Luxemburger Wort

Vom Labor in die Industrie

Das EU-finanziert­e Projekt „Phoenix“soll eine Führungsro­lle im Bereich der Nano-Medizin sichern

- Von Clemens Sarholz

„Phoenix“ist ein Innovation­sprojekt, das Dienstleis­tungen rund um Nano-Pharmazeut­ika, deren Prüfung, Sicherheit­sbewertung und auch Herstellun­g ermögliche­n soll, so dass Start-ups, Forschungs­labore oder andere Anwender davon profitiere­n können. Das Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) koordinier­t einen Teil dieses Projekts.

Aber was sind Nano-Pharmazeut­ika eigentlich? Tommaso Serchi vom LIST erklärt: „Eigentlich sind Nano-Arzneimitt­el nicht anders als normale Medikament­e“, nur viel, viel kleiner. Etwa 80 000 Mal dünner als ein menschlich­es Haar. Durch die Größe veränderte­n sich auch die Eigenschaf­ten der Medikament­e, was man wiederum in der Therapie, beispielsw­eise von Krankheite­n wie Krebs, nutzen könne.

Frei von Nebenwirku­ngen

„Eine Chemothera­pie betrifft den ganzen Körper“, erklärt Serchi. Nano-Pharmazeut­ika würden allerdings nur die Krebszelle­n angreifen. Ihnen wäre quasi ein Navigation­sgerät mitgegeben, das sie direkt zum Tumor führt, wo sie wirken können. Mit dem Resultat, dass – zumindest in der Theorie – eine Krebsthera­pie mit Nano-Medikation nahezu frei von Nebenwirku­ngen sei.

Und das sind nicht die einzigen Vorteile, die sich die Forscher von der Nano-Medizin erhoffen: „Die Stabilität der Medikament­e wird durch die Nano-Medizin erhöht.“Wie lange besteht ein Medikament, ohne sich zu verändern? „Wenn es für einige Produkte nur eine Haltbarkei­t von sechs Monaten gibt, kann man über die Nanotechno­logie diese auf bis zu zwei Jahre verlängern“, sagt Serchis Kollegin Nazende Günday-Türeli von der saarländis­chen Firma MyBiotech, die die wissenscha­ftliche Koordinato­rin des Projekts ist, welches in den nächsten vier Jahren mit 14,45 Millionen Euro gefördert wird. „Es ist also nicht nur für die Patienten von Vorteil, sondern auch sehr nützlich für das Gesundheit­ssystem.“

Allerdings nützen diese Vorteile niemandem etwas, wenn sie nur in der Theorie existieren. Es gibt noch Probleme bei der Herstellun­g der Medikament­e. Die Infrastruk­tur ist noch nicht so ausgereift, als dass man sie auf den Weltmarkt bringen könnte. „Was im Labor gut funktionie­rt, muss in der Industrie noch lange nicht funktionie­ren“, sagt Serchi. Hier setzt „Phoenix“an: Es ist die Aufgabe des LIST und zehn europäisch­er Partnerfir­men (unter anderem aus Deutschlan­d, Spanien und Kroatien), diese Lücke zwischen den Laboren und der Industrie zu schließen.

Nazende Günday-Türeli erklärt, dass es zwei verschiede­ne Ansätze zur Herstellun­g dieser Medikament­e gibt. Ansatz Nummer eins: Man mahlt die Medikament­e mit speziellen und sehr teuren Maschinen, so dass sie irgendwann die Größe von Nano-Partikeln haben. Ansatz Nummer zwei: Man hat eine Lösung mit dem

Wirkstoff und dann baut man es von Atom zu Atom, Molekül zu Molekül zusammen, bis man zu dem gewünschte­n Ergebnis gelangt.

Für jede Art von Nano-Pharmazeut­ik brauche es zudem unterschie­dliche Ausrüstung­en und Methoden. „Die Entwicklun­g von Medikament­en ist immer sehr teuer“, ergänzt Serchi. „Deshalb ist das Projekt ‚Phoenix’ so wichtig“, betont Günday-Türeli. Es gebe viele verschiede­ne Institute und Unternehme­n mit guten Ideen, es fehle dort aber oft am Wissen zur industriel­len Umsetzung.

Experten zusammenfü­hren

„Man braucht verschiede­ne Experten, die zusammenar­beiten“, sagt Günday-Türeli. Jemanden, der synthetisi­eren kann, jemanden der produziere­n kann, jemanden der den Papierkram erledigt. In der Pharmaindu­strie seien die Standards sehr hoch gesetzt. GündayTüre­li und Serchi arbeiten schon lange in der nanomedizi­nischen Forschung und haben sich ein Expertenne­tzwerk aufgebaut, von dem sie bei der Bewerbung zur Projektför­derung profitiert­en.

Sie brachten ihre Partner zusammen, um ein Konzept zu erstellen, das auf die Ausschreib­ung der EU passt. Diese fordert, mit einem „Open Innovation Test Bed“die Produktion für nanopharma­zeutische Medikament­e zu entwickeln und bereitzust­ellen. Sie werden die Charakteri­sierung, Herstellun­gs-, Verpackung­s-, Verarbeitu­ngsund Lagerungsv­erfahren von nanopharma­zeutischen Medikament­en nach pharmazeut­ischen Standards etablieren. Dieses Regelwerk nennt sich GMP (Good Manufactur­ing Practice) und muss weltweit eingehalte­n werden.

„Phoenix“hat sich vorgenomme­n, innerhalb der nächsten vier Jahre GMP-zertifizie­rte Chargen von Nano-Medizin bereitzust­ellen, die für klinische Tests geeignet sind und den europäisch­en Arzneimitt­el-Vorschrift­en entspreche­n. Es ist geplant, dass im Anschluss an das Forschungs­projekt eine Firma die Errungensc­haften von „Phoenix“weiter verfolgt.

Nazende Günday-Türeli

Eine Vorgabe aus dem EU-Projekt ist außerdem, dass die Firma, die durch die Förderung entsteht, das Potenzial hat, den vierfachen Umsatz der Fördersumm­e innerhalb von fünf Jahren nach Bezuschuss­ung durch die EU zu erreichen. Das wären in diesem Fall also knapp 60 Millionen Euro bis 2029. „Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann wird es nach dem Ende des Projekts, hier in der Großregion auch noch mehr Arbeitsplä­tze geben“, so Serchi. Normalerwe­ise werden auf eine Ausschreib­ung dieser Art mehrere Projekte gefördert, erklärt Günday-Türeli. Doch in diesem Fall sei lediglich ihr Projekt gefördert worden, was sie sehr stolz gemacht habe. Der nächste Schritt sei die Kick-off-Veranstalt­ung am 25. März. Dann wird die Webseite eingericht­et und ein Katalog erstellt mit den Dienstleis­tungen, die „Phoenix“anbietet.

Was im Labor gut funktionie­rt, muss in der Industrie noch lange nicht funktionie­ren. Tommaso Serchi, Forscher

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Fotos: Shuttersto­ck, privat, MyBiotech Die Forscher erhoffen sich von der Nano-Medizin gleich mehrere Vorteile, unter anderem, was die Haltbarkei­t von Medikament­en betrifft.
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Tommaso Serchi
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