Duell der Legenden
Lens verliert im französischen Pokal überraschend mit 2:3 beim Drittligisten Red Star
Der RC Lens ist, das kann man ohne Übertreibung sagen, eine Legende des französischen Fußballs. Nicht nur, weil es der wohl einzige Club des Landes ist, der alle Einwohner seiner Heimatstadt Lens (30 000) spielend in sein Stadion einladen könnte (Fassungsvermögen des Stade Bollaert-Delelis: 38 000 Zuschauer). Nicht nur, weil seine Fans durch den erfolgreichsten französischen Film aller Zeiten, „Bienvenue chez les Ch'tis“, unsterblich gemacht wurden. Und nicht nur, weil er im Jahr 1998 die französische Meisterschaft gewann.
Sondern vor allem, weil er in einer von professionellen Investoren geprägten Sportart als Symbol für ehrlichen Fußball steht, der sich auf harte Arbeit und leidenschaftliches Engagement stützt. Lens ist Mittelpunkt des gleichnamigen Kohlebeckens im Nordosten Frankreichs, in dem früher Kumpel aus halb Europa das schwarze Gold aus der Erde holten. „Or et sang“, Gold und Blut sind deshalb die Farben des RC
Lens, der auch nach der Schließung der letzten Zechen die Tradition des Bergarbeiterclubs fortführt.
Lens, auch das kann man ohne Übertreibung sagen, ist in diesem Jahr die Überraschung der Ligue 1 und belegt als Aufsteiger derzeit sensationell den fünften Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der neu geschaffenen Europa Conference League berechtigt. Geheimnis dieses Erfolgs ist vor allem die von Trainer Franck Haise bevorzugte Defensivtaktik, die auf schnelle Konter setzt. Marseille,
Monaco, Paris – sie alle mussten sich schon der disziplinierten und engagierten Spielweise des Aufsteigers beugen. Die Mannschaft hat jedoch Probleme, wenn sie selbst das Spiel gestalten muss, was sich am Samstag im 1/16-Finale des französischen Pokals gegen Red Star erneut zeigte.
Tief verwurzelt
Der Drittligist aus dem Vorort Saint-Ouen-sur-Seine nördlich von Paris ist übrigens seinerseits eine Legende des französischen Fußballs. Nicht nur, da er in den 1920er-Jahren in Pierre Chayriguès einen legendären Torhüter in seinen Reihen hatte, der als der erste französische Fußballstar gilt. Nicht nur, weil er in eben jenen 1920erJahren vier Mal den französischen Pokal gewann.
Sondern vor allem, weil er als einer der letzten Arbeitervereine gilt, tief verwurzelt in der sogenannten Ceinture rouge, dem roten Gürtel aus kommunistisch regierten Pariser Vorstädten. Red Star, das wegen mehrerer Covid19-Fälle in der Mannschaft seit Wochen keine Partie mehr bestritten hatte, machte von Anfang an den frischeren Eindruck und entschied die Begegnung durch zwei späte Tore mit 3:2 für sich.
Am kommenden Wochenende empfängt Lens in der Meisterschaft übrigens Metz, den Tabellennachbarn. Auch die Lothringer sind in dieser Saison eine Überraschung, das kann man ohne Übertreibung sagen.