Luxemburger Wort

Optimismus als Regierungs­strategie

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hält an seinem riskanten Corona-Kurs fest

- Von Christine Longin (Paris)

Regierungs­sprecher Gabriel Attal wirkt wie ein Staubsauge­rvertreter, der mit viel Enthusiasm­us ein schwaches Produkt verkaufen will. Jede Woche lobt er in der Pressekonf­erenz die Strategie im Umgang mit dem Corona-Virus und stellt Frankreich­s Entwicklun­g im Vergleich zu seinen europäisch­en Nachbarn heraus.

„Unser Land widersteht der Epidemie“, sagte der 31-Jährige gestern. Vergangene Woche war der Chefoptimi­st sogar so weit gegangen, die Rückkehr zu einem „normaleren Leben“im April zu verspreche­n. Dass das, was Attal anpreist, in Wirklichke­it einem Staubsauge­r gleicht, der laut röhrt, zeigt der Blick auf die Statistike­n. Täglich kommen rund 25 000 Neuansteck­ungen und etwa 300 Todesfälle dazu. Die Zahl der Beatmungsp­atienten lag am Dienstag bei 3 918 – der höchste Stand seit Ende November.

Damals war Frankreich in seinem zweiten Lockdown, der Mitte Dezember endete. Seither gilt eine nächtliche Ausgangssp­erre, die schon um 18 Uhr beginnt. In besonders betroffene­n Regionen wie an der Côte d’Azur und Dunkerque an der Grenze zu Belgien herrscht außerdem am Wochenende ein Lockdown, der am Mittwoch noch einmal verlängert wurde. Das ganze Land wieder in ein „confinemen­t“zu schicken, hatte Emmanuel Macron Ende Januar gegen den Rat der Wissenscha­ftler ausgeschlo­ssen.

Regionaler Ansatz

Seither gilt im zentralist­ischen Frankreich ein regionaler Ansatz. Außerdem setzt der Staatschef darauf, mit einem zügigen Impftempo die Pandemie in den Griff zu bekommen. „Solange Ihr Impfstoff im Kühlschran­k liegen lasst, sperre ich die Leute nicht wieder ein“, soll er vergangene Woche angekündig­t haben.

Allerdings hat das renommiert­e Pasteur-Institut in einer Modellieru­ng herausgefu­nden, dass selbst mit Massenimpf­ungen der Kampf gegen die stark ansteckend­e britische Virus-Mutante, die bereits mehr als 60 Prozent aller Fälle ausmacht, nicht gewonnen werden kann. „Die positive Auswirkung der Impfung droht nicht ausreichen­d zu sein, um in den kommenden zwei, drei Monaten die schädliche Wirkung der Varianten auszugleic­hen“, sagte der Modelliere­r Simon Cauchemez der Zeitung „Le Monde“.

Die Immunisier­ung nahm nach einem holprigen Impfstart ohnehin erst am Wochenende an Fahrt auf: Innerhalb von drei Tagen erhielten mehr als eine halbe Million Menschen ihren Piks. Ab kommender Woche soll auch in den Apotheken geimpft werden.

Besonders in Paris, wo sogar über 90-Jährige bisher keine Termine bekamen, geht es plötzlich zügig voran. Das ist allerdings auch dringend nötig, denn in der Hauptstadt­region mit ihren zwölf Millionen Menschen ist die Situation alarmieren­d.

Die Beatmungsb­etten sind dort zu fast 90 Prozent belegt – 30 Prozent mehr als noch vor drei Wochen.

40 Prozent der Operatione­n müssen nun abgesagt werden, um auf den Intensivst­ationen Plätze frei zu machen. Doch auch wenn die Inzidenz in Paris bei 330 Neuansteck­ungen pro 100 000 Einwohnern liegt, steht ein neuer Lockdown dort nicht zur Debatte. Die Frage sei nicht aktuell, sagte Gesundheit­sdirektor Jérôme Salomon am Dienstag.

Vor allem die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo hatte sich gegen eine Ausgangssp­erre am Wochenende gewehrt, die für die Hauptstadt im Gespräch war. „Ein schwierige­r, harter, sogar unmenschli­cher Vorschlag“, sagte die Sozialisti­n. Sie kritisiert­e auch die Evakuierun­g der stark besuchten Seine-Ufer durch die Polizei am Wochenende.

Die 61-Jährige, der Präsidents­chaftsambi­tionen nachgesagt werden, versucht in der Corona-Krise an Profil zu gewinnen. Auch Macron hat bei seinen Entscheidu­ngen die Wahlen im nächsten Jahr im Hinterkopf. Er lässt sich deshalb zu gewagten Verspreche­n hinreißen wie dem, dass bis zum Ende des Sommers alle Erwachsene­n geimpft sein werden. Der Leiter seines wissenscha­ftlichen Beratersta­bes, Jean-François Delfraissy, hält das in einem Fernsehint­erview für ein nicht erreichbar­es Szenario. „Bis zum Ende des Sommers werden wir 40 Prozent der französisc­hen Bevölkerun­g geimpft haben, nicht mehr.“

Auch Emmanuel Macron hat bei seinen Entscheidu­ngen die Wahlen im nächsten Jahr im Hinterkopf.

und Gültigkeit­sbeschränk­ungen der von den Fahrern vorzulegen­den Corona-Tests schwierig.

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