„OpenLux“: Briefkastenfirmen im Visier der EU-Kommission
EU-Steuerkommissar Paolo Gentiloni will mit neuen EU-Regeln auf die jüngsten Enthüllungen rund um den Luxemburger Finanzplatz reagieren
Die Kontroverse rund um die „OpenLux“-Enthüllungen, die gezeigt haben, wie Reiche und Multis durch in Luxemburg angebotene Dienste noch immer Steuern sparen, hat im Großherzogtum kaum etwas bewegt. Doch in Brüssel ist die Stimmung eine ganz andere. Eine Debatte über diese Enthüllungen gestern im EU-Parlament hat nämlich gezeigt, dass die EU-Kommission vor hat, die Lücken in der europäischen Gesetzgebung, die aggressive Steuerplanung noch erlauben, zügig zu schließen.
Paolo Gentiloni, der EU-Steuerkommissar, zeigte sich überraschend offensiv und nutzte die Diskussion, um eine lange Serie von geplanten Maßnahmen der EUKommission im Kampf gegen Steuerflucht in Aussicht zu stellen. Am brisantesten klingt dabei die Ankündigung, wonach die Brüsseler Behörde Änderungen in den EU-Anti-Steuervermeidungsregeln
plant, die sogenannte Briefkastenfirmen unter die Lupe nehmen werden. „Wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen“, sagte der ehemalige italienische Premier im EU-Parlament. „OpenLux“, so der Kommissar, sei lehrreich gewesen und habe gezeigt, wie derartige Konstrukte zur Steuervermeidung beitragen. „Briefkastenfirmen – ohne oder mit nur sehr wenig wirtschaftlicher Substanz – können durch Gewinnverlagerungen eine ernsthafte Gefahr für den Binnenmarkt darstellen.“Für Luxemburg könnte dies problematisch werden, da Briefkastenfirmen laut Berechnungen des Internationalen Währungsfonds im Jahre 2018 sechs Prozent des Bruttoinlandproduktes des Landes ausmachten.
„Versagen bei den Kontrollen“Außerdem haben die „OpenLux“Recherchen, so Gentiloni weiter, zahlreiche Unstimmigkeiten im „Registre des bénéficaires effectifs“(RBE) offengelegt. Dieses
Transparenzregister soll die Eigentümer von in Luxemburg ansässigen Firmen offenbaren, doch hätten die Auswertungen der „OpenLux“-Journalisten gezeigt, dass bei etwa der Hälfte der Luxemburg-Gesellschaften die versprochenen Informationen fehlen oder irreführend sind. „Dies ist ein Versagen bei den Kontrollen“, so Gentiloni. Diese Kritik teilt auch Luxemburgs Regierung, die hier nachbessern will. Die vermeintliche Qualität dieses Registers gehörte aber zur zentralen Verteidigungslinie der Regierung, die auch von der Opposition in Luxemburg verinnerlicht wurde. „Bislang haben nicht einmal die Hälfte der Mitgliedstaaten ein Register der wirtschaftlichen Eigentümer eingeführt – und vor allem sind sie nicht unbedingt so gründlich und gratis, wie dies bereits in Luxemburg der Fall ist“, sagte etwa der EU-Abgeordnete Christophe Hansen (CSV).
Luxemburg weiter am Pranger
Doch seine Argumente schafften es kaum, seine Parlamentskollegen zu überzeugen. „Der OpenLux-Skandal beweist das, was jeder schon weiß“, sagte etwa Manon Aubry, die Chefin der EU-Linken: „Luxemburg ist eines der schlimmsten Steuerparadiese der Welt“. Für Sven Giegold, Steuerexperte der EU-Grünen, ist die Lage ebenfalls klar: „Wir haben leere Kassen, es herrscht große Investitionsnot und gleichzeitig bleibt Steuerflucht und aggressive Steuervermeidung im EU-Binnenmarkt erlaubt“. Das müsse sich ändern, so Giegold weiter. Marc Angel, LSAP-Parlamentarier, sah das ähnlich: „Steuergerechtigkeit ist ein wichtiges Thema und die EUMitgliedstaaten
müssen sich selbst den Spiegel vorhalten. Seit den Panamapapers und LuxLeaks hat sich viel getan. Reicht das? Nein!“. Allerdings sei es wichtig, die Debatte nicht auf Luxemburg zu beschränken, so Angel: „Wir würden diese Debatte heute nicht führen, hätte Luxemburg ein Transparenzregister wie manch andere, auch große EU Länder. Am 'race to the bottom' sind nicht nur kleine Mitgliedstaaten Schuld, sondern auch größere Mitgliedstaaten, die dabei mitmachen.“
Paolo Gentiloni sah dies nach der Debatte auch ein. „OpenLux hat gezeigt, wo wir derzeit sind“, schlussfolgerte er mit einem leicht ironischen Unterton. Das Transparenzregister sei nämlich eine Folge einer EU-Richtlinie, die Luxemburg vorbildlich umgesetzt hat. Gleichzeitig zeige dieses Register aber nach der Analyse der Journalisten, die sich an der „OpenLux“-Recherche beteiligt haben, dass „noch sehr viel Transparenz und Arbeit notwendig ist“.
Der OpenLuxSkandal beweist das, was jeder schon weiß. Manon Aubry, Chefin der EU-Linken