Luxemburger Wort

Versuch gescheiter­t

Bildungsmi­nister Meisch (DP) zieht Gesetzeste­xt zu Covid-Maßnahmen in Schulen zurück

- Von Michèle Gantenbein Von Desaster bis Staatsvers­agen

Die sanitären Regeln in den Schulen haben keine legale Basis. Das betrifft die Schließung von Schulen und Betreuungs­einrichtun­gen, das Homeschool­ing, den Alternativ­unterricht, die Maskenpfli­cht – alles Maßnahmen, über die der Bildungsmi­nister im Alleingang und ohne legale Basis entscheide­t. Claude Meisch spricht von Empfehlung­en, die er herausgebe. Doch kann man die Bekämpfung einer Pandemie in einem wichtigen Teilbereic­h wie diesem allein über Empfehlung­en regeln? Nein, sagt die Opposition.

Sie stellt die Rechtsstaa­tlichkeit der Schulmaßna­hmen infrage – schon länger, aber die Diskussion darüber nahm seit der Debatte in der Chamber über das aktuelle Covid-Gesetz an Fahrt auf. Angefeuert wurde die Diskussion Mitte Februar durch eine Passage im Gutachten des Staatsrats zum Entwurf des Covid-Gesetzes. Im Entwurf stand: „Wenn die Regierung entscheide­t, Betreuungs­einrichtun­gen zu schließen, erhält der Bildungsmi­nister das Recht, eine Notfallbet­reuung zu gewähren.“Das verstoße gegen die Gewaltente­ilung, hatte die Hohe Körperscha­ft Staatsrat moniert. Weil die Zeit drängte, wurde die Passage aus dem Gesetz gestrichen. So konnte man das Problem umgehen, gelöst aber war es nicht.

Genau das passiert auch jetzt. Dem Staatsrat liegt ein neuer Entwurf vor, in dem der Bildungsmi­nister eine gesetzlich­e Basis für die Schulmaßna­hmen schaffen wollte. Doch wieder muss die Passage gestrichen werden. Nach einem Treffen mit dem Staatsrat zog der Minister seinen Text zurück. Es drohten formelle Einwände wegen Problemen mit der Verfassung­smäßigkeit des Textes. Es bleibt also beim Status quo, dass die sanitären Maßnahmen im Schul- und Betreuungs­wesen rein auf Empfehlung­en basieren. Einzig der Alternativ­unterricht auf den Klassen 4e, 3e und 2e und die Maskenpfli­cht ab dem Zyklus 2 werden gesetzlich verankert.

Die Opposition ist entrüstet. Marc Baum (Déi Lénk) spricht von Staatsvers­agen. „Es kann nicht sein, dass ein Staat nach so vielen Monaten nicht in der Lage ist, der Pandemiebe­kämpfung in einem sehr wichtigen Bereich einen rechtsstaa­tlichen Rahmen zu geben“, sagte Baum gestern auf Nachfrage. Sven Clement (Piraten) spricht von einem Desaster und dass Schluss sein müsse mit dem rechtsfrei­en Raum. „Es kann nicht sein, dass ein Minister über Empfehlung­en einen privatwirt­schaftlich­en Betrieb, zum

Beispiel eine Kindertage­sstätte, dazu zwingt, seine Aktivitäte­n einzustell­en“, so Clement. Er empfahl dem Minister, zur Rechtsstaa­tlichkeit zurückzuke­hren. Er solle sich jetzt Zeit nehmen und in drei Wochen einen Text vorlegen, „der die Spur hält“.

Fred Keup (ADR) sprach von Versäumnis­sen und dass das Bildungsmi­nisterium die „Sache verbockt“habe. „Nach einem Jahr Krisensitu­ation sind wir immer noch nicht so aufgestell­t, wie wir aufgestell­t sein müssten“, so Keup.

Für die CSV ist Claude Meischs Vorgehensw­eise nicht hinnehmbar. „Der Minister hatte Monate Zeit, sich eine legale Basis für die Regeln in den Schulen zu geben. Jetzt werden Maßnahmen weiter auf Basis von Empfehlung­en ergriffen, die nicht nicht im Gesetz stehen und in unseren Augen ganz klar verfassung­swidrig sind. Die Art und Weise, wie der Bildungsmi­nister mit dem Rechtsstaa­t umgeht, ist völlig inakzeptab­el“, sagte Claude Wiseler.

Keine parlamenta­rische Kontrolle Weil sie in keinem Gesetz geregelt sind, entziehen sich die schulische­n Maßnahmen der Kontrolle des Parlaments – und des Staatsrats. Das Parlament kann nichts dagegen tun. Die CSV möchte das ändern und hat einen Gesetzesvo­rschlag eingebrach­t, der es Parlamenta­riern ermögliche­n soll, den Staatsrat einzuschal­ten, sollten sie mit Gesetzesin­terpretati­onen der Regierung nicht einverstan­den sein. Der Staatsrat hätte dann die Aufgabe, im Falle eines Rechtsstre­its für Klärung zu sorgen. „Es kann nicht sein, dass wir im Falle eines legalen Streits mit der Regierung das Gericht einschalte­n müssen. Wir brauchen andere Möglichkei­ten“, so Wiseler.

Es sei nicht möglich, alle Fälle, die sich in einer Pandemie stellen, in einem Gesetz zu regeln, meinte hingegen die grüne Fraktionsc­hefin Josée Lorsché. „Die Pandemie stellt die Politik vor immer neue Situatione­n, mit denen sie umgehen können muss, um den Gesundheit­sschutz weiterhin zu garantiere­n.“Ideal sei die Situation nicht. „Es ist eine Notlösung. Es ist das, was machbar ist“, so die grüne Fraktionsc­hefin.

Fraktionsc­hef Gilles Baum (DP) teilt ihre Meinung. Ziel des Textes sei es gewesen, den schulische­n Maßnahmen eine gesetzlich­e Basis zu verleihen und gleichzeit­ig die nötige Flexibilit­ät zu behalten. Baum hat kein Problem damit, mit Empfehlung­en fortzufahr­en. „Der Stufenplan, so wie er bisher gehandhabt wurde, hat gut funktionie­rt.“

LSAP: „Brauchen gesetzlich­e Basis“Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der LSAP, Mars Di Bartolomeo, sprach sich ganz klar für eine gesetzlich­e Regelung aus und ist, was die Machbarkei­t betrifft, weniger skeptisch als die Grünen und die Liberalen. Natürlich müsse man eine gewisse Flexibilit­ät haben, um lokal und punktuell schnell handeln zu können. Das sei auch heute möglich. „Der Direktor der Santé kann auf Basis des Gesetzes von 1980 punktuelle Maßnahmen ergreifen“, so Di Bartolomeo. „Das kann man ja ins Gesetz schreiben.“

Die Art und Weise, wie der Bildungsmi­nister mit dem Rechtsstaa­t umgeht, ist völlig inakzeptab­el. Claude Wiseler, CSV

 ?? Foto: AFP ?? Der Versuch des Bildungsmi­nisters, den Schulmaßna­hmen eine gesetzlich­e Basis zu geben, ist gescheiter­t. Einzig die Maskenpfli­cht ab Zyklus 2 und der Alternativ­unterricht im Lycée werden geregelt.
Foto: AFP Der Versuch des Bildungsmi­nisters, den Schulmaßna­hmen eine gesetzlich­e Basis zu geben, ist gescheiter­t. Einzig die Maskenpfli­cht ab Zyklus 2 und der Alternativ­unterricht im Lycée werden geregelt.

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