Versuch gescheitert
Bildungsminister Meisch (DP) zieht Gesetzestext zu Covid-Maßnahmen in Schulen zurück
Die sanitären Regeln in den Schulen haben keine legale Basis. Das betrifft die Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen, das Homeschooling, den Alternativunterricht, die Maskenpflicht – alles Maßnahmen, über die der Bildungsminister im Alleingang und ohne legale Basis entscheidet. Claude Meisch spricht von Empfehlungen, die er herausgebe. Doch kann man die Bekämpfung einer Pandemie in einem wichtigen Teilbereich wie diesem allein über Empfehlungen regeln? Nein, sagt die Opposition.
Sie stellt die Rechtsstaatlichkeit der Schulmaßnahmen infrage – schon länger, aber die Diskussion darüber nahm seit der Debatte in der Chamber über das aktuelle Covid-Gesetz an Fahrt auf. Angefeuert wurde die Diskussion Mitte Februar durch eine Passage im Gutachten des Staatsrats zum Entwurf des Covid-Gesetzes. Im Entwurf stand: „Wenn die Regierung entscheidet, Betreuungseinrichtungen zu schließen, erhält der Bildungsminister das Recht, eine Notfallbetreuung zu gewähren.“Das verstoße gegen die Gewaltenteilung, hatte die Hohe Körperschaft Staatsrat moniert. Weil die Zeit drängte, wurde die Passage aus dem Gesetz gestrichen. So konnte man das Problem umgehen, gelöst aber war es nicht.
Genau das passiert auch jetzt. Dem Staatsrat liegt ein neuer Entwurf vor, in dem der Bildungsminister eine gesetzliche Basis für die Schulmaßnahmen schaffen wollte. Doch wieder muss die Passage gestrichen werden. Nach einem Treffen mit dem Staatsrat zog der Minister seinen Text zurück. Es drohten formelle Einwände wegen Problemen mit der Verfassungsmäßigkeit des Textes. Es bleibt also beim Status quo, dass die sanitären Maßnahmen im Schul- und Betreuungswesen rein auf Empfehlungen basieren. Einzig der Alternativunterricht auf den Klassen 4e, 3e und 2e und die Maskenpflicht ab dem Zyklus 2 werden gesetzlich verankert.
Die Opposition ist entrüstet. Marc Baum (Déi Lénk) spricht von Staatsversagen. „Es kann nicht sein, dass ein Staat nach so vielen Monaten nicht in der Lage ist, der Pandemiebekämpfung in einem sehr wichtigen Bereich einen rechtsstaatlichen Rahmen zu geben“, sagte Baum gestern auf Nachfrage. Sven Clement (Piraten) spricht von einem Desaster und dass Schluss sein müsse mit dem rechtsfreien Raum. „Es kann nicht sein, dass ein Minister über Empfehlungen einen privatwirtschaftlichen Betrieb, zum
Beispiel eine Kindertagesstätte, dazu zwingt, seine Aktivitäten einzustellen“, so Clement. Er empfahl dem Minister, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren. Er solle sich jetzt Zeit nehmen und in drei Wochen einen Text vorlegen, „der die Spur hält“.
Fred Keup (ADR) sprach von Versäumnissen und dass das Bildungsministerium die „Sache verbockt“habe. „Nach einem Jahr Krisensituation sind wir immer noch nicht so aufgestellt, wie wir aufgestellt sein müssten“, so Keup.
Für die CSV ist Claude Meischs Vorgehensweise nicht hinnehmbar. „Der Minister hatte Monate Zeit, sich eine legale Basis für die Regeln in den Schulen zu geben. Jetzt werden Maßnahmen weiter auf Basis von Empfehlungen ergriffen, die nicht nicht im Gesetz stehen und in unseren Augen ganz klar verfassungswidrig sind. Die Art und Weise, wie der Bildungsminister mit dem Rechtsstaat umgeht, ist völlig inakzeptabel“, sagte Claude Wiseler.
Keine parlamentarische Kontrolle Weil sie in keinem Gesetz geregelt sind, entziehen sich die schulischen Maßnahmen der Kontrolle des Parlaments – und des Staatsrats. Das Parlament kann nichts dagegen tun. Die CSV möchte das ändern und hat einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der es Parlamentariern ermöglichen soll, den Staatsrat einzuschalten, sollten sie mit Gesetzesinterpretationen der Regierung nicht einverstanden sein. Der Staatsrat hätte dann die Aufgabe, im Falle eines Rechtsstreits für Klärung zu sorgen. „Es kann nicht sein, dass wir im Falle eines legalen Streits mit der Regierung das Gericht einschalten müssen. Wir brauchen andere Möglichkeiten“, so Wiseler.
Es sei nicht möglich, alle Fälle, die sich in einer Pandemie stellen, in einem Gesetz zu regeln, meinte hingegen die grüne Fraktionschefin Josée Lorsché. „Die Pandemie stellt die Politik vor immer neue Situationen, mit denen sie umgehen können muss, um den Gesundheitsschutz weiterhin zu garantieren.“Ideal sei die Situation nicht. „Es ist eine Notlösung. Es ist das, was machbar ist“, so die grüne Fraktionschefin.
Fraktionschef Gilles Baum (DP) teilt ihre Meinung. Ziel des Textes sei es gewesen, den schulischen Maßnahmen eine gesetzliche Basis zu verleihen und gleichzeitig die nötige Flexibilität zu behalten. Baum hat kein Problem damit, mit Empfehlungen fortzufahren. „Der Stufenplan, so wie er bisher gehandhabt wurde, hat gut funktioniert.“
LSAP: „Brauchen gesetzliche Basis“Der gesundheitspolitische Sprecher der LSAP, Mars Di Bartolomeo, sprach sich ganz klar für eine gesetzliche Regelung aus und ist, was die Machbarkeit betrifft, weniger skeptisch als die Grünen und die Liberalen. Natürlich müsse man eine gewisse Flexibilität haben, um lokal und punktuell schnell handeln zu können. Das sei auch heute möglich. „Der Direktor der Santé kann auf Basis des Gesetzes von 1980 punktuelle Maßnahmen ergreifen“, so Di Bartolomeo. „Das kann man ja ins Gesetz schreiben.“
Die Art und Weise, wie der Bildungsminister mit dem Rechtsstaat umgeht, ist völlig inakzeptabel. Claude Wiseler, CSV