Feindbild Frau
Mit der Ausstrahlung des Interviews mit Prinz Harry und Herzogin Meghan in der Nacht zum heutigen Montag im US-Fernsehen ist zweifellos viel royales Porzellan zerschlagen worden. Die freigiebige Plauderei mit TalkshowQueen Oprah Winfrey dürfte einer Kriegserklärung mit dem Buckingham Palace gleichkommen. Eine Woche lang hatten knusprige Ausschnitte die Öffentlichkeit angefixt. Besonders auf der britischen Insel lagen die Nerven blank.
Es ist wahrlich keine Liebesgeschichte zwischen der geschiedenen Amerikanerin und den Briten. Wie sagte ein Zuschauer dem Sender BBC am Tag der Hochzeit: „Ich hätte lieber gehabt, Harry hätte eine englische Rose geheiratet.“Meghan Markle ist alles andere als ein blasses Blümchen: Schauspielerin, Feministin, UN-Botschafterin für Frauenrechte, eine Person of Colour, selbstbestimmt, selbstbewusst und gewillt, auch weiterhin ihren eigenen Weg zu gehen.
Das musste schiefgehen.
Meghan wurde zum Lieblingsfeind der britischen Boulevardpresse. Mit sexistischen und rassistischen Untertönen wurde jede Geste, jede Aussage, jeder Wimpernschlag seziert und in den Dreck gezogen. Auch in den sozialen Netzwerken bekam die Neue ihr Fett weg. Manipulativ, arrogant, egozentrisch, berechnend, so lauteten die Beschimpfungen von Internet-Trollen. Kein Wunder, dass die Sussexes nach so viel Anfeindung beschlossen, ein neues Leben auf dem amerikanischen Kontinent aufzubauen.
Meghan ist eine Frau, die stört. Die nicht klein beigibt und die den Raum, der ihr zusteht, auch einfordert. Und die sich wehrt gegen An- und Übergriffe. Die Herzogin steht stellvertretend für Frauen in einer öffentlichen Funktion. Beschimpfungen und Beleidigungen von Personen in einer gesellschaftspolitischen Rolle sind mittlerweile gang und gäbe. Wenn es Frauen betrifft, geht es häufig besonders derb zu. Sie werden als „Schlampen“und „Huren“verunglimpft, ihnen wird sexualisierte Gewalt angedroht. Auch nichtprominente Frauen können in das Visier von gekränkten Ex-Partnern oder Frauenhassern geraten.
Die Entwicklung von sozialen Medien und Internetforen hat die Verrohung der Gesellschaft vorangetrieben und ein Klima der Verachtung besonders von Frauen geschaffen. Auch durch das Internet wurden die Grenzen des Sagbaren verschoben. Unter dem Deckmantel der Anonymität finden Täter den Mut, ihre Opfer einzuschüchtern und mundtot zu machen. Die Gefahr besteht darin, dass der virtuelle Hass sich in Gewalt in der realen Welt ausdrückt.
Es ist längst überfällig, dass die Politik durchgreift und Plattform-Betreiber zur Rechenschaft zieht. Zwar kann der oder die Betroffene Strafanzeige erstatten. Doch das Problem an sich muss die Politik lösen, auch wenn sie dem technologischen Fortschritt notgedrungen hinterherhinkt.
Dies ist nur eine Forderung zum Weltfrauentag, der heute zum 110. Mal begangen wird – und leider noch immer aktuell ist. In der Hoffnung, dass sich die Dinge in den kommenden 110 Jahren zum Besseren wenden und eine gleichberechtigte Welt endlich Realität wird.
Die Entwicklung von sozialen Medien hat die Verrohung der Gesellschaft vorangetrieben.
Kontakt: francoise.hanff@wort.lu