben Jahre lang hat der Schweizer Thomas Imbach durch ein Fenster gefilmt und seine Doku nach der griechischen Rachegöttin Nemesis benannt. Mit „Nemesis“dokumentiert er über mehrere Jahre hinweg die Zerstörung des Züricher Bahnhofs, der einem Gefängnis weichen wird.
In Venezuela bereitet sich das Dorf Congo Mirador am Maracaibo-See auf turbulente Parlamentswahlen vor. Mit „Once Upon A Time In Venezuela“folgt die Regisseurin Anabel Rodríguez Ríos dem Leben des vom sinkenden Wasser bedrohten Dorfes auf Stelzen. Sieben Jahre lang hat sie an diesem Film gearbeitet.
Ein kleines Fleckchen Deutschland, entstanden inmitten der Natur im Süden Chiles, das einst als idyllisch galt. Die Colonia Dignidad, gegründet von einem ehemaligen Nazi, war auch ein Ort der Folter und des sexuellen Missbrauchs. Obwohl sich bereits mehrere Spiel- und Dokumentarfilme hiermit beschäftigt haben, so auch der in Luxemburg koproduzierte Spielfilm mit Emma Watson und Daniel Brühl von Iris Productions, richten Estephan Wagner und Marianne Hougen-Moraga nochmals die Kamera nach Chile. In „Songs of Repression“lassen sie die Opfer der Kolonie sprechen, in der heute noch 120 Menschen leben.
Der Trend geht nach wie vor zum Familiendokumentarfilm. Aber nur wenige Filmemacher haben es geschafft, dieses Genre mit so viel Einfallsreichtum und Poesie anzupacken wie die portugiesische Regisseurin Catarina Vasconcelos. Ihr Werk „The Metamorphosis of Birds“spielt mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Narrationsformen, um Erinnerungen
an ihre Vorfahren wach zu halten. Diese Doku-Fiktion ist wie ein mehrstimmiges Tagebuch aufgebaut. Dabei hat sich die Regisseurin an den Filmen des großen portugiesischen Filmemachers Manoel de Oliveira inspiriert.
Sprache und Form des Film noir hat sich „The Mole Agent“zugelegt, und deshalb ist es vielleicht etwas schwierig zu akzeptieren, dass diese chilenische Produktion von Maite Alberdi auch ein Dokumentarfilm ist. Sie ist aber und obendrauf gleichermaßen authentisch und berührend. Der Film erzählt von einem 83-jährigen pensionierten Witwer, der von einem Detektiv angeworben wird, für eine geheime Mission in einem Altenheim. Die Filmemacherin folgt ihm mit der Kamera. mt