Wall Street wankt zwischen Inflations- und Konjunktursorgen
Prominente Volkswirte sind geteilter Meinung – Vertrauen in die Aktie bleibt
Die Investoren haben Grund zur Sorge: Am Rentenmarkt steigen die Zinsen und der Anstieg des Öl-Preises befeuert die Inflationsängste weiter. Auch ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht und niemand weiß, ob die neuen Impfstoffe auch langfristig Wirkung zeigen werden. Dennoch glauben viele Experten, dass die Stunde der Aktie noch nicht geschlagen hat.
Unsicherheit am Rentenmarkt
Hin- und hergerissen von Wachstums-Optimismus und Inflationssorgen setzte sich im Wochenverlauf dennoch ein positiver Trend durch. Auslöser war zunächst der starke Arbeitsmarktbericht am Freitag: Das sorgte allerdings für Unsicherheit am Rentenmarkt, wo die Verzinsung der zehnjährigen Staatsanleihe bis auf 1,61 Prozent anzog, ehe sich die Gemüter wieder beruhigten. Am Ende der Sitzung notierte der Leitzins bei 1,565 Prozent. Notenbankchef Powell hatte am Donnerstag erneut sein Bekenntnis zur Lockerung der Geldpolitik und zu weiteren Wertpapierkäufen bekräftigt. Doch sagte er kein Wort, das auf ein Eingreifen der Notenbank am Anleihemarkt hingedeutet hätte. Die Frage, auf welchem Niveau langlaufende Renditen die Schmerzgrenze erreicht haben, bleibt damit unbeantwortet. Das Thema dürfte die Märkte in den kommenden Wochen weiter beschäftigen. Verlierer des Renditenanstiegs sind die stark im Nasdaq-Index berücksichtigen Wachstumswerte, wie etwa Tesla. Der Nasdaq verlor im Wochenvergleich 2,1 Prozent. Konjunkturempfindliche Aktien wie Chevron und American Express gaben dem Dow-Jones-Index und dem breiter aufgestellten S&P-Index Auftrieb. Der Dow stieg um 1,8 Prozent und der S&P legte 0,8 Prozent
An der Wall Street setzt sich ein positiver Trend durch.
zu. In der neuen Woche steht Präsident Bidens 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket im Zentrum der Debatte. Sollten die Zinsen aus Angst vor einer Überhitzung oder vor Inflation weiter steigen, könnten die Märkte ins Straucheln geraten, warnt etwa Lawrence Summers, der ehemalige Finanzminister von Präsident Clinton und Wirtschaftsberater von Barack Obama.
Inflationsdruck
Bidens Stimulus könnte einen Inflationsdruck verursachen, „wie wir ihn seit einer Generation nicht mehr gesehen haben, mit Folgen für den Wert des Dollars und die finanzielle Stabilität“, so Summers letzte Woche in einem Gastbeitrag für die Washington Post. Der Nationalökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sieht es anders. Die Inflationswarner lägen daneben, sagte er im Finanzfernsehen CNBC. Sollte wider Erwarten
Inflationsdruck entstehen, könnte sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik sofort gegensteuern. Es sei ein viel größeres Risiko, zu wenig für die Konjunktur zu tun, warnte er. Die Kursgewinne der vergangenen Woche deuten an, dass die Märkte der Einschätzung von Stiglitz Vorrang geben. Der Datenkalender ist diese Woche dünn besiedelt. Am Freitag steht der Erzeugerpreisindex für Februar an. Erwartet wird ein monatlicher Anstieg um 0,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Januar lag der Anstieg bei 1,3 Prozent. Gute Nachrichten liefern weiterhin die USUnternehmen. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege bei der Deutschen Bank, rechnet vor, die Gewinne je Aktie seien im vierten Quartal schneller gestiegen als die entsprechenden Umsatzerlöse. Stephan: „Offensichtlich ist es vielen Firmen gelungen, ihre Effizienz in der Pandemiekrise zu steigern.“
Vielen US-Firmen ist es gelungen, ihre Effizienz in der Pandemie zu steigern. Ulrich Stephan, Deutsche Bank