„Keine Sekunde gezögert“
Catarina Fernandes, Krankenpflegerin und Erstgeimpfte gegen Covid-19, gibt Einblick in ihren Alltag
Vor zwei Monaten wurde in Luxemburg mit dem Impfen gegen Covid-19 begonnen. Kaum ein Gesicht ist in diesem Zusammenhang öfter zu sehen gewesen, als jenes von Catarina Fernandes: Sie war die erste Person, die unter großem Presseaufgebot in der VictorHugo-Halle in Luxemburg-Limpertsberg ihre Spritze bekam. Mit dem LW spricht die Leiterin der Pflegestation am nationalen Zentrum für infektiöse Krankheiten im Centre hospitalier de Luxembourg über ihre Erfahrungen mit der Impfung und der Pandemie.
Catarina Fernandes, was hat sich für Sie in den vergangenen zwei Monaten verändert?
Um es ehrlich zu sagen, nicht sehr viel. Unser Alltag ist nach wie vor geprägt von den zahlreichen Patienten, um die wir uns kümmern müssen. Gott sei Dank haben wir im Laufe der vergangenen Monate viel dazugelernt. Das erleichtert uns die Arbeit um einiges.
Um welche Erkenntnisse handelt es sich dabei?
Im Nachhinein betrachtet war unser größter Fehler, dass wir zu einem Zeitpunkt aufgehört haben, Patienten aufzunehmen, die andere Krankheiten hatten oder operiert werden mussten. Aber damals hatten wir mit einem unbekannten Virus zu kämpfen, von dem keiner so richtig wusste, was auf uns zukommt.
Sie sind auf infektiöse Krankheiten spezialisiert, worin bestand denn der große Unterschied?
Wissen Sie, wenn Sie es mit einem Fall von Malaria zu tun haben oder auch Ebola, dann ist eindeutig festgelegt, welche Therapiemaßnahmen
zu ergreifen sind. Hier war es das Unbekannte, was ja auch heute noch zu einem großen Teil so ist, das uns das Leben schwer machte. Und dann darf man eines nicht vergessen: Auch wenn wir zwar darin ausgebildet sind, wie man mit einer Viruskrankheit umgeht, so hat von uns allen noch niemand eine Pandemie erlebt.
Wie haben Sie sich denn im Alltag organisiert?
Eine der größten Herausforderungen war es sicherlich, Kollegen und Kolleginnen aus den anderen Bereichen in kürzester Zeit auf die Besonderheiten der Infektionsabteilung umzuschulen. In normalen Zeiten haben wir 17 Betten, aber in Zwischenzeit hat sich das bei etwa 50 eingependelt. Dafür braucht es entsprechend mehr ausgebildetes Personal. Ich bin sehr stolz, sagen zu können, dass trotz der immensen Belastung für das Personal bisher noch niemand seine Versetzung beantragt oder gar gekündigt hat.
Und Sie persönlich, wie kommen Sie mit der Situation klar?
Als Krankenschwester ist man einiges gewöhnt. Ich muss aber zugeben, dass es einem schwer zusetzt, wenn man miterlebt, wie enge Verwandte keinen Abschied von Sterbenden nehmen können, weil aufgrund der Ansteckungsgefahr kein Kontakt möglich ist. Wir sind ja auch nur Menschen. Und wenn ich dann eine Runde an der frischen Luft mache, um mich von solch emotionalen Momenten zu erholen, und draußen eine Gruppe von Jugendlichen sehe, die ohne jeglichen Schutz dicht beieinander stehen, fällt mir dazu nichts mehr ein.
Nun sind Sie ja bekannt geworden als die erste Person, die hierzulande geimpft worden ist. Können Sie schildern, wie das war?
Also eins ist klar: Ich bin von Anfang an regelmäßig getestet worden und das Ergebnis war immer negativ. Als ich erfahren habe, dass ein Impfstoff verfügbar war, habe ich aber keine Sekunde gezögert und mich sofort für eine Impfung gemeldet. Nach der zweiten Injektion hatte ich mit Schlappheit zu kämpfen, aber nach einer guten Nacht Schlaf war nichts mehr zu spüren. Solche Nebeneffekte sind im Grunde genommen eine tolle Sache, denn sie zeigen Ihnen, dass Ihr Körper dabei ist, die Abwehrkräfte aufzubauen.
Welchen Ratschlag wollen Sie anderen Menschen mit auf den Weg geben?
Ich sehe deren zwei: Zum einen gilt es, für die physische Gesundheit, sich an die geltenden Einschränkungen mit genügend Abstand zu anderen Menschen zu halten. Zum anderen sollte man sich für das psychische Gleichgewicht damit abfinden, dass die aktuelle Situation die neue Normalität ist. Es macht keinen Sinn, darauf zu beharren, dass es wieder so werden soll, wie es einmal war. Das führt nur zu Frustration. Und falls es doch wieder anders wird, umso besser.
Auch wenn wir darin ausgebildet sind, wie man mit einer Viruskrankheit umgeht, so hat von uns noch niemand eine Pandemie erlebt.